Ins eiskalte Wasser
Es ist Winter. Die Luft klirrend kalt, die Gewässer von Eis überzogen. Die Menschen ziehen sich in die wohlig beheizte Stube zurück. Wäre nicht Corona, hätten Sauna und Thermenschwimmbad nun Hochbetrieb. Und schon der älteste Ratschlag über Generationen hinweg ist: „Zieh dich warm an, sonst erkältest du dich!“ Aber eine Philosophie namens „Wim-Hof-Methode“ will uns eiskalt vom Gegenteil überzeugen. Der regelmäßige Gang ins kalte Wasser in Verbindung mit den richtigen Atemübungen seien der Schlüssel zur Gesundheit. Man müsse es nur machen. Silvia Messenlehner aus St. Michael tut es.
Foto: Lexi
Silvia Messenlehner geht täglich ins kalte Wasser. Bei diesem Fototermin hatte es eine Außentemperatur von 1 °C. Sie geht dabei nach der Wim-Hof-Methode vor.
Ein nebelig trüber Morgen im Dezember. Außentemperatur ein Grad über Null. Die Wetterprognose verkündet Schnee für die kommenden Tage. Silvia Messenlehner trägt nichts als einen Bikini, rutschfeste Socken und eine Pudelhaube, als sie über die Balken ihrer Terrasse Richtung Gartenteich schreitet. Mit einem beherzten Schlag mit der Schaufel zertrümmert sie die Eisschicht, die sich über Nacht auf dem Wasser gebildet hat: „Ich möcht‘s schon bequem haben und mich nicht am Eis schneiden“, lacht sie entschlossen. Und dann geht es los. Ihre Bewegungen sind bedacht, aber nicht zögerlich. Unbeeindruckt vom eiskalten Wasser macht sie zwei Schritte hinab zu einer tiefen Stelle des Biotops. Sie setzt sich bis zum Hals hinein, wirft einen Blick auf die Pulsuhr, schließt dann die Augen und beginnt ruhig zu atmen.
Die Wim-Hof-Methode
Was Silvia Messenlehner da macht – und bei den meisten Menschen ein schockiertes Kopfschütteln auslöst – hat sich in den letzten Jahren als weltweit praktizierte Gesundheits-Philosophie herauskristallisiert. Als Pionier gilt der niederländische, 61-jährige Extremsportler Wim Hof, der inzwischen seit vielen Jahren als „The Iceman“ bekannt ist und bislang 26 Weltrekorde von körperlicher Belastung in Eiseskälte aufgestellt hat. Unter anderem den vom Eiswürfelbad für die unglaubliche Dauer von 110 Minuten im Jahre 2011.
Seine Theorie der Kältetechnik in Verbindung mit einer kontrollierten Atmung, verspricht bei regelmäßiger Ausführung positive Auswirkungen für den gesamten menschlichen Organismus. So wirbt er für seine „Wim-Hof-Methode“ mit den Vorzügen von einem stärkeren Immunsystem, Linderung von chronischen Krankheiten, Depressionsbekämpfung, geringerem Stressempfinden sowie erhöhter Konzentration, Energie und Vitalität. Auch Sportler würden mit dieser Methode ihren Höchstleistungen nähergebracht und die Fettverbrennung gesteigert. Und alles was man dazu braucht, sei die Bereitschaft, sich regelmäßig mit der eigenen Atmung zu beschäftigen und die „klitzekleine“ Überwindung, sich mit dem kalten Wasser anzufreunden.
Kältekick als Booster
Fast fünf Minuten hat Silvia Messenlehner nun im winterlichen Gartenbiotop verharrt, ehe sie wieder in Bewegung kommt. Nach dem neuerlichen prüfenden, aber zufriedenen Blick auf die Pulsuhr steigt sie aus dem Wasser, trocknet sich ab und beginnt einen gemächlichen Spaziergang durch den Garten. Im Bikini wohlgemerkt, nur die nassen Socken werden gegen gefütterte Gartenschuhe getauscht. „Die Extremitäten, also die Hände und die Füße, die frieren schon ordentlich ein“, gesteht Silvia und bewegt die krebsroten Finger. Der ganze Körper ist von der gesteigerten Durchblutung rot gefärbt und hat offensichtlich im Moment einiges zu tun. „Die Gefäße ziehen sich zusammen, der Körper schickt das ganze Blut im Notbetrieb zu den Organen, das ist ein überlebenswichtiger, sehr spannender Effekt“, schildert die Therapeutin. Während des plötzlichen Kältekicks wird auch die Adrenalinausschüttung erhöht. Das sieht man, denn Silvia lächelt und strahlt vor Energie. Dass es im Freien eiskalt ist, ist ihr während des Spaziergangs im Bikini nicht anzumerken. „Seit zwei Jahren bin ich begeisterte Anhängerin der Wim-Hof-Methode. Ich gehe täglich ins Wasser, egal wie kalt es ist“, schildert Silvia Messenlehner ihre Gewohnheit.
