Reportage

Hinterm Spiegelspiel sich selbst erkennen

Franz Prenner ist jemand, der schon viel erlebt, gesehen, ausprobiert hat. Fast könnte man meinen, er sei ein ewig Suchender. Der sich öfter neu erfunden hat. Doch wenn man ihm begegnet, besticht er durch die Ruhe, Gelassenheit und Selbstsicherheit, die er ausstrahlt. Mit prima! hat er einen Streifzug durch sein „Reich“, den Michaelihof in Pinggau, gemacht.

Foto: Mirella Rusch

Respekt empfindet Franz Prenner seinen Pferden gegenüber.

 

Zuallererst muss angemerkt werden, Franz Prenner selbst würde nie von seinem Reich oder dergleichen reden. „Meine Idee von Gesellschaft sieht keine Dominanz vor sondern Sicherheit“, erläutert er ruhig und schaut einen dabei direkt an. Jemand, der sich seiner Sache sicher ist, soll diese ausführen. Andere können sich ihm anschließen. In anderen Bereichen ist wiederum jemand anderes sicher, in dem was er tut. Wie funktioniert das im alltäglichen Leben? „Zum Beispiel das Kochen“, fängt Franz Prenner an, und zeigt die große Küche, die als „Open Kitchen“ fungiert. „Auf dem Hof sind wir etwa zehn Leute. Aber das heißt nicht, dass immer die Frauen kochen. Wenn jemand anfängt, helfen die anderen mit. Der eine macht das, der andere jenes und nachher putzen wir zusammen.“

Pferde als Spiegel

Diese Idee des Leitens aus Erfahrung und Kompetenz heraus hat er übrigens aus seiner Arbeit mit Pferden abgeleitet. 13 Araberpferde zählen zum Hof, teilweise selbst gezogen. Pferde sind Flucht- und Herdentiere. Wenn der Herdenchef durch sein Verhalten vorgibt, „hier ist nichts, keine Gefahr, hier kann man einfach weitergehen“, dann folgen sie diesem. „Wenn ich mich aber furchtbar aufrege, vielleicht noch herumschreie, am Halfter zerre, dann gibt das Probleme“, erörtert Franz Prenner weiter. Pferde an sich sind sehr menschenbezogen und können so durch ihr Verhalten widerspiegeln, wie man ihnen begegnet. Aus dieser Erkenntnis heraus hat Franz mit seinen Töchtern, die mit am Hof leben und auch mit ihm die Pferde versorgen, das „Spiegelspiel“ entwickelt. Das ist die Bezeichnung für eine ergebnisoffene Interaktion zwischen Mensch und Tier. Müsste man es mit einem Satz erklären, würde es wohl bedeuten: Das Pferd spiegelt unsere Seele und unsere Themen in seinem Verhalten wider.
Der Michaelihof bietet diese Interaktion auch Außenstehenden an. Diese können entweder aus der näheren Umgebung und förderndes Mitglied des Vereins „Michaelihof“ sein oder aber Feriengäste. Für letztere stehen vier wetterfeste und beheizbare Jurten zur Verfügung. 300-400 Gäste sind im Jahr am Hof, manche kurz, andere länger. Coronabedingt war heuer natürlich weniger von den Gästen am Hof zu sehen.

Früher gab es hier Projekte mit „schwer erziehbaren“ Jugendlichen, die am Hof mitleben konnten. „Wir hatten nicht ein festes Programm, sondern wir haben ihnen einfach unseren Alltag vorgelebt, wie es sich ergeben hat mit der Arbeit am Hof, mit den Tieren, Umbauarbeiten, Kochen. Da hat sich dann ein Einbringen von selbst ergeben.“

Selbstbestimmung und Freiheit

Auch in der Jugendarbeit sind bei Franz Prenner wieder die Worte Selbstbestimmung und Freiheit immer zentrales Thema gewesen. Dabei geht es auch um Gefühle und Prägungen. „Zunächst einmal muss ich wahrnehmen, was mich antreibt, welche Gefühle ich habe, welche Prägungen. Dann kann ich das hinterfragen und dort, wo es nicht passt, ausbrechen und dort wo es passt, annehmen“, erläutert Franz Prenner ruhig. Das fängt bei ihm selbst an. Er weiß, wovon er spricht, wenn es um Bewusstsein geht. Offen erzählt er über seine überwundene Depression, als ihm alles zu eng wurde. Der Hof, der jetzt in dritter Generation in seiner Hand ist und von ihm von einer Demeter-Käserei zu dem umgebaut wurde, was er jetzt ist: eigentlich geliebte Heimat – er wurde plötzlich zur Bürde. „Ich musste weg, Abstand gewinnen.“ Ein Jahr Hof-Auszeit in einem Kloster folgte. Beten, mithelfen, essen, versuchen, zu schlafen. Vielleicht aus dieser Zeit der Schlaflosigkeit rührt sein Interesse an Traumarbeit. Vor allem Klarträume, also solche, in denen man sich selbst bewusst ist, zu träumen, haben es ihm angetan. „Träume sind ja Wünsche. Das sollte man ernst nehmen.“ Mit seinen Themen ist er nicht allein, die Vereinsmitglieder treffen sich etwa einmal im Monat, um „ensologische Gespräche“ zu führen, die sich abgeleitet vom griechischen Wort ‚ens‘, ‚das Seiende‘ ums Dasein und Freiheit, Bewusstsein und Selbstbestimmung drehen.

Emotionalität

In der Coronazeit ist natürlich alles etwas gedämpfter, können keine Übernachtungsgäste kommen, können kein Hoffest, keine großen gemeinsamen Kochaktionen stattfinden. „Natürlich habe ich mich anfangs eingeschränkt gefühlt und aufgeregt“, sagt Franz Prenner offen. Aber dann ist er der Situation mit der gleichen Technik begegnet, mit der er dem ganzen Dasein gegenübertritt. In Distanz gehen, analysieren, Vor- und Nachteile herausfinden, die Emotionalität herausnehmen, „denn die macht etwas mit mir, was nicht gut ist.“

Heraus kommt die ruhige Analyse, dass das Herunterfahren des Lebens auf die einfachen Dinge Zeit und Raum schafft für Bewusstsein und „schließlich findet sich Qualität oft im Einfachen.“

www.michaelihof.at

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Bilderbeschreibung: Der Michaelihof ist seit Generationen im Besitz der Familie von Franz Prenner – eingebettet in die idyllische Gemeinde Pinggau. Hier können auch Gäste wohnen. Vier Jurten können das ganze Jahr über bewohnt werden, da diese mit einem Ofen ausgestattet sind. In der offenen Küche wird gemeinsam gekocht. Der Michaelihof ist auch bekannt für seine vielfältigen Veranstaltungen.

 


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