Bericht

Rauchen, Klimawandel & Co. – Warum wir lieber verdrängen statt verändern

Wir müssen alle sterben. Wir wissen nicht, wann es passiert und auch nicht wo. Über das „wie“ tappen wir ebenso im Dunkeln. Mit dieser Realität geht die größte Angst des Menschen einher. Jeden Tag stehen wir aber auf, frühstücken, lesen die Zeitung, gehen zur Arbeit und schlafen abends wieder beruhigt ein. Dabei lassen wir uns von Tatsachen, die nachweislich unsere Lebenszeit verkürzen könnten, nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Wir greifen im Supermarkt zu Ungesundem, wir rauchen und bewegen uns zu wenig. Wir stressen durchs Leben und gönnen uns oft aus Bequemlichkeit oder Zeitmangel die eine oder andere ungesunde „Belohnung“. Australien steht quasi in Flammen. Doch es ist zu weit weg, um davon tatsächlich richtig betroffen zu sein. Der Klimawandel mit katastrophalem Ausgangsszenario steht täglich auf der medialen Agenda, und dennoch kaufen wir Plastikprodukte, das billige Fleisch, wir vergessen den Müll zu trennen und fahren kurze Strecken mit dem Auto. Warum tun wir das? Dieser Frage geht prima! nach.

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Die Zeiten, wo Rauchen sexy war und wir Werbeikonen wie dem Marlboro-Mann nachgeeifert haben, sind längst vorbei. Und dennoch sind viele Nichtraucher-Neujahrsvorsätze bereits jetzt wieder gebrochen.

Klar, es handelt sich um eine Sucht, aber in Anbetracht der tödlichen Gefahr sollte es doch einfach sein, auf Nikotin zu verzichten. Ist es aber nicht. Neben anderen Faktoren macht uns vor allem unsere Psyche einen Strich durch die Rechnung.

„Am 4. Februar ist wieder Welt–Krebstag“

Der Welt-Krebstag am 4. Februar soll die Vorbeugung, Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen ins öffentliche Bewusstsein rücken. Und im Bewusstsein liegt der Hund begraben. Unser Gehirn hält bedrohliche Vorstellungen wie das Risiko durch Rauchen von unserem Bewusstsein fern. Anstatt den Tatsachen ins Auge zu sehen, finden wir Ausreden, die uns helfen, diese Gefahr zu verdrängen.

Wir halten uns an Sätze wie: „Auch Nichtraucher können früh sterben“, oder „Meine Oma hat geraucht und ist steinalt geworden.“ Laut einer Studie gestehen sich nur 22 Prozent der Raucher ein, dass die Sucht gefährlich ist. Fakt ist aber, dass ein Drittel aller Krebserkrankungen ihren Ursprung im Rauchen haben und jeder zweite Raucher im Laufe seines Lebens mit einer Raucherkrankheit zu kämpfen hat. Dabei geht es fast nicht plakativer. Fakten sind bekannt, abschreckende Warnhinweise auf den Tabakwaren veranschaulichen die Risiken. „Unser Gehirn gewöhnt sich aber an die grässlichen Bilder. Wir leugnen einfach Tatsachen, wenn uns die Wirklichkeit zu unangenehm wird.

Die selektive Wahrnehmung zwingt uns, nur Dinge anzunehmen, die in unser Weltbild passen,“ erklärt Gottfrieda Kaiser, Psychotherapeutin in Oberwart. Anstatt das schädliche Verhalten, in dem Fall den Griff zur Zigarette, abzustellen, blenden wir die bedrohliche Information aus. Wir lassen uns zudem von Emotionen steuern und können daher oft nur kurzfristig denken und uns auch nur so verhalten. Eine mögliche Krebserkrankung liegt in zu weiter Ferne, als dass wir uns der Gefahr wirklich bewusst wären.

„Gartenzaundenken“

Die Entfernung, zeitlich oder örtlich, spielt eine große Rolle in der Verdrängung oder Verleugnung einer Gefahr. Lungenkrebs? Trifft nur andere und bis zur nächsten Gesundenuntersuchung ist noch Zeit. Klimawandel? Die Polkappen schmelzen in der Arktis, nicht in Oberwart oder Hartberg. Auch wenn wir wissen, dass es um Leben und Tod geht, ist die Apokalypse noch zu weit entfernt. Wir erahnen die Auswirkungen bereits, und dennoch handeln wir nicht danach.

Wir wollen einfach nicht wahrhaben, dass es auch UNS treffen wird. Und wieder die Rechtfertigung, die über die Tatsachen gestellt wird: „Ich kann den Klimawandel sowieso nicht aufhalten.“ „Wir glauben, dass wir als Einzelperson nichts ausrichten können. Also kümmern wir uns nur um Probleme, die wir direkt fühlen, die quasi in unserem nächsten Umfeld geschehen“, erklärt Gottfrieda Kaiser dieses „Gartenzaundenken“, wie sie es nennt.

Leugnen und Verdrängen

Wir sprechen hier auch von einer Selbstschutzstrategie, um Ängste, Hilflosigkeit oder auch Schuldgefühle zu kompensieren, bestätigt die Psychotherapeutin. Wir kennen diese Art der Verleugnung bereits aus der Vergangenheit. Sowohl der Holocaust als auch der Einsatz der Atombomben wurde und wird noch immer von einer beträchtlichen Anzahl von Menschen geleugnet. Und heute ist es eben der Klimawandel, der uns Angst machen sollte und den es zu verdrängen gilt.

Solche Verdrängungsmechanismen sind durchaus auch notwendig und wichtig, um seelisch überleben zu können. „Alles in allem ist es gut, dass unser Unterbewusstsein überflüssigen Ballast abwirft. So manch ein Konflikt oder eine schmerzliche Erfahrung eitert aber irgendwann an die Oberfläche, und das macht uns dann erst recht krank“, weiß die Psychotherapeutin. „Also muss man an manchen Ängsten arbeiten.“ Dafür ist man übrigens nie zu alt. „Studien belegen, dass das Gehirn bis ins hohe Alter flexibel bleibt.

Man kann sich also immer für ein gesünderes und nachhaltigeres Lebens entscheiden. Die Motivation ist dabei ausschlaggebend. Die größten Motivatoren dafür sind hoher Leidensdruck oder Liebe. Mit der Liebe zu sich selbst tun wir uns oft schwer, aber aus Liebe zu unseren Kindern und Enkelkindern zum Beispiel lässt sich so einiges verändern.“ Und wenn die eigene Apokalypse näherkommt, wird so manch militanter Zweifler auch zu BIO-Produkten greifen, das Auto stehen lassen, die letzte Zigarette geraucht haben und angsteinflößende Gedanken zulassen müssen, seien sie auch noch so unangenehm.


Gottfrieda Kaiser
Psychotherapeutin

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