Reportage

Wohnen im Wagen

Der Weg ist das Ziel, heißt es so schön. Doch was ist, wenn man auf der Anreise zum Urlaub auf wunderbare Orte trifft, an denen man verweilen möchte? „Kein Problem“, meint Norbert Weitzer, passionierter Off-Road-Reisender, der unterwegs eigentlich immer in seinem Auto übernachtet und im Rahmen der jeweiligen gesetzlichen Möglichkeiten dabei gerne auch abseits von Städten und Campingplätzen in der freien Wildbahn sein Lager aufschlägt. „Wenn es mir wo gefällt, dann bleibe ich da auch länger. Wenn ich wo hinkomme, wo es mir nicht gefällt, fahre ich eben einfach weiter.“ Diese Freiheit bietet ihm ein ausgebautes Fahrzeug.

Foto: Norbert Weitzer

Das Reise-Wohn-Auto von Norbert Weitzer.

 

Einfach losfahren, ohne festen Plan, ohne festes Ziel, sich treiben lassen. Nicht wissen, wohin es einen verschlägt, auf wen man trifft. Keine Abstimmung machen müssen mit Hotelbuchungen und Reiseleitern. Nicht abhängig sein vom Wetter. „Wenn es bei meinem angepeilten Ziel Schlechtwetter hat, fahre ich einfach weiter“, so Norbert Weitzer aus Friedberg und fügt augenzwinkernd hinzu, „nur um dann ebenfalls im Regen zu landen.“ Das Abenteuer ist halt nicht nur Schönwetter und Romantik pur unterm Sternenhimmel. Schlechtwetter, beengter Raum und viele kleine Handgriffe – Liegefläche ausklappen, Liegefläche einklappen, Spüle, Dusche ausklappen, Spüle, Dusche fahrsicher verstauen usw. „Man muss das schon mögen“, sagt auch Andreas Sammer, Inhaber der Schildbacher Firma „Steirervan“, der beruflich individuelle Ausbauten zu Campingmobilen durchführt.
Dabei gibt es den „Overlander an sich“ nicht, es ist eine inhomogene Gruppe, der nur gemeinsam ist, dass sie zumindest zeitweise unabhängig von Hotels und Supermärkten sein möchte und in der jede und jeder für sich ist. Die Gründe können dabei ein Hobby sein, nach dem man nicht mehr heimfahren möchte – wie etwa nach einer Mountainbike-Tour – aber auch Naturliebhaber und –beobachter, die möglichst nah dran an der Wildnis sein wollen, suchen im umgebauten Wagen das individuelle Abenteuer.

Auch die Ausstattung ist individuell und dabei höchst unterschiedlich. „Letztendlich braucht man außer einem Campingkocher und einer Liegemöglichkeit nichts weiter und auch ein WC ist längst nicht bei allen Fahrern ein „Muss“. Es kommt darauf an, was einem wichtig ist“, erklärt Sammer. Er kennt dabei von seinen Kunden alle Schattierungen, von puristischen Minimalisten bis hin zu Leuten, die ein nahezu vollständig ausgebautes Heim auf vier Rädern fahren. Für Neugierige gibt es zahlreiche Vlogs im Internet, zum selbst Ausprobieren kann man einen Van mieten. Das ist sehr gefragt, der von Sammer ist den ganzen Sommer unterwegs gewesen und kam erst ab Oktober zur Ruhe. „Über den Winter sind die Fahrer in Richtung Afrika unterwegs“, ergänzt Weitzer. Echte Wintercamper gibt es wenige.

Jetzt schon mit dem Ausbau für den nächsten Sommer anfangen

Doch der nächste Sommer kommt bestimmt. Für einen Vollausbau muss man beim Profi mit langen Wartezeiten rechnen, Sammer ist mit sechs Monaten Vorlaufzeit keine Ausnahme. Mit Verlegung von Strom- und Wasseranschlüssen nimmt der Ausbau dann noch einmal acht bis zwölf Wochen in Anspruch. „Wenn man alles selbst ausbaut, sollte man ebenfalls mit sechs bis acht Monate rechnen“, gibt der Fachmann zu bedenken. Will man grundsätzlich einen Wohnwagen ausbauen, sollte man sich zunächst klar machen: Was will ich? Was brauche ich wirklich? Und was bin ich bereit, dafür auszugeben? „Ausbauen kann man eigentlich alles ab etwa Busgröße“ erklärt Sammer. Von den Kosten her rechnet er mit mindestens 5.000 bis 10.000 Euro, denn allein eine Standheizung kostet ohne Einbau etwa 1.000 Euro, dazu kommen coronabedingte Teuerungen und Lieferengpässe.
Wenn dann das Auto ausgebaut ist, kann man loslegen. „Mit meinem Auto kann man die ganze Welt bereisen“, erzählt Norbert Weitzer stolz und zeigt, was er alles hat: Drei Liegeflächen, Kocher, Warmwasserdusche, Spüle, Heiß- und Trinkwassertanks. Gemütlich sieht das aus, zumal er meist allein mit dem Auto unterwegs ist. So kann man die Freiheit auf vier Rädern genießen, tagelang keinem anderen Menschen begegnen und spontan, selbstbestimmt seine Routen und Rastplätze quer durch Österreich, Europa und die ganze Welt ansteuern. Zumindest solange, bis man das nächste Mal tanken muss.


Morgenstimmung im Campingmobil von Andreas Sammer

Der Friedberger Norbert Weitzer hat seinen Geländewagen zu einer Art Wohnmobil umgebaut. Die Dusche von Norbert Weitzer besteht aus einem Schlauch, den man an der Tür einhängen kann. Mittels Heißwassertank ist es auch im Winter möglich, heiß zu duschen.

Andreas Sammer führt individuelle Ausbauten zu Campingmobilen durch.

Vom Auto zum Wohnraum

„Bei Fahrten, die über ein Wochenende hinausgehen, rate ich unbedingt zu Fahrzeugen, die innen Stehhöhe haben – das ist einfacher fürs Kochen, Duschen und Umziehen“, meint Sammer und fährt fort: „Ist das Fahrzeug nicht hoch genug, kann ein Klapp- oder Hochdach helfen“. Obwohl Warmwasser und Sanitäranlagen auf Campingplätzen zum Minimalstandard gehören, haben es viele gerne, wenn sie ein eigenes WC und eine eigene Dusche – oft mit Warmwassertank – verbaut haben. Beim WC hat sich