Was es zu bewahren gilt

„Brauchland Burgenland“ – unter diesem Motto steht das Kulturjahr 2019. Geschichten, Tänze und Lieder haben sie überliefert, die unzähligen Bräuche in unserer Region. Sie sind nichts ur-burgenländisches oder ur-steirisches, nein. Bräuche sind in jeder Kultur zu finden und so unterschiedlich wie die Menschen, die sie zelebrieren. Es gibt Bräuche, die sich auf ähnliche Weise in vielen Kulturen finden, andere wiederum gibt es gar nur in einer einzigen Ortschaft, wie das „Kikeriki-Schreien“ in Neustift bei Schlaining. Das ist kein „höflicher“ Brauch, ebenso wie viele andere Traditionen, die durchaus brutal und frauenfeindlich waren, und dennoch gibt es sie noch immer. Denn vor allem in Zeiten der Globalisierung wird nun wieder mehr Wert auf kleinräumige und regionale Bräuche gelegt.

Nora SCHLEICH / 29. April 2019

Foto: Land Bgld. Abt.7

Eine alte Tradition: Die Kunst des Korbflechtens

Riten haben nationalen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und religiösen Gruppen dazu gedient, sich voneinander abzugrenzen. Im Umkehrschluss haben sie gleichzeitig den Zusammenhalt innerhalb der jeweiligen Gruppe gestärkt. Gerade in den kleinen Gemeinden des Südburgenlandes und der Oststeiermark wurde immer schon gerne gemeinsam gearbeitet und auch genossen, gelitten und getrunken. Laut Definition wird eine Gruppe übrigens erst durch diesen gemeinschaftlichen Sinn zur Kultur. Das wiederum prägt uns, gibt uns Halt, dient als Orientierungshilfe, erinnert uns an unsere Wurzeln und stiftet so Identität. „In Westungarn etwa finden sich heute noch Bräuche, die wir Südburgenländer früher auch hatten. Weil wir ein Volk waren. Die Burgenlandkroaten feiern wiederum ganz andere Bräuche“, erklärt Karin Ritter, Projektleiterin „Jahr der Volkskultur 2019 – Brauchland Burgenland“

Geschichte

Vor wenigen Jahrhunderten waren Bräuche vor allem ein soziales Korrektiv. Es wurde kontrolliert, wer daran teilnahm, und wer sich diesem Zwang entzog, war ein Außenseiter.
Im vergangenen Jahrhundert hat der Begriff „Brauchtum“ sehr gelitten. Nur langsam bis gar nicht verblassen die Assoziationen mit dem Nationalsozialismus, der den Begriff für seine Ideologie überstrapaziert, ja sogar missbraucht hat. Darum spricht die moderne Brauchforschung auch lieber von „Bräuchen“ als von „Brauchtum“. Überreagiert? Nicht in Anbetracht der Tatsache, dass mit Sprache Realitäten geschaffen werden.

Wie auch immer begrifflich gestützt, die „Spaß“-Gesellschaft verlangt wieder nach Riten. Sie geben einen guten Grund zum Feiern und eine Erklärung für oftmals skurriles Benehmen, verpackt unter dem Deckmantel des „es war schon immer so, es ist so Brauch“. Der einstige Sinn der Bräuche wird oft nicht mehr hinterfragt. Traditionen sorgen aber nach wie vor für Beständigkeit und Ordnung. Sie geben uns das Gefühl von Geborgenheit und helfen uns, den Alltag zu strukturieren. Durch ihre ritualisierten Formen wissen wir, worauf wir uns im Jahreskalender als nächstes freuen dürfen – oder anders gesagt, worauf wir uns verlassen können und was auf uns zukommt. Neben jahreszeitlichen Bräuchen wie Ostern oder Weihnachten sind es vor allem Lebensbräuche, die in sensiblen Phasen wie Geburt, Pubertät, Hochzeit oder Tod geblieben sind. „Oft auch von der Kirche vereinnahmt, sind viele Bräuche zu Aberglauben, oder anders genannt, zum Volksglauben geworden.“ Karin Ritter erzählt weiter: „Warum man eine rituelle Leichenwaschung durchführt oder bei Hochzeiten das „Kranzl“ abtanzt, hinterfragt man aber nicht mehr. Heische-Bräuche hatten zum Beispiel soziale Vorteile, weil dabei von ärmeren Gruppen Nahrung oder Geld erbettelt wurden. Das Neujahrsingen, Aufkindeln oder auch diverse Faschingsbräuche gehören dazu.“

