Chiara PIELER / 29. Mai 2024
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Die Leselust bei Kindern und Jugendlichen steigt.
Lesen als kognitive und emotionale Bereicherung
Lesen fördert nicht nur die kognitiven Fähigkeiten von Kindern, sondern auch ihre emotionale Entwicklung. „Lesen ist eine essenzielle Informationsquelle, die nicht nur das Verständnis für die Schriftsprache fördert, sondern auch die verbalen Fähigkeiten erheblich verbessert“, erklärt Entwicklungspsychologin Karin Landerl. Die Fähigkeit, Texte zu entziffern und zu verstehen, ermöglicht es Kindern, Informationen aus ihrer Umwelt besser zu verarbeiten und sich dadurch Wissen anzueignen. Darüber hinaus biete das Lesen einen emotionalen Mehrwert: „Indem junge Menschen in die Geschichten eintauchen und sich mit den Protagonist*innen identifizieren, entwickeln sie ein tieferes Verständnis für die Gefühle und Gedanken anderer. Dieses als ‚Theory of Mind‘ bekannte Konzept hilft Kindern, Empathie zu entwickeln und ihre sozialen Kompetenzen zu stärken“.
Der Einfluss der sozialen Medien
Studien zeigen, dass auch Jugendliche wieder mehr lesen. Ein Faktor, der diese neue Leselust befeuert, ist der Einfluss der sozialen Medien. Plattformen wie TikTok und Instagram haben Buchdiskussionen populär gemacht und das Interesse an Literatur geweckt. Ein besonders erwähnenswerter Trend ist „BookTok“, ein TikTok-Trend, in dem Nutzer*innen Buchempfehlungen und -rezensionen teilen. Diese Kurzvideos machen Bücher visuell ansprechend und ermutigen junge Menschen, neue Titel zu entdecken und zu lesen. Diese Entwicklung wird durch die Zugänglichkeit von Büchern unterstützt. Dank digitaler Plattformen können Bücher bequem heruntergeladen und sofort gelesen werden. „Die Sichtbarkeit von Büchern in sozialen Medien hat definitiv zugenommen. Bücher werden diskutiert und auch die Verfilmung der Bücher weckt zusätzliches Interesse“, so die Entwicklungspsychologin.
Herausforderungen und individuelle Unterschiede
Trotz dieser positiven Entwicklungen gibt es junge Menschen, die beim Lesen Schwierigkeiten haben. Kinder mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche müssen oft mehr üben und sich stärker anstrengen, um das Lesen zu meistern. Die Entwicklungspsychologin zeigt am Beispiel von Comics und Graphic Novels, dass die visuelle Gestaltung der Texte den Zugang zum Lesen erleichtern kann. „Vor allem Menschen mit Dyslexie (Infokasten) müssen deutlich mehr üben und eine ganz andere Anstrengung aufbringen, um das Lesen zu meistern“, erklärt Dr. Landerl. „Es ist daher entscheidend, die Lesefreude dieser Personen aufrechtzuerhalten.“ Neurobiologische Prozesse spielen ebenfalls eine wichtige Rolle beim Lesen, erläutert Dr. Landerl: „Es gibt Studien aus Portugal, die zeigen, dass Frauen, die erst im hohen Alter lesen lernen, Schwierigkeiten haben, erfundene Wörter zu behalten. Das zeigt, wie tiefgreifend das Lesen die kognitiven Prozesse beeinflusst.“
Die eigene Erfahrungswelt erweitern
Bücher spielen also eine zentrale Rolle in der kognitiven und emotionalen Entwicklung und werden durch die Verbreitung in sozialen Medien noch zugänglicher. „Bücher ermöglichen es Kindern, in andere Welten einzutauchen und ihre eigene Erfahrungswelt zu erweitern. Lesen erweitert den Horizont – und das ist in jeder Lebensphase von unschätzbarem Wert“, betont Dr. Landerl.
Dr. Karin Landerl
Dr. Karin Landerl ist renommierte Entwicklungspsychologin und Institutsleiterin der Psychologie an der Universität Graz. Sie erforscht unter anderem die Entwicklung und Störung der Lese-/Rechtschreibfähigkeit.
BookTok
In den Buchhandlungen gibt es immer mehr Bücher, die mit Stickern wie „Die BookTok-Sensation“ versehen sind.
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