Porträt

Avicii’s letzter Abschiedsgruß

Es war ein trauriger Tag für die Musikwelt, als am 20. April 2018 bekannt wurde, dass sich DJ Avicii, mit bürgerlichem Namen Tim Bergling, das Leben genommen hatte. Nun, knapp ein Jahr später, liefert sein posthumes Album „TIM“ zwölf neue Tracks, die zwar tanzbar sind wie eh und je, aber trotzdem die Frage hinterlassen – haben wir sein SOS überhört?

Foto: Sean Eriksson

Monatlich schreibt Laura Weingrill in prima! die Kolumne Soundnerd. Diesmal über Avicii. (Foto © Sean Eriksson)

 

Hier die Musik, die eine pure Lebensfreude suggeriert, dort der Musiker, der selbst alles andere als lebensfroh war. Aber nicht nur deshalb ist die Veröffentlichung von „TIM“ unvermeidlich bittersüß. Auf der einen Seite dürfen sich Avicii’s Fans auf der ganzen Welt nun über zwölf neue Hits freuen, doch auf der anderen Seite erfüllt die Tatsache, dass gerade der Künstler, der hinter genau diesen Songs steckt, sie selbst nicht feiern kann, die Musik mit einer tiefen Melancholie. Vielleicht klingen die Akkorde und Melodien deshalb sehnsüchtiger, tiefgründiger.

Und blickt man erst einmal hinter die tanzbaren Beats und fröhlichen Rhythmen, erscheinen einem Lyrics wie „Can you hear me? SOS. Help me put my mind to rest.“ und „And I think I just died. I think I just died” schnell traurig und bedeutungsschwer.

Es ist genau dieser klare Widerspruch zwischen der puren Euphorie in der Musik und der erdrückenden Dunkelheit im lyrischen Inhalt, der „TIM“ zu einem so besonderen und auch wichtigen Album macht. So war Avicii selbst gern einer jener Songwriter, die Schwere mit Leichtigkeit mischen. Ein Konzept, das sich wie ein roter Faden durch all seine musikalischen Werke zieht – so auch durch seine neuesten Stücke. Als der schwedische DJ, der im Jahr 2011 mit seinem Megahit „Levels“ Weltberühmtheit erlangte und so in kürzester Zeit zum Gesicht von EDM (Electronic Dance Music) wurde, im April letzten Jahres verstarb, war der Großteil von „TIM“ bereits abgeschlossen.

Denn auch wenn sich der Musiker 2016 nach einer Reihe von Krankenhausaufenthalten und aufgrund seiner Depressionen und Angstzustände vom Rampenlicht zurückzog, wollte er der Musik selbst nicht den Rücken kehren.

Letztlich gibt „TIM“ leider keine Antworten darauf, was nun mit Avicii passiert sein könnte. Dagegen findet man in dem Album etwas anderes – ein musikalisches Erbe, das nicht nur den Soundtrack der heutigen, sondern auch den der zukünftigen Generationen prägen wird.

Mehr von Musikjournalistin Laura Weingrill in ihrem Blog:
www.thatlemonlife.blog


Laura Weingrill
Für Laura Weingrill ist das Leben ein Soundtrack. Monatlich schreibt sie in prima! die Kolumne Soundnerd.

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