Interview

Jede einzelne Zigarette schädigt das Herz

Jeder fünfte durch koronare Herzkrankheit bedingte Todesfall wird laut WHO durch Tabakkonsum verursacht. Das Reha-Zentrum Bad Tatzmannsdorf der PVA ist spezialisiert auf kardiologische Rehabilitation und in diesem Zusammenhang auch auf Raucherentwöhnung. prima! hat mit der Ärztlichen Leiterin und Kardiologin Dr.in Jeanette Strametz-Juranek und der Psychologin Tamara Reicher über die Auswirkungen des Rauchens und Wege zur Entwöhnung gesprochen. Fakt ist: Es gibt keine allgemein gültige Methode. Das Erfolgsrezept liegt in jedem und jeder von uns selbst. In der eigenen bewussten Entscheidung.

Foto: Shutterstock / Lisa S

Wann redet man von einem Herz-Kreislaufproblem?

Dr.in Strametz-Juranek: Das sind Erkrankungen am Herzen und an den Gefäßen. Allen voran die Arteriosklerose. Dabei kommt es zu Ablagerungen bzw. Plaque in den arteriellen Gefäßen, die letztendlich zur Gefäßverengung führen und schlimmstenfalls zu einem Herzinfarkt. Das wiederum ist in engem Zusammenhang zum Rauchen zu sehen, weil das Rauchen einer der stärksten Risiko-Faktoren für Gefäßerkrankungen ist.

Bringt es etwas, wenn man den Zigarettenkonsum reduziert oder muss man gleich ganz aufhören?

Strametz-Juranek: Als Kardiologin strebe ich bei meinen Patient*innen den kompletten Rauchstopp in meinen Beratungen an. Ein Herzinfarkt ist chronisch, den kann man nicht wieder reparieren und ein Stent (Gefäßstütze nach einem Herzinfarkt, Anm.d. Red.) behebt nicht die Grunderkrankung. Der absolute Rauchstopp ist daher das Ziel. Als Zwischenetappe ist eine Reduzierung eine Option, die auch von der psychologischen Begleitung unterstützt wird. Aber letztlich muss das Ziel ein Verzicht auf den Tabakkonsum sein, denn jede Zigarette führt zu einer Schädigung. Da gibt es gar keine Diskussion.

Wie sehen Sie als Psychologin die schrittweise Entwöhnung. Funktioniert das?

Tamara Reicher, BSc MSc: Wie bereits gesagt, ist auch von psychologischer Seite aus die Nikotinkarenz das Ziel. Der Weg in die Rauchfreiheit wird mit dem Patienten bzw. der Patientin gemeinsam gewählt.
Es gibt die Schlusspunkt-Methode. Dabei wird ein bestimmter Tag gewählt, an dem die Person mit dem Rauchen aufhören will und bewusst an dem festgelegten Datum den Tabakkonsum beendet. Manche schaffen es mit der Reduktionsmethode, wo man eben in Etappen und vereinbarten Zielen die Nikotinkarenz erreicht. Und andere wiederum hören sofort mit dem Rauchen auf – dies ist beispielsweise bei Patient*innen nach einem kardialen Ereignis zu beobachten. Das heißt, bei der Rauchentwöhnung kann man nur individuell vorgehen. Wir schauen hier im Einzelsetting, wofür die Person die Zigarette braucht. In welchen Situationen greift er bzw. sie zur Zigarette. Hier setzen wir gezielt an, um Alternativen aufbauen zu können.

Was sind solche Situationen?

Reicher: Das ist tatsächlich geschlechterspezifisch. Frauen rauchen eher in Stressituationen, in Belastungssituationen, also in Situationen, die eher mit negativen Gefühlen einhergehen. Sie rauchen, um sich zu entspannen. Männer greifen eher zur Zigarette, wenn sie in positiver Stimmungslage sind. Es gibt keinen Erfolgsweg, der für alle gilt. Der Weg ist individuell und eine bewusste Entscheidung. Es geht um die intrinsische Motivation (jene Motivation, die eine Person in sich selbst trägt und die nicht durch externe Parameter beeinflusst werden kann, Anm. d. Red.).

Strametz-Juranek: Jede einzelne Zigarette hat Auswirkungen auf das Gefäßsystem, die Atmung, die Lunge, das zentrale Nervensystem, die Verdauung etc. Es ist ein vermeidbarer Risikofaktor. Letztlich entscheidet jeder und jede selbst, ob er bzw. sie mit dem Rauchen aufhört. Es ist eine bewusste Entscheidung. Die Frage ist immer: Was bin ich bereit von mir herzugeben? Das kann nicht von außen vorgegeben werden.

Wie lange muss man rauchfrei sein, damit der Körper entgiftet ist.