Bewusste Atemübungen
Dem routinierten Kältebad ist eine Sequenz mit Atemübungen vorangegangen. Als täglicher Start in den Morgen begibt sich die Therapeutin im Wohnzimmer auf die Yogamatte, um die spezifischen „Wim-Hof-Atemübungen“ zu praktizieren. Dabei wird zwischen energischem, tiefem Ein- und Ausatmen (kontrollierte Hyperventilation) und auch längerem Luftanhalten abgewechselt. Ihre körperlichen Vitalwerte kontrolliert und dokumentiert sie mit einem Pulsmessgerät und einer App auf dem Tablet. „Da interessiert mich am meisten meine Herzratenvariabilität (HRV). Eine hohe HRV wird allgemein als Zeichen eines gesunden Herzens angesehen und mit mentaler Gesundheit, höherer Lebensqualität und geringerer Anfälligkeit für Krankheiten in Verbindung gebracht. Und durch die Wim-Hof-Methode habe ich diesen Wert enorm steigern können“, ist Silvia Messenlehner begeistert. Auch Yogaübungen sind Teil der Vorbereitung auf das tägliche Bad im kalten Wasser. „Wim Hof hat ein ganzheitliches Konzept entwickelt, welches regelmäßig betrieben, der Schlüssel zur mentalen und körperlichen Gesundheit sein kann“, sagt Silvia Messenlehner voller Überzeugung. Allein schon das Vertrauen in den Körper und die positive Grundhaltung sei das Schöne an dieser Methode.
Schnellstmöglicher Erholungszustand
„Im Zuge meiner Arbeit in meiner therapeutischen Praxis erlebe ich oft Menschen, die hohen Spannungen und Leistungsdruck ausgesetzt sind. Durch meine Erfahrung mit der Wim-Hof-Methode kann ich dieses Gefühl der Selbstverantwortung über das eigene Wohlbefinden auch weitergeben“, schildert die Therapeutin, die auch selber Atemkurse leitet. „Bewegung, Atmung, Meditation, Entspannung. Wenn sich die Menschen täglich ein bisschen Zeit für sich nehmen, die Augen schließen, in sich gehen, die Atmung wahrnehmen, dann ist schon viel gewonnen. Da reicht mitunter schon eine Viertelstunde am Tag, wenn man es bewusst macht. Die Atmung hat eine hohe Heilkraft“, schildert Silvia den wesentlichen Tipp, den sie auch an ihre Klientinnen und Klienten richtet. „Das ersehnte Gefühl der Zufriedenheit beginnt von innen, das kann ich mir nicht kaufen. Man muss schon in sich selbst investieren, um ein langfristiges inneres Glücksgefühl in sich zu tragen, und das ist natürlich Arbeit und benötigt Zeit. Die Wim-Hof-Methode ist in meinen Augen die effektivste Methode, um schnell in einen Erholungszustand zu kommen. Und die Luft, die ich dafür brauche und das Wasser, sind immer da.“
Kalte Dusche zum Einstieg
Literatur in Buchform findet man noch relativ wenig. Die Community trifft sich hauptsächlich im Internet und folgt den Ratschlägen von Wim Hof auf Facebook, Instagram und YouTube. Auf diesen Kanälen kann man auch die Atemübungen kostenlos lernen. Wer möchte, findet aber auch Workshops und angeleitete Kurse in Österreich und im Ausland. Ratsam ist es jedenfalls, sich auf die Kältetechnik der Wim-Hof-Methode langsam einzulassen, weiß auch Silvia Messenlehner: „Grundsätzlich startet man mit kalten Duschen. 30 Sekunden rechter Arm, 30 Sekunden linker Arm, und man arbeitet sich weiter über die Füße zum restlichen Körper. Zwei Minuten täglich mit dem kalten Wasser sollen schon einen positiven Effekt bringen. Wer ins Kaltwasserbad geht, dem sei ebenfalls geraten, im Freien schon im Herbst damit zu beginnen bzw. in der Badewanne die Temperaturen langsam absinken zu lassen und den Körper an die Kälte zu gewöhnen. Aber zwei bis drei Bäder in der Woche sollten es dann minimum sein. Schritt für Schritt führt das regelmäßige Praktizieren der Wim-Hof-Methode, also die Kraft des Atmens, die Kraft des kalten Wassers und das Zusammenspiel von Körper und Geist, dann zu mehr Selbstkontrolle und steigert Leistungsfähigkeit und Stressresistenz im Alltag. Probieren Sie es aus!“
Stark gegen Krankheiten
Erfahrungsberichten zufolge hat die Wim-Hof-Methode schon zahlreichen Menschen bei unterschiedlichen Beschwerden geholfen. Vor allem wenn die Schulmedizin schon an die Grenzen geraten ist. So macht die Methode jenen Menschen Hoffnung, die zum Beispiel mit Gelenksproblemen wie Arthritis oder Rheuma zu kämpfen haben. Auch bei Asthma, Diabetes oder Autoimmunerkrankungen gäbe es erfolgreiche Aussichten.