Erinnerungen, Gefühle und Werte

Jeder Brauch ist mit Sinnen wahrnehmbar, das verankert sie in unserem Geist. Wir fühlen die Feste, und so vernetzen wir sie intensiver mit Erinnerungen. Wir haben erst kürzlich die Ostereier geschmeckt, wir haben die Wärme des Osterfeuers gespürt und den Kren zum Osterschinken gerochen. Dieses Prinzip hat längst auch der sanfte Tourismus in der Region überrissen und vermarktet die Geschichte, die Sprache und die Tracht, die Mundart, das Handwerk und die Natur unserer Gefilde. Auch wenn dadurch Schaubräuche zunehmen, ist das im Grunde nicht nur wirtschaftlich eine positive Entwicklung, denn wir brauchen Traditionen, und selbst der modernste Mensch lebt einige.

Das Jahr der burgenländischen Volkskultur 2019 unterstreicht: Auch wenn der Begriff „Brauchtum“ und die damit verbundene Heimatliebe lange braun gefärbt waren, es wird Zeit, ganz unpolitisch wieder auf unsere Bräuche und Kultur stolz sein zu dürfen. Gerade in unseren Bezirken finden sich einige besonders spannende, einzigartige und auch eigenartige Bräuche, die es zu schätzen und zu bewahren gilt.

Foto: dorothea kerschbaum
Blochziehen

Die Männer trugen beim Blochziehen weiße Leinenhosen, die Frauen ein weißes Kopftuch, den sogenannten „Fetzen“. Dieser wurde im Nacken mit einem großen Knoten gebunden. Unter dem Fetzen hatten sie das sogenannte Bindl, einen breiten weißen Stoffstreifen, der ebenfalls im Nacken gebunden wurde. Die langen Bänder ließ man auf beiden Seiten vorne neben dem Hals herunterhängen, sie waren teilweise bestickt.

BRÄUCHE

„Kikeriki-Schreien“ gibt es nur einmal auf der Welt, in Neustift bei Schlaining. Am 5. Jänner gehen Kinder durch die Ortschaft, treten in den Hof und rufen „Kikeriki“. Den Kindern wird dann Naschzeug, das meist vom Christbaum übrig ist, wie das Futter den Hühnern vor die Füße geschmissen. „Eure Hühner und Hähne sollen guat leben“, rufen die Kinder dann. Bekommen die Kinder nichts, rufen sie „die Hühner und Hähne sollen verrecken“. Das „Aufkindeln“ am 28.Dezember, mit dem Spruch „Frisch und gsund“ ist da schon bekannter in der Region. Die Kinder gehen mit einer geflochtenen Weidenrute von Haus zu Haus und schnalzen diese um von den Hausleuten etwas zu erbetteln. Auch dies ist ein sogenannter „Heischebrauch“, ein Brauch, bei dem etwas erbeten wird. Früher waren es Naturalien, vor allem etwas zu Essen, später auch Geld.

Lebensbräuche, die an Knotenpunkten unseres Lebens stattfinden, sind besonders wichtig, weil sie uns durch sensible Lebensphasen bringen. So gehört die Geburt eines Kindes dazu. „Verschreien“ heißt etwa ein Kind nicht zu sehr zu loben, und wenn doch, es bei der Nase zu nehmen und zu sagen: „Ich will es nicht verschreien“. Die Mutter sollte laut Brauch sechs Wochen nach der Geburt das Haus nicht verlassen. „Kindlbetten“ nennt man den Besuch eins Neugeborenen, wobei früher traditionell ein Hahn, Bier, eine Semmel und Zucker mitgebracht wurden. Die Kindbetterin wurde innerhalb von sechs Wochen besucht, und sechs Wochen sollten die Nachbarinnen für sie kochen. Aus dem Kindbetten ist übrigens der Babybesuch übriggeblieben, wo oftmals heute noch Windeln oder Gewand für das Baby gebracht werden.

