Reportage

Bauen-Wohnen – Wartezeiten werden länger

Das Bau- und das Baunebengewerbe waren in den letzten Monaten in einer Ausnahmesituation und sind es noch. Die Auftragslage ist gut, doch die Abwicklungen hapern an nicht lieferbaren Rohstoffen. Zu längeren Wartezeiten kommen auch Preiserhöhungen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer versuchen abzufedern, was geht.

Foto: Nico Mühl

Michael Wiesenhofer ist Inhaber der Firma MW-Metall in der Oststeiermark. Die Corona-Pandemie hat sich massiv auf die Stahlbranche ausgewirkt. Seine Rohstoffe bezieht er aus Drittländern.

 

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in der Stahlbranche als Erstes bemerkbar gewesen, sagt Michael Wiesenhofer, Inhaber der Firma MW-Metall in Rohr bei Hartberg. Seit dem Vorjahr ist er im Dauereinsatz zwischen Preisverhandlungen mit Lieferanten und Auftragsabwicklungen bei den Kundinnen und Kunden. Man sei tatsächlich an die theoretische Grenze der Stahlerzeugung gekommen. „Der Rohstoff Stahl kommt aus Indien, China, Russland und teilweise auch aus der Türkei. Hier sind die Rohstoffe vorhanden und hier sind auch die Stahlwerke ansässig. Europa kann den Eigenbedarf nicht produzieren. Deshalb sind wir global abhängig“, erklärt der Unternehmer, der 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Mit Corona kam dann die Beschaffungskrise. Die Großhändler haben Lieferengpässe gemeldet, denn Häfen in China oder Indien wurden im Zuge der Pandemie gesperrt. „Der Eigenbedarf dieser Länder an Stahl ist zu gering und ins Ausland konnten sie nicht liefern, weil es coronabedingte Einfuhrbeschränkungen gab. Also wurden die Werke zum Teil sogar abgeschaltet“, erklärt Michael Wiesenhofer. Seines Erachtens sei die Wiederaufnahme der Produktion dann zu spät passiert. Die Folgen bei uns: Lieferschwierigkeiten beim Material und damit einhergehend massive Preissteigerungen. Erhöhungen bis zu 60 Prozent haben die Branche ordentlich durchgerüttelt. Aber nicht nur die Stahlindustrie.

Ausnahmesituation quer durch alle Branchen

Von Preissteigerungen weiß auch Thomas Zapfel, Inhaber der Tischlerei Zapfel in Riedlingsdorf und des Wohn- und Küchenstudios in Pinkafeld, zu berichten. Allerdings ist sein Rohstoff Holz nicht vom globalen Markt abhängig. Seine Möbel werden großteils aus heimischen Hölzern hergestellt. Mit Drittländern hat er weniger zu tun. Dennoch berichtet auch er von Lieferschwierigkeiten: „Das Problem besteht darin, dass besonders Holzwerkstoffe wie Brettschichtplatten in die USA oder nach China gehen. Hier wird oftmals der dreifache Preis bezahlt – die Industrie liefert deshalb lieber dorthin.“ Auch hier sind Lieferschwierigkeiten des Materials nur die eine Seite des Dilemmas. Die enorme Nachfrage aus dem Ausland hat in der Holzindustrie auch bei uns den Preis ordentlich nach oben getrieben. „Wobei man festhalten muss, dass der Holzpreis in den letzten sieben bis acht Jahren immer gleichbleibend war. Jetzt ist diese Anpassung passiert.“ Und die ist nicht unempfindlich. Die Rede ist von 20 bis 25 Prozent.
Die Teuerungen betreffen alle Materialien, die in seinem Wohn- und Küchenstudio zum Einsatz kommen. „Bei Glas waren es im August acht Prozent und im September nochmals acht Prozent, die wir hinnehmen mussten“, klärt Zapfel weiter auf. Bei den Lacken schwanke der Anstieg immer noch zwischen 15 bis 65 Prozent.

Auftragsboom trotz Preisanstieg?

Die Preiserhöhungen lassen vermuten, dass die Kundinnen und Kunden weniger investieren. „Weit gefehlt“, stellen beide Unternehmer richtig. Die Auftragslage sei so gut wie nie zuvor. Die Planungssicherheit jedoch kaum gegeben. „Wir wissen einfach nicht, wann wir Material bekommen, um die Aufträge fertigzustellen. Liefertermine können wir den Kundinnen und Kunden nicht fix versprechen“, erklärt Thomas Zapfel die Ist-Situation. Allein bei Elektrogeräten für die Küchen beträgt die Lieferzeit bis zu drei bis vier Monate. „Da sind wir enorm vom ausländischen Markt wie etwa China abhängig.“

Unternehmerisches Risiko

Die Preiserhöhung haben die Unternehmer bislang versucht abzufedern. „Bei bestehenden Aufträgen haben wir den Preis gehalten. Den kann man nicht 1:1 an den Kunden weitergeben“, sind sich auch hier Michael Wiesenhofer und Thomas Zapfel einig.
Zukünftig müssen aber Teuerungen von bis zu fünf Prozent miteinkalkuliert werden. Doch auch dies ist nur eine vage Angabe, auf die man sich nicht festlegen möchte. Fixpreisgarantie können sich Kundinnen und Kunden in nächster Zeit aber sicherlich abschminken. „Wir wissen einfach nicht, welchen Preis uns die Industrie in einem Monat vorgibt“, beschreibt Wiesenhofer die Herausforderung.

Aussichten

Michael Wiesenhofer hofft, dass sich die Stahlindustrie mit der Öffnung der Häfen wieder normalisiert. Dass die Rohstoffzuschläge wieder wegfallen, glauben aber beide Unternehmer nicht. „Unser Tischlerbetrieb besteht seit 60 Jahren. Ich habe noch nie erlebt, dass etwas wieder billiger geworden ist“, zeigt sich Thomas Zapfel skeptisch. Auch die zukünftige Auftragslage können beide Unternehmer nicht abschätzen.

Gezeigt habe die Sitution für sie, dass man baubranchenübergreifend viel zu sehr vom globalen Markt abhängig ist. Die Industrie müsse mehr in Europa produzieren, denn dann wären die Lieferketten stabiler. Eines wird für die Kundinnen und Kunden von Handwerksbetrieben in Zukunft mit Sicherheit gelten: Auf Möbel, die individuell gefertigt werden, wird man länger warten müssen, als wir es bisher gewohnt waren.

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Thomas Zapfel
Thomas Zapfel ist Inhaber der Tischlerei Zapfel in Riedlingsdorf und des Wohn- und Küchenstudios in Pinkafeld. Er ist weniger vom globalen Markt abhängig. Materialengpässe entstehen in seiner Branche, da die Industrie eher in die USA und nach China liefert

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