Reportage

Chanukka – Ein Abend bei den Adlers

Für unsere Rubrik der Homestorys besuche ich diesmal eine jüdische Familie in Oberwart. Jetzt, im Advent, ist die besinnlichste Zeit des Jahres. Die Hauptstraße ist mit Lichtersternen geschmückt, Schaufenster glänzen in bereits gewohntem rot-grün-glitzernden Girlandenwahnsinn, und die Frage drängt sich auf, wie Familie Adler Weihnachten feiert. Eine Homestory, die zum Innehalten anregt.

Foto: Shutterstock

Es ist Dezember, mitten in Oberwart. An der Hauptstraße eine unscheinbare Tür. Das Stiegenhaus, gesäumt mit einem in die Jahre gekommenen, eisernen Geländer. Es riecht süßlich, irgendwie frittiert. Nicht unangenehm, der Geruch erinnert an Krapfen. Eine Innentür geht auf, und Familie Adler begrüßt mich, allen voran Noah, der Jüngste.

Niemand trägt Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung männlicher Juden. Auch sonst würde anhand des Inventars auf den ersten Blick niemand vermuten, dass hier jüdische Mitbürger wohnen. Nur bei genauerem Hinsehen erkennt man die kleinen, aber feinen Unterschiede. In einem IKEA-Klassiker von Bücherregal finden sich Romane und Kinderwerke neben Büchern mit hebräischem Titel, auch wenn hier niemand mehr Hebräisch spricht. „Erbstücke“, wird erklärt, und es wird klar, dass die Vorfahren der Familie hier schon lange wohnten.

Kein Adventkranz ist zu entdecken, am Fensterbrett steht dafür ein Chanukka-Leuchter mit neun langen, dünnen Kerzen. Alle gleich groß, außer die in der Mitte. Noah sieht meinen Blick. „Mit Hilfe der neunten ‚Dienerkerze‘ in der Mitte, der ‚Schamasch‘, wird jeden Tag eine neue Kerze angezündet, acht Tage lang, bis alle Kerzen brennen.

Dazu singt die Familie das ‚Maos-zur-Jeschuati‘-Lied und isst ‚Sufganiyah‘“, erklärt er. Jetzt wird klar, wonach es hier riecht – Sufganiyah sind eine Art Krapfen, die mit Marmelade oder Vanillecreme gefüllt sind und mit Puderzucker bestreut werden. Diese Süßspeise wird traditionell zu Chanukka aufgewartet, wie auch „Latkes“, Kartoffelpuffer. Menschen jüdischen Glaubens essen auch hier in Oberwart zu Chanukka gerne frittierte Speisen im Gedenken an das Tempelölwunder.

Lichterfeste

Chanukka hat nichts mit Weihnachten zu tun. Die Juden kennen keinen Jesus, daher wird auch seine Geburt nicht gefeiert. In der Adventzeit wird aber das jüdische Fest begangen, das auf die Wiedereinweihung eines Tempels in Jerusalem zurückgeht. Heuer findet Chanukka von 23.-30.Dezember statt.

Das Datum des Festes variiert jährlich, weil der jüdische Kalender vom Mond abhängt. Auch wenn Chanukka rein gar nichts mit „unserem“ Weihnachten zu tun hat, zufällige Gemeinsamkeiten lassen sich finden. Licht in Form von Kerzen spielt eine große Rolle, Geschenke und Süßes verkürzen den kalten Monat. Während der Chanukka-Tage, wenn die Kerzen abends entzündet werden, bekommen die jüdischen Kinder Münzen (Zedaka). Auch Familie Adler behält diesen Brauch bei.

„Traditionen und unsere Religion sind uns wichtig. Aber wenn mir jemand Frohe Weihnachten wünscht, grüße ich höflich zurück. Immerhin genieße auch ich die besinnliche Adventzeit in Oberwart,“ so der Familienvater. Warum auch nicht, immer schon war Oberwart ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und Religionen und lange auch für das liberale religiöse Miteinander von Konfessionen bekannt.

So hat Großvater Adler 1904 gemeinsam mit Männern anderer Religionen Hand in Hand beim Bau der Synagoge in der Ambrosigasse geholfen. „Er ist mit unserer Großmutter Ende des 19. Jahrhunderts von Schlaining hergezogen. Beide sind am jüdischen Friedhof begraben.“

Channuka

Es wird finster, und vor dem Anzünden der Kerzen am Fensterbrett spricht der Hausherr, der nun die Kippa trägt, einen Segensspruch, der übersetzt etwa so geht: „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der du uns geheiligt durch deine Gebote und uns befohlen, das Chanukkalicht anzuzünden.“ Ich blicke aus dem Fenster und sehe die belebte Oberwarter Innenstadt von oben. Die letzten Weihnachtseinkäufe werden offensichtlich getätigt.