Wie die Geburt läutet auch der Tod eine neue Phase ein und ist mit besonderen Brächen besetzt. Ist jemand gestorben, wurden die Fenster geöffnet und der Spiegel verhängt. Die rituelle Leichenwaschung, die Tatsache, dass ein Toter auch im Sarg immer mit den Füßen voran getragen wird, dass beim Begräbnis immer noch Erde auf das Grab geschüttet wird und dass Totenwache gehalten wird hatte einen gemeinsamen Hintergrund: dass der Tote nicht zurück kommt. Man hatte Angst vor Wiedergängern und Scheintoten. Dahinter wiederum steht die Angst vor dem Unbekannten, dem Tod.

Hochzeiten bieten auch viel Grund zur Folklore, immerhin gab es früher kaum Liebeshochzeiten und der Aberglaube spielte auch hier eine große Rolle. Das „Kranzl abtanzen“ mit Abnahme des Schleiers repräsentiert die Entjungferung. Das sogenannte „Abbitten“ – das Vorsprechen des Brautführers bei den Schwiegereltern in spe hat einen eher ernsten Hintergrund. Der neue Ehemann ist nämlich damals erst zur Familie der Braut (oder umgekehrt) gezogen. Eine völlig neue Situation, auf manchmal allzu beengtem Raum, stand also bevor. Neue Bräuche wie die Torte gemeinsam anzuschneiden oder auch etwas „blaues, geborgtes und altes“ zu tragen, sind eher unter „Schaubräuchen“ einzuordnen und eigentlich im Burgenland und der Steiermark neu und importiert. Das „Bschoad-Essen“, die Mehlspeise für Gäste zu verpacken und ihnen mit nach Hause zu geben.

Weitere Bäuche im Burgenland:

Das Pudlweibl

Steffel und Lutzel

Rutenschlagen

Hochzeitsbräuche

Braut und Bräutigam gehen von Haus zu Haus und laden die Leute ein. Wenn am Hochzeitstag der Bräutigam die Braut holt, werden verschie­ dene Frauen gezeigt, bis die richtige kommt. Dann gehen sie auf das Stan­ desamt, dann geht es in die Kirche und nachher ins Gasthaus. Im Hochzeitezug kommen zuerst die kleinen Kinder, die manchmal den Schleier tragen, dann der Bräutigam mit der Gegenbraut, (das ist meistens eine jüngere Verwandte der Braut), dann die Braut mit dem ersten Brautführer (das ist meistens ein Verwandter des Bräutigams), dann der zweite Brautführer mit der Altfrau (meistens eine Firm- oder Taufpatin der Braut); auch der zweite Brautführer ist von der Verwandtschaft der Braut. Nun kommen die Kranzlmädchen mit ihren Burschen, nachher die anderen Hochzeitsgäste und zuletzt die zwei Beistände.

Beim Herausgehen kommen Braut und Bräutigam nach den Kindern, dann die Gegenbraut mit dem Brautführer, nachher die Altfrau mit dem zweiten Brautführer. Die Brautführer haben einen Stecken und auf der rechten Brustseite eine lange Masche, die fast unter die Kniee geht. Eine ebensolche Masche hat der Bräutigam, aber keinen Stecken, auf dem Hut trägt er Rosmarin. Wenn die Braut weiß ist (da darf sie noch kein Kind haben), hat sie ein Wachssträußlein an der Brust stecken, auch der Bräutigam. Hat sie ein Kind, dann darf sie kein Kranzerl am Kopf und kein Wachssträußlein an der Brust tragen, doch hat sie ein Rosmarinsträußlein. Heiraten sie in der Früh, so müssen sie nur Mehlspeisen und Tee und Rum geben, dann kommt der Tanz.

Das dritte Stück ist der Brauttanz. Der Bräutigam mit der Braut, der Brautführer mit Gegenbraut, der zweite Brautführer mit der Altfrau und die Beistände, die sich eine Partnerin gesucht haben, gehen dreimal im Kreis herum. Wenn sie zu den Musikanten kommen, machen die drei Frauen einen Knicks, der Bräutigam hebt den Hut in die Höhe, die zwei Brautführer den Stock. Dann beginnen sie zu tanzen, meistens zuerst einen Walzer und dann einen Ländler. In der Früh geht die Altfrau zur Braut, kniet vor ihr nieder und bittet ihr das Kranzl ab. Die Altfrau nimmt es herunter und sagt dabei: ,,S’ Kranzei weg und s’ Häuberl her, Jungfrau gwest und neamermehr.” Bevor die Braut in die Kirche geht, muß sie über den Tisch steigen.

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