Reicher: Man unterscheidet zwischen körperlicher und psychischer Abhängigkeit. Körperlich können sich in den ersten Stunden und Tagen Entzugssymptome zeigen – wie Schlafstörungen, Reizbarkeit, ein veränderter Blutdruck oder Verdauungsstörungen. Diese klingen nach etwa einer bis eineinhalb Wochen wieder ab. Man geht davon aus, dass der körperliche Entzug bis zu fünf Wochen andauert, dann aber abgeschlossen sein sollte. Was länger dauert, ist die psychische Abhängigkeit. Dabei geht es um den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und einer spezifischen Situation wie zum Beispiel Kaffee trinken und eine Zigarette rauchen. Oder man ärgert sich und greift zur Zigarette.

Was empfehlen Sie dann?

Reicher: Statt Kaffee kann man zum Beispiel Tee trinken, denn dieser wird interessanterweise nicht mit der Zigarette in Verbindung gebracht. Wenn man in einer emotionalen Situation raucht, muss man schauen, was da dahinter steckt. Meistens will man eine Entspannung erreichen. Wir versuchen Möglichkeiten aufzubauen, wie man in einer solchen konkreten Situation zur Entspannung kommt – zum Beispiel durch Atemübungen. Es geht um den Aufbau von gesunden Alternativen. Der Prozess ist unterschiedlich und dauert Monate. Immer wieder kann ein Rauchverlangen kommen – auch nach zehn Jahren. Dann ist es wichtig, dass man Mechanismen gelernt hat, die helfen.
Die positive Botschaft lautet: Man kann die Technik erlernen. Man ist dem Verlangen nicht ausgeliefert. Die intrinsische Motivation ist entscheidend, um Reizen nicht nachzugeben. Man muss es von sich aus wollen.

Macht es einen Unterschied, wann man mit dem Rauchen beginnt?

Strametz Juranek: An der Medizinischen Universität Wien wurde eine Studie an jungen Männern und Frauen zwischen 18 und 25 Jahren durchgeführt. Dabei wurde beobachtet, was sich hinsichtlich einer Arteriosklerose bei fünf, zehn und 20 Zigaretten verändert. Man hat herausgefunden, dass es in dieser jungen Altersgruppe auch bei fünf Zigaretten bereits zu Veränderungen an der Carotis (Hauptschlagader, Anm. d. Red.) kommt. Schon die erste Zigarette hat negative Auswirkungen.

Reicher: Das Einstiegsalter ist oft in der Pubertät. Das ist eine Zeit, in der das Hirn formbar und sensibel ist. Je früher man mit dem Rauchen beginnt, umso mehr Rezeptoren bilden sich aus, die das Rauchverlangen verursachen. Das bedeutet: Je früher man mit dem Rauchen beginnt, umso intensiver kann das Rauchverlangen sein. Oder anders ausgedrückt: Je früher man das Suchtgedächtnis erweckt, umso schwieriger ist es, aus der Sucht rauszukommen.

Es gibt den Mythos, den man immer wieder von rauchenden schwangeren Frauen hört, dass man nicht abrupt mit dem Rauchen aufhören soll, weil das sonst das Kind schädigt. Was sagen Sie so jemandem?

Strametz-Juranek: Ich kenne diese Behauptung und es ist mir unerklärlich, wie es dazu kommen kann. Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft geraucht haben, haben ein niedrigeres Geburtsgewicht und eine niedrigere Sauerstoffsättigung, sie haben veränderte Blutwerte, ein erhöhtes Risiko für Lungenunreife und Lungenerkrankungen, ein schwaches Immunsystem und kommen mit einem Suchtgehirn auf die Welt. Das nennt man fetales Programmieren. Die Mutter gibt ihrem Kind das Suchtverhalten mit. Also die klare Botschaft lautet: Aufhören mit dem Rauchen! Jede Zigarette schädigt das Kind.

Sind Alternativen wie die E-Zigarette oder Shisha gesünder?

Strametz-Juranek: Nein, es gibt keine gesunde Art des Rauchens. Es kommt hier zwar nicht zu einer Verbrennung, sondern zu einer Verdampfung. Aber das Nikotin wird dadurch noch schneller in das Zentralnervensystem geleitet. Es ändert sich dadurch nichts an der körperlichen und psychischen Abhängigkeit. Fakt ist, dass wir nur ein Herz haben. Es ist das zentrale Organ. Darauf müssen wir aufpassen.


Professionelle Hilfe bei der Rauchentwöhnung im Reha-Zentrum Bad Tatzmannsdorf der PVA:
Klinische Psychologin Tamara Reicher, BSc MSc und Ärztliche Leiterin und Kardiologin Prim.a Univ.-Prof.in Dr.in Jeanette Strametz-Juranek

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