Reportage

Der Charme alter Häuser

Corona hat so manche verändert. Nein, ich schreibe nicht über das Übliche, doch auch das, worüber ich schreibe, kennt man, einen Teil zumindest.

Foto: zVg

Warum bin ich Burgenländerin geworden? Weil das Burgenland, speziell das südliche, wunderbar ist. Ja, das stimmt, aber warum gerade jetzt? Ich hatte wenig Geld auf der hohen Kante, niemand, und zwar wirklich niemand konnte mir dreinreden, was mit meinem wenigen Baren zu machen ist. Aber die Medien hatten flüsternd eine schleichende Inflation prognostiziert. Mein Großvater hat schon seine Villa am Stadtrand Wiens durch die Inflation 1923, also fast ein 100-jähriges Jubiläum, verloren. Ich kannte weder Villa noch Großvater, aber so etwas darf mir nicht einmal mit meinem Wenigen passieren, also habe ich mich auf die Suche gemacht. Alt sollte das Haus sein, etwas mit Geschichte und Charme und auch für mich leistbar.

Ich habe mich bei meinem Cousin und seiner Frau einquartiert, die sind auch begeisterte Neusüdburgenländer und habe ein Häuschen gesucht. Ich bin noch im letzten Moment vor der großen Teuerung fündig geworden. Ein 50er-Jahre Haus, weniger charmant, aber bewohnbar und ein circa 100 Jahre älteres, charmant, aber heruntergekommen. Einen großen Stadel musste ich gleich wegreißen lassen, er war einsturzgefährdet, hat schon angefangen das Dach vom anliegenden Stall mitzunehmen. Freunde haben geraten, „schau dir nicht „Hinterholz 8“, den Alptraum der Hausrenovierer an, es wird dich nervös machen“. Nachbarn hingegen, „schieb die alte Hütte weg“. Ich bin eigenwillig. Ich habe das Dach mit Freunden mit neuem Dachstuhl und alten Dachziegeln, ein wertvolles Überbleibsel der Haussanierung und Geschenk meines Cousins und seiner Frau, erneuert. Mitten während meiner nervzerreißenden Plagerei, es hat im Frühjahr immer wieder geschüttet und wenn das Dach abgedeckt ist, zerrt das an den Nerven. Also mitten in der Plagerei hat ein wirklich wohlmeinender Nachbar gemeint, dass es in Stinatz noch einen Verrückteren als mich gibt, „der hat ein altes, großes Haus gekauft, schlimmer beieinander als deines, das will er auch nicht wegschieben, er will es herrichten. Das wird nie so wie neu.“

Den Verrückten musste ich kennen lernen. Ein netter Kerl, ein wunderbares Haus, derzeit im vollen Renovierungsmodus. Arkaden im ganzen Innenhof. Mein kleines Häuschen ist ein erbärmlicher Klacks gegen diesen schönen Hof, er soll einmal das größte Anwesen im Ort gewesen sein. Aber die Probleme sind dieselben, nur halt größer. Das würde ich nicht verkraften. Das Dach muss repariert werden und auch er, der nette Kerl, hat keine Gelddruckmaschine, auch er muss sich nach der Decke strecken, oder vielmehr zum Dachstuhl aufblicken, den er mit seinem Cousin sichert und mit neuen Dachziegeln belegt. Den Kampf um den Elektriker muss er erst später ausfechten. Ich habe jetzt nach einem Jahr meinen Elektriker, endlich den richtigen gefunden, den, der auch ein wenig Zeit für mich aufbringen kann. Alle Handwerker sind hoffnungslos ausgebucht. Kein Wunder, ein Verwandter von mir möchte zum Beispiel auch Neusüdburgenländer werden. In den Immobilienbüros erzählen sie mir, dass sie kaum dazukommen, die neu angebotenen Häuser anzuschauen, so schnell werden sie ihnen aus der Hand gerissen. Vor allem die alten, die, die man auch wegschieben könnte. Aber viele der Neusüdburgenländer sind eben ein bisschen verrückt, lieben Häuser mit Arkaden oder zumindest schönen Innenhöfen. Manche versuchten, Renovierungsarbeiten machen zu lassen, andere schwingen selbst Hammer und Spachtel. Ich gehöre zu den Selbstschwingerinnen. Die Machenlasser haben mehr Bares im Börsl.

Ich habe schon von einer jungen, gebürtigen Südburgenländerin gehört, die auch das Renovierungsfieber gepackt hat. Sie hat von einem Verwandten ein Bauernhaus in Wörterberg übernommen und den wunderbaren Erdkeller und das darüber liegende Dach renoviert. Was sie mit dem Rest, nämlich zweieinhalb Zimmer machen soll, überlegt sie sich noch.

Sie scheint allerdings ein seltenes Exemplar der Südburgenländerinnen zu sein. Ein befreundeter Architekt erzählt, dass vor allem die Tiroler, Vorarlberger und Wiener alte Häuser kaufen, sie herrichten und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil das viel teurer ist, als neu zu bauen. Da sind die Einheimischen viel realitätsbezogener. Leider stehen viele alte Häuser leer und verfallen langsam vor sich hin. Die Besitzer wollen sie nicht verkaufen, meist weil sie hoffen, dass sie noch zu einem unbestimmten Zeitpunkt von einer nicht immer bestimmten Person gebraucht werden könnten. Na ja, schade um die alten Häuser.

Es gibt auch mancherorts anständiges Konfliktpotenzial. Zum Beispiel bei den entzückenden Kellerstöckeln. Die neuen Besitzer, oft in Pension oder in der anstrengenden Arbeitswelt, möchten in ihren liebevoll renovierten Häuschen am Wochenende lange schlafen, das haben sie immer so gemacht, am Wochenende. Die Weinbauern, meist Nebenerwerbsweinbauern, wollen am Wochenende möglichst zeitig in der Früh ihren Weingarten bestellen, meist mit lauten Maschinen, auch die haben das immer schon so gemacht.

Irgendwie habe ich das innere Bild, dass das Südburgenland und die angrenzende Steiermark im alten, neuen Licht da und dort erblühen wird. Ich muss schon sagen, hier gibt es auch eine besonders schöne, fast verzaubernde Bauweise.


Sigrid Beck hat einen „noch Verrückteren“ kennengelernt, der einen wunderbaren Arkadenhof renoviert.

Sigrid Beck mitten in den Renovierungsarbeiten. Die Wienerin hat sich ein Haus in Stinatz gekauft. „Wegschieben“ sagten viele ihrer Freunde. „Kommt nicht in Frage“, sagte sie und investiert seither jede freie Minute in ihr Haus.

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