Bericht

Hof unter (Öko)Strom

Die Sonne scheint. Doch Landwirt Markus Schnur sieht nicht in den Himmel, sondern auf sein Smartphone. Dort erscheint ein Diagramm, das ihn sehr freut. Es zeigt an, wie viel Strom auf dem Hof verbraucht wird und wie viel davon über die Photovoltaikanlage auf dem Stalldach gewonnen wird. Markus Schnur betreibt nämlich einen nahezu energieautarken Bauernhof.

Foto: zvg

„Es fing vor viereinhalb Jahren an, im Mai 2016“, erinnert sich Markus Schnur. Damals stellte der Landwirt aus Flattendorf fest, dass man auf dem Hof zwar viele, aber vorwiegend sehr kurze Wege zu fahren habe – wie etwa zum Acker, in den Wald, auf eine der Futterwiesen, aber alle in näherer Umgebung. Daraus zog er die Konsequenz, dass für genau diese Art der Benutzung ein E-Auto das richtige sei. Ein Gebrauchtwagen wurde angeschafft, der über Nachtstrom geladen wurde. Doch dabei blieb es nicht lange.

Eigenstrom durch Photovoltaik

Die erste Photovoltaikanlage wurde 2018 auf dem extra dafür sanierten Dach des Stalls montiert. „Das ist insofern nicht ganz unproblematisch“, gibt der Landwirt zu bedenken, „weil die Paneele durch den Stallmist schneller verdrecken.“ Mindestens zweimal im Jahr, meist aber öfter, muss die Anlage gereinigt werden. Das macht Markus Schnur selbst: Wenn es ordentlich regnet, kann es passieren, dass sich der Vater zweier Söhne nicht in eine kuschelige Ecke zurückzieht und seinen Kindern vorliest, sondern ihm die beiden zuschauen können, wie er mit einem Teleskopschrubber aufs Dach steigt. „Wir haben schon bei der Errichtung der Anlage darauf geachtet, dass man gefahrlos hinkommt, indem wir einen Balken zum Gehen mit einbauen ließen“, so die Erläuterung. Doch die erste Anlage konnte die Stromspitzen in Haus, Heizung und Stall, wie sie etwa beim Waschen entstehen, nicht bewältigen. So wurde aufgerüstet. Jetzt ist die Maximalleistung der Gesamtanlage mit 30 Kilowatt Peak angegeben.

Umstellung auf elektrische Energie

„Als Milchbetrieb haben wir unsere Spitzen am Morgen und am Abend beim Einfüttern, Melken und Stallreinigen, also zu Zeiten, in denen die Sonne, wenn sie überhaupt schon scheint, nicht den Maximalwert an Energie liefert“, stellt der Landwirt fest. Doch auch hier fand er schnell eine Lösung: Ein Speicher, der dafür sorgt, dass die Energie auch dann verfügbar ist, wenn sie benötigt wird, wurde angeschafft und ein bisher unbeachteter Abstellraum zum Speicherraum umgebaut. Etwas später wurde auch hier erweitert, sodass die Gesamtspeicherkapazität inzwischen bei brutto 64 kWh bzw. in der Realität bei etwa 58 kWh liegt. Inzwischen wurde auch bei beiden Autos der Familie auf E-Mobilität umgerüstet. Eines als reines E-Auto mit 200 km Reichweite. „Für die Kurzstrecken im Alltag ist das E-Auto perfekt. Wir haben auch immer Zeit zum Normalladen, benötigen nie einen Schnelllade-Charger“, stellt Markus Schnur zufrieden fest.

Wenn doch mal längere Strecken gefahren werden, gibt es als zweites Auto noch ein Plug-In-Hybrid-Fahrzeug. Das hat in zwei Jahren gerade einmal 18.000 Kilometer zurückgelegt, „davon aber 70 Prozent rein elektrisch“, freut sich der Landwirt. Da die Autos so erfolgreich waren, wurde ebenfalls 2018 ein passender E-Lader für die alltäglichen Arbeiten am Hof wie Silo aufbereiten und Stall misten angeschafft „mit den gleichen Argumenten: kurze Wege, längere Zeit in Nichtbenutzung, perfekt zum wieder Aufladen.“ Vom elektrischen Rasenmäherroboter, den zwei E-Bikes und dem E-Roller, die sich inzwischen allesamt am Hof finden, ganz zu schweigen.Engagement auf längere Sicht. Das Gesamtresümee ist trotzdem ernüchternd. Zwar konnten durch die Anschaffung des Laders pro Jahr circa 1.000 Liter Diesel gespart werden und auch der Hof war beim schönen Wetter in diesem Jahr von April bis September immer zu über 94 Prozent energieautark, doch die Umstellung hatte durchaus ihren Preis. „Es würde sich beispielsweise nie rechnen, auf 100 Prozent Autarkie kommen zu wollen. Insgesamt rechnet sich die gesamte Umstellung bei günstiger Rechenweise und unter Einbeziehung aller Förderungen (die bei den Speichern immerhin 40 Prozent des Anschaffungswertes waren) gerade einmal nach etwa zehn bis zwölf Jahren. Aber nur, wenn es keine größeren Wartungsarbeiten gibt“, so die ernüchternde Analyse des Visionärs.

„Für uns und unseren Hof passt die Umstellung auf eigenerzeugte Stromenergie allerdings perfekt: Wir sind nicht zu groß, haben zudem überall kurze Wege und viele Ladezeiten für die Fahrzeuge zwischendurch. Doch da es zum Beispiel nach wie vor keine größeren Lader gibt und man beim elektrischen Fahren mit der Einschränkung leben muss, dass die Dauerleistung fehlt, ist unser System nicht einfach auf einen anderen Hof übertragbar.“

Warum tut man sich so eine Umstellung überhaupt an? Immerhin liegen viele Förderanträge und viel Bürokratie hinter dem System „und viele schlaflose Nächte des Durchrechnens und Kalkulierens“, wie die Verlobte von Markus Schnur bestätigt. „Naja, die Umwelt war mir immer schon ein Anliegen, vielleicht auch, weil wir am Hof ja viel in und mit ihr leben“, setzt er an, mit Blick auf seinen Jüngsten, den er auf dem Arm hat. „Ich wollte keinen Vorzeigebetrieb errichten, mir war es einfach ein Anliegen, einen Hof zu haben, der einen möglichst geringen CO2-Ausstoß hat.“


Markus Schnur
Landwirt Markus Schnur hat seinen Hof nahezu energieautark umgerüstet.

PV-Anlage
Herzstück ist die PV-Anlage auf den Dächern der Stallungen.

Der E-Lader braucht zwischendrin immer wieder halbe Tage, um frisch aufzuladen.

Für die Arbeiten am Hof ist er aber bestens geeignet.

Auf seinem Handy kann Markus Schnur die Eigenabdeckung an Strom abrufen.

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