„Wasser im Boden zu halten, ist eine der Herausforderungen unseres Jahrhunderts“

Vor wenigen Wochen wurden das Südburgenland und die Oststeiermark von einer Hochwasserkatastrophe heimgesucht, die in ihrer Heftigkeit beispiellos war. Die Bilder der Verwüstung haben österreichweit Entsetzen ausgelöst. Gerald Dunst, Experte für nachhaltige Bodenwirtschaft und Geschäftsführer des Erden produzierenden Betriebes SONNENERDE, sieht in der verloren gegangenen Schwammfunktion unserer Böden eine der Ursachen für solche Flutkatastrophen. Nachhaltige Lösungen sind dringend gefragt, um die Bodenfruchtbarkeit zu stärken, aber auch um aktiv zur Verbesserung des Wassermanagements in der Landwirtschaft beizutragen. Die Einführung von Agroforstsystemen sei ein entscheidender Schritt im Umgang mit derart extremen Wetterereignissen.

Nicole MÜHL / 3. Juli 2024

Durch Bäume und Nutzpflanzen entsteht ein Mikroklima, das es ermöglicht, dass mehr Wasser im Boden bleibt.

Erde ist für Gerald Dunst die Basis unseres Ökosystems. Die Schwammfunktion beschreibt die Kapazität des Bodens, Wasser schnell aufzunehmen und zu filtern, sodass dieses gereinigt ins Grundwasser gelangen kann, erklärt der langjährige ehemalige Leiter des Humusprojektes und der Arbeitsgruppe Landwirtschaft der Ökoregion Kaindorf. „Was wir heute aber sehen, ist das Ergebnis intensiver Landwirtschaftspraktiken, einschließlich tiefgehender Bodenbearbeitung, dem Einsatz von Monokulturen und Chemikalien.“ Diese Praktiken schaden der Bodenbiologie und führen zum Verlust von Fruchtbarkeit, Humus und lebendigem Boden. Die Folgen dieser Entwicklung werden besonders in Zeiten veränderter Wetterbedingungen sichtbar. „Ein Boden, der seine Schwammfunktion verliert, kann nur noch begrenzte Mengen Wasser aufnehmen. Regnet es kontinuierlich, sind Überschwemmungen unausweichlich“, erklärt der Bodenexperte. Diese Problematik zeigt auf, dass ohne eine grundlegende Veränderung in der Art und Weise, wie Landwirtschaft betrieben wird, die Risiken durch klimatische Veränderungen weiter zunehmen werden.

Es besteht laut Dunst allerdings auch Hoffnung, dass durch politische sowie praktische Neuausrichtungen Verbesserungen erzielt werden können. Die Europäische Union fördert im Rahmen des Green Deals Projekte, die auf die Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit und den Aufbau von Humus abzielen, um Kohlenstoffdioxid langfristig im Boden zu binden. Zudem wurde in Österreich vor wenigen Monaten das Agroforstsystem legalisiert, das die Integration von Bäumen, Sträuchern bzw. Hecken in landwirtschaftlich genutzte Flächen fördert.

„Diese Entwicklungen sind ein Schritt in die richtige Richtung, um die Resilienz unserer Böden gegenüber klimatischen Extremen wiederherzustellen und die Biodiversität zu fördern“, betont Dunst, der in seinem Betrieb SONNENERDE jahrelang die fruchtbarste Erde (Terra Preta) erforscht hat. Ein Umdenken in der Landwirtschaft sei nicht nur ökologisch dringend erforderlich, sondern werde auch zunehmend durch politische Rahmenbedingungen unterstützt.

Agroforstsysteme: Eine nachhaltige Antwort auf die Herausforderungen moderner Landwirtschaft und Extremwetterverhältnisse

Die Einführung von Agroforstsystemen in Österreich stellt einen entscheidenden Wendepunkt in der Agrarpolitik dar und könnte eine nachhaltige Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen der modernen Landwirtschaft bieten. Gerald Dunst, ein Verfechter dieser Praktik, berichtet von einem langen Kampf – über 15 Jahre – für die Integration von Bäumen und Sträuchern auf landwirtschaftlichen Flächen. Dies markiert einen signifikanten Paradigmenwechsel, denn bislang sei die Praxis, Wasser so schnell wie möglich von den Feldern zu entfernen. „Das traditionelle Vorgehen in der Landwirtschaft war, Wasser durch Entwässerung schnell von den Feldern zu leiten, was in der Vergangenheit zur Trockenlegung von Mooren und zur Begradigung von Flächen geführt hat. Diese Praktiken haben jedoch in Zeiten von Starkregen zu katastrophalen Überschwemmungen geführt. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Agroforstsysteme zielen darauf ab, Wasser in der Landschaft zurückzuhalten und langsam versickern zu lassen, was durch einfache Methoden wie das Anlegen von Gräben mit leichtem Gefälle erreicht wird.“

Erste Versuche

In der Ökoregion Kaindorf wurden bereits erfolgreiche Projekte umgesetzt, bei denen acht verschiedene Agroforstsysteme auf den Flächen von acht Landwirten angelegt wurden. „Diese Systeme bestehen häufig aus einfachen Gräben, die durch kleine Dämme ergänzt werden. Diese Dämme sind nicht nur einfache Erdhügel, sondern werden strategisch mit Bäumen bepflanzt, die zur langfristigen Stabilisierung und Verbesserung der Bodenstruktur beitragen“, erklärt Gerald Dunst.

Die Vorteile dieser Baumstreifen und Hecken sind vielfältig: Sie dienen als Windbremsen, helfen Feuchtigkeit auf den Flächen in Trockenperioden zu bewahren und fördern durch ihre tiefer gehenden Wurzeln den Transfer von Mineralstoffen und Spurenelementen aus tieferen Bodenschichten. Diese Prozesse stärken den Nährstoffkreislauf und führen zu einer langfristigen Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit sowie des Grundwasserspiegels.

Die Herausforderungen bei der Umsetzung von Agroforstsystemen liegen vor allem in den anfänglichen Kosten und der fehlenden finanziellen Unterstützung durch Förderprogramme. Die Ökoregion Kaindorf arbeitet jedoch an einem Zertifizierungsmodell, das die Kohlenstoffbindung durch neu gepflanzte Bäume honorieren und damit eine Finanzierungsmöglichkeit schaffen könnte.

Diese Maßnahmen seien nicht nur ökologisch notwendig, sondern stellen laut Dunst die „Herausforderung des Jahrhunderts“ dar. Es sei entscheidend, dass politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die solche Innovationen in der Landwirtschaft fördern, „denn wir brauchen sie dringend zur Bewältigung der klimatischen Herausforderungen“, appelliert der Experte für nachhaltige Bodenwirtschaft. 

Eine grüne Weide ist teilweise durch Regenwasser überflutet, wodurch ein schlammiger Pfad und ein Bach entstehen, der sich durch das Gras zieht. Holzpfosten mit Elektrozäunen teilen das Feld. Im Hintergrund erstreckt sich die Landschaft mit sanften Hügeln, vereinzelten Bäumen und einigen entfernten Gebäuden unter einem wolkigen Himmel mit blauen Stellen. Die Atmosphäre deutet auf kürzlichen Regen hin.
Agroforstsystem: 
  1. Bodenbewirtschaftung: Die Integration von Bäumen und Nutzpflanzen in Agroforstsystemen schafft ein Mikroklima, das die Verdunstung und den Wasserverlust aus dem Boden reduziert. Dies ermöglicht es, dass mehr Wasser im Boden bleibt und weniger in den Abfluss gelangt.
  2. Mulchen: Das Mulchen, das die Bodenoberfläche bedeckt, trägt dazu bei, die Bodenfeuchtigkeit zu bewahren und die Verdunstung zu reduzieren. Dies minimiert den Wasserverlust und speichert Wasser im Boden.
  3. Wassergewinnung: Die Regenwassergewinnung durch den Bau von Teichen, Gräben und Konturdämmen ermöglicht es, abfließendes Regenwasser aufzufangen und im Boden zu speichern. Dies verhindert Bodenerosion und sorgt für eine höhere Wasserversorgung in Trockenperioden.
  4. Biodiversität: Die Integration einer Vielzahl von Baumarten, Nutzpflanzen und Nutztieren in Agroforstsystemen verbessert die Bodengesundheit und die Wasserinfiltration. Dies trägt dazu bei, dass Wasser im Boden bleibt und weniger in den Abfluss gelangt.

Diese Strategien helfen, Überschwemmungen zu vermeiden, indem sie die Wasserinfiltration und -speicherung im Boden fördern und den Wasserverlust minimieren.

Foto: HUMUS+ Modell Ökoregion Kaindorf

SONNENERDE bietet für Hochbeete nährstoffreiche Erden-Produkte. Firmenchef Gerald Dunst (re) empfiehlt die Hochbeeterde, die Riedlingsdorfer Schwarzerde oder den Bodenaktivator.
©zVG SONNENERDE
Gerald Dunst

Gerald Dunst ist ein renommierter Experte auf dem Gebiet der Kompostierung und Erdenherstellung. Er studierte an der Universität für Bodenkultur, Fachrichtung Pflanzenproduktion und war 13 Jahre lang selbstständiger Kompostberater im In- und Ausland. Als Autor des Fachbuches „Kompostierung“ hat er sein umfassendes Wissen über die Kompostierung und Erdenherstellung veröffentlicht.

 Gerald Dunst hat sich auch intensiv mit den traditionellen Terra Preta-Böden (gilt als die fruchtbarste Erde der Welt) in Lateinamerika auseinandergesetzt und hat seine Erkenntnisse in Fachbüchern veröffentlicht. Er hat auch ein 6-jähriges Forschungsprojekt durchgeführt, das sich auf die Bindung von Kohlenstoff durch Kompostierung konzentriert hat. Dieses Projekt hat dazu beigetragen, dass die Landwirtschaft zu einem Kohlenstoffspeicher wird, anstatt eine Quelle für CO2 zu sein.

Gerald Dunst ist Mitbegründer der Ökoregion Kaindorf und war Initiator und langjähriger Leiter des Humusprojektes und der Arbeitsgruppe Landwirtschaft der Ökoregion Kaindorf. 1998 hat Gerald Dunst SONNENERDE in Riedlingsdorf gegründet, ein Unternehmen, das sich auf die Produktion von hochwertigen Erden und Substraten spezialisiert hat. 

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