Bericht

Betriebsübergabe: Wenn das Loslassen schwerfällt

Wenn der König müde wird, wird’s Zeit abzudanken. Doch das ist leichter gesagt als getan. Wer gibt schon sorgenfrei sein Lebenswerk in andere Hände. Eine Betriebsübergabe ist immer eine emotionale Herausforderung.

Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass Nachfolger aus der eigenen Familie gefunden werden. Am Beispiel eines erfolgreichen Sportunternehmens im Norden zeigt sich, dass es sie immer noch gibt, die Kinder, die bereit sind, weiterzuführen, was die Eltern mit viel Engagement aufgebaut haben. Eigentlich wäre in dem Fall ja alles optimal: Zwei junge Menschen, die mit neuen Ideen auch die sehr schwierige Coronazeit gut gemeistert haben, wollen das Unternehmen weiterführen und ihre Zukunft darin aufbauen.

Nur gibt es da auch noch die Eltern. Vor allem für den Vater, den Gründer des Unternehmens, ist dieses sein Leben. Ihm fällt es schwer, das Zepter abzugeben. Die beiden jungen Unternehmer sind in der Zwischenzeit desillusioniert und bereits in dem Stadium, sich Alternativen zu überlegen. In einem Gespräch mit allen Beteiligten wurde offensichtlich, dass es zwar nach außen hin zwei neue Geschäftsführer gibt, nur im täglichen Ablauf wurde ihnen nicht die Möglichkeit gegeben, die Geschäfte wirklich zu übernehmen.

Die Kunst des Loslassens

Eine Situation wie diese zeigt sich sehr oft in Familienunternehmen: Der Gründer, der sein Leben für die Firma gegeben hat, bis jetzt die Zügel in der Hand gehalten und ein gewisses Machtpotenzial entwickelt hat. Ein Unternehmer wie er, der bis jetzt gewohnt war, einsame Entscheidungen zu treffen oder zumindest die Letztentscheidung zu haben, steht im Zuge der Übergabe vor großen Herausforderungen.

Große Ängste und Unsicherheiten kommen an die Oberfläche: „Werden die Kinder in der Lage sein, den Betrieb gut weiterzuführen? Werden sie unsere Philosophie weitertragen? Wird es uns weiterhin möglich sein, den Lebensstandard zu halten, den wir gewohnt sind?
Erschwerend kommt dazu, dass diese Menschen oft keine Perspektiven für „ein Leben nach der Firma“ entwickelt haben. Fehlen jegliche Interessen neben dem Betrieb, steht am Ende der beruflichen Laufbahn eine große Leere.

Die ersten Schritte

Schon Rudolf Steiner (Begründer der Anthroposophie, einer spirituellen Weltanschauung) hat das Leben der Menschen in Rhythmen von sieben Jahren eingeteilt, in denen sich die Perspektiven, die Lebensausrichtung, verändern sollten. Gerade das Alter von 60 bis 65, die klassische Zeit der Unternehmensübergaben, wird beschrieben als das Alter, in dem „das Pflichtprogramm“ des Lebens abgeschlossen sein sollte. Was folgen könnte, wäre ein Leben, in dem der große Erfahrungschatz, den sich jeder dieser Menschen erarbeitet hat, zum Wohle der Gesellschaft und zur eigenen Erfüllung auf neue Art und Weise eingesetzt werden könnte.

Auch in diesem Fall des Sportunternehmens wurde mit dem Seniorenehepaar an der Entwicklung einer Perspektive für das dritte Lebensdrittel gearbeitet. Das führt auch zu der Erkenntnis der beiden, dass es keinem Betrieb guttut, wenn zu lange in eingefahrenen Geleisen verharrt wird. Der Markt verändert sich, neue Technologien sind gefragt, mit denen sich viele nicht mehr auseinandersetzen wollen und auch können. Doch Loslassen bedeutet auch, Vertrauen in die nächste Generation zu entwickeln. Die beiden Jungunternehmer müssen in diesen Coachingprozess unbedingt eingebunden werden.
Sie werden sich dann in ihre neue Rolle einfinden können, wenn sie spüren, dass das Vertrauen in ihre Leistungen wächst, wenn ihre Fähigkeiten und ihre Form der Unternehmensführung akzeptiert wird.

Die Voraussetzungen

Im gesamten Prozess der Neuausrichtung ist ein großes Maß an Selbstreflexion der Übergebenden erforderlich und die Wachsamkeit, eventuellen „Sabotagemechanismen“ der Senioren (die unbewusst oder bewusst entstehen aus Angst vor dem „nicht mehr Gebrauchtwerden“) auf die Spur zu kommen. Es muss außerdem bewusst gemacht werden, dass auch die Übernehmenden in diesen Prozess mit Geduld und Einfühlungsvermögen gehen müssen und Wertschätzung für das bereits Geschaffene aufbringen müssen.

Ein Übergabeprozess erfordert eine sehr große Bereitschaft zur persönlichen Entwicklung. Erfolgreich sind wir dann, wenn die Senioren mit Respekt und vielleicht sogar Stolz auf die Leistungen der Nachfolger schauen können und sich in ihrer neuen Lebensausrichtung eingefunden haben.


Mag. Elisabeth Bürgler MSc MBA
www.elisabeth-buergler.com

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