Einen starken Effekt hätte die Methode auch bei Burnout-Erkrankungen oder Depressionen. Da die Wim-Hof-Methode sämtliche Entzündungsprozesse im Körper beeinträchtigen würde, ist die Liste der möglichen behandelbaren Krankheiten lang. Durch den erhöhten Sauerstoff- und geringeren Kohlenstoffdioxid-Anteil im Blut aufgrund der Atemübungen verändert sich der ph-Wert des Blutes. Ein erhöhter pH-Wert erschwert allgemein die Überlebenschance von Bakterien und dadurch verursachte Infektionen im Körper. Durch den regelmäßigen Kälteschock werden die Gefäße an eine hohe Belastungsgrenze gebracht. Die Zellen können besser arbeiten und das Immunsystem wird gestärkt. Die aktiven Fans der Wim-Hof-Methode berichten durchwegs, seither viel seltener krank zu sein.
Silvia Messenlehner, Sexualtherapeutin aus St. Michael, hat durch die Wim-Hof-Methode des Weiteren auch ihren Schlafstörungen und jahrelangen Hitzewallungen den Garaus gemacht. Auch Thrombosen in den Beinen seien seither verschwunden.
Allerdings gibt es auch Ausschlusskriterien:
Dringend abgeraten von der Methode wird bei Vorerkrankungen, die das Herz-/Kreislaufsystem betreffen sowie bei Bluthochdruck oder Epilepsie. Daher wird unbedingt empfohlen, die Methode vorher mit dem Arzt abzuklären.
Der niederländische Extremsportler Wim Hof hat 26 Weltrekorde im Ertragen extremer Kälte aufgestellt. In Kombination mit speziellen Atemübungen und durch die Kraft der Gedanken führt dies zu einer Stärkung des Immunsystems.
Nähere Infos zur Wim Hof-Methode: https://www.wimhofmethod.com/de/elearning/fundamentals
.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von anchor.fm zu laden.
Das sagt die Schulmedizin dazu
PD Dr. Ernst B. Zwick,
Ärztlicher Leiter vom Kurhaus Bad Gleichenberg (inkl. Kältekammertherapie)
Wenn auch wenig wissenschaftlich aufgearbeitet, existiert für die Ganzkörper-Kälteanwendung bereits langjährige Erfahrung. Die Therapie kann als Bad oder in der Kältekammer erfolgen, die in spezialisierten Zentren zur Schmerztherapie und Regeneration eingesetzt wird. Konzentriert man sich auf die Ganzkörper-Kälteanwendung im Wasser, existieren dafür erst etwa 500 brauchbare wissenschaftliche Arbeiten. Dies soll nicht werten, zeigt aber, dass noch viel zu tun ist!
Der Körper reagiert auf kaltes Wasser in vielfacher Art und Weise. Einerseits erfolgen altbekannte Anpassungen z.B. des Herz-Kreislaufsystems, andererseits gibt es neuere Erkenntnisse, die auf erstaunliche Reaktionen in unserem Gehirn hinweisen. Die dokumentierte Beeinflussung des autonomen Nervensystems ist hinsichtlich vieler Gesundheitsaspekte interessant.
Die Ganzkörper-Kältetherapie vermag die Regulation des autonomen Nervensystems, die Verarbeitung von Schmerz, aber auch emotionale Zustände positiv beeinflussen. Harte wissenschaftliche Daten werden uns wahrscheinlich erst in Jahren zur Verfügung stehen. Das zu bedenken und für die eigene Sicherheit zu sorgen, hat oberste Priorität bei der Anwendung. Vor dem Start ist anzuraten, die eigene Tauglichkeit zur Therapie ärztlich prüfen zu lassen!
Schreibe einen Kommentar
1 Antworten
Ins eiskalte Wasser