Auf der Hauptstraße kommen zu den blinkenden Weihnachtsmännern an der gegenüberliegenden Fassade die roten Rücklichter der sich stauenden Autos dazu. „Schön“, denke ich, und frage, wo die Familie den Heiligen Abend verbringt. „Wie jedes Jahr sind wir bei Nachbarn eingeladen. Mit Baum und allem, was dazu gehört. Auch Geschenke bringen wir mit.“

Gar so streng sieht es Familie Adler also nicht. Es gibt eben gläubige Juden, weniger gläubige Juden, Juden, die die Synagoge besuchen und Juden, die Weihnachten schlichtweg der Kinder wegen mitfeiern.

Frau Adler holt den Gänsebraten aus dem Ofen. Die Kinder sitzen am Boden und spielen mit ihrem Kreisel. Die Familie lädt mich ein, mit ihnen die Synagoge zu besuchen. „Der Rabbi wird sich freuen“, sagt der Vater. Ich war noch nie in einer Synagoge und sage zu.

Innehalten

Bloß, dass es die Synagoge in Oberwart nicht mehr gibt. Es gibt hier gar kein jüdisches Leben mehr. Kein einziger Oberwarter Jude ist nach der Shoah, dem Holocaust, in Oberwart geblieben. Kein Adler, Löwi, Schlenger, Schein oder Kohn. Hätten die braunen Schatten der Vergangenheit Weihnachten richtig verstanden, wäre die Synagoge vielleicht noch im Gebäude der Musikschule angesiedelt, wo sie einst erbaut wurde.

Dann wäre Herr Adler vielleicht wirklich der liebende Familienvater, wie wir ihn in diesem Artikel kennen gelernt haben. Aber Herr Adler durfte nie existieren, weil jemand vor mehr als achtzig Jahren nicht innegehalten hat und zur Besinnung gekommen ist. Und heute? Gesegnet sei der, der den eigentlichen Sinn von Weihnachten erkennt. Lichterketten und Festessen inklusive.

Diese Geschichte ist angereichert mit den Kindheitserinnerungen von Dan Bessler und dem umfassenden Wissen von Willi Hodits.


Chanukka Erklärung:

Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im jüdischen Jahr 3597 (164 v. Chr.) nach dem erfolgreichen Makkabäeraufstand der Juden Judäas gegen hellenisierte Juden und makedonische Seleukiden, wie er im Ersten Buch der Makkabäer, bei Flavius Josephus und im Talmud überliefert ist. Die Makkabäer beendeten die Herrschaft des Seleukidenreiches über Judäa und führten den traditionellen jüdischen Tempeldienst wieder ein. Sie beseitigten den zuvor im jüdischen Tempel aufgestellten Zeus-Altar, den hellenisierte Juden, die JHWH mit Zeus gleichgesetzt und auf griechische Art verehrt hatten, errichtet hatten.

Die Menora, der siebenarmige Leuchter im Tempel, sollte niemals erlöschen. Nach der späteren Überlieferung war aufgrund der Kämpfe mit den Seleukiden nur noch ein Krug geweihtes Öl vorzufinden. Dieses Öl reichte für gerade mal einen Tag. Für die Herstellung neuen geweihten Öls werden acht Tage benötigt. Durch ein Wunder habe das Licht jedoch acht Tage gebrannt, bis neues geweihtes Öl hergestellt worden war. Daran erinnern die acht Lichter des 8- bzw. 9-armigen Leuchters Chanukkia. Jeden Tag wird ein Licht mehr angezündet, bis am Ende alle acht brennen.

Der Leuchter hat oft neun Arme oder Lichterhalter, das neunte Licht ist der Diener (hebräisch שׁמשׁ Schamasch). Nur mit diesem dürfen die anderen angezündet werden, nachdem die notwendigen Segen (hebräisch ברכה Brachot) gesprochen wurden. Als Lichter werden Kerzen oder Öllämpchen benutzt. Oft wird Olivenöl verwendet, wie bei der Menora im ehemaligen Tempel.

Nach der „Entweihung“ des Zweiten Tempels durch den Zeuskult wurde das Chanukkawunder zur Erinnerung an die Wiedereinweihung gefeiert (1 Makk4,36–59 EU; 2 Makk 10,5–8 EU (Septuaginta)) (eine Zeitangabe im Neuen Testament (Joh 10,22 EU) datiert nach dem Fest der Tempelweihe), bis im Jahre 3830 jüdischer Zeitrechnung (70 n. Chr.) der Tempel durch die Römer endgültig zerstört wurde. Chanukka wird in Familien und Gemeinden gefeiert.

(Quelle: Wikipedia)


Das Öl-Wunder in der Küche

Da das Öl beim Chanukka-Wunder eine so große Rolle spielte, ist es üblich, Speisen zu servieren, die in Öl zubereitet wurden. Zu den beliebten Chanukka-Gerichten zählen Latkes (Kartoffelpuffer) und Krapfen.

Hier das Rezept dazu:

Latkes-Rezept für Gourmets

Zutaten (für 4 bis 6 Personen):

12 große Kartoffeln, geraffelt
3 mittelgroße Zwiebeln, geraffelt
4 Eier, leicht geschlagen
5 Esslöffel Mehl, oder mehr, je nach Bedarf
Salz und Pfeffer zum Abschmecken
Öl für den Bratvorgang

Kartoffeln und Zwiebeln fein reiben und durch ein Sieb streichen (je mehr Flüssigkeit entnommen werden kann, desto besser werden die Latkes). Alternativ kann auch mit einem sauberen Tuch so viel Flüssigkeit wie möglich aus den Kartoffeln gepresst werden. Auf gleiche Weise entnimmt man den Zwiebeln die Flüssigkeit.

Alle Zutaten, das Öl ausgenommen, werden dann von Hand gut vermischt. Großzügig mit Salz und Pfeffer würzen. In einer schweren Bratpfanne wird viel Öl erhitzt (mindestens 2,5 Zentimeter). Von Hand einzelne Laibchen bilden, und sobald das Öl heiß genug ist, gibt man die Latkes in die Pfanne, achtet aber darauf, dass die einzelnen Stücke durch Zwischenräume getrennt bleiben. Sind die Latkes auf der einen Seite schön braun, werden sie gewendet und so lange gebraten, bis sie auf beiden Seiten gebräunt und am Rand knusprig sind.

Mit einem gelöcherten Löffel aus der Pfanne nehmen und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Sofort servieren oder in einem schwach geheizten Ofen warmhalten.


Daniel Bessler lebt und arbeitet in Wien. Obwohl er Jude ist, liebt auch er Weihnachten und beschreibt den Advent als „die gemütlichste und ruhigste Zeit des Jahres“.

Gefeiert wird die Geburt Christi von ihm allerdings nicht. Chanukka empfindet er als wichtiges und schönes Familienfest, mit dem er viel verbindet. Er lädt immer noch jedes Jahr Freunde zu sich in die Wohnung ein, um gemeinsam Krapfen zu essen.

Kippa trägt der moderne Jude nur zu Chanukka, in der Synagoge und zu anderen religiösen Feierlichkeiten. Einmal im Jahr fliegt Daniel übrigens nach Israel. Früher, um seine Großeltern zu besuchen, heute lebt seine Schwester dort. Wie im Artikel erwähnt, beschreibt er die jüdische Community als sehr bunt.

„Es gibt eine Gemeinde für alle Bedürfnisse. Unsere Wiener Community ist nach wie vor sehr liberal, natürlich gibt es aber auch assimilierte und auch religiöse Tendenzen, so wie in den meisten Religionen.“


Altes jüdisches Gebetsbuch – darauf liegt eine Kippa, die traditionelle männliche jüdische Kopfbedeckung.

Dreidel
Ein Dreidel (Trendl (jiddisch), draydel (englische Schreibweise), hebräisch סביבון sewiwon), auch Dreidl, ist ein Kreisel mit vier Seiten. Es handelt sich nicht, wie oft vermutet, um einen Gebetskreisel, sondern um ein traditionsreiches Spielzeug, das von europäisch-jüdischen Kindern während des achttägigen Lichterfestes Chanukka gedreht wird. Jede Seite des Dreidels zeigt einen anderen hebräischen Buchstaben: נ (Nun), ג (Gimel), ה (He), ש (Schin).

Anstelle des Buchstaben Schin findet man in Israel auch ein פ (Pe). Sie stehen für den Satz:
• נס גדול היה שם (Nes gadol haja scham, „Ein großes Wunder geschah dort.“) bzw.
• נס גדול היה פה (Nes gadol haja po, „Ein großes Wunder geschah hier.“)

Neunarmiger Chanukka-Leuchter. Mit der mittleren Kerze wird jeden Tag eine neue angezündet, bis alle brennen.

Gehören zum Chanukka-Fest: Sufganiyah (eine Art Krapfen), Latkes (Kartoffelpuffer), Öl, Kerzen, Geschenke und ein Kreisdreidel (Kreisel mit vier Seiten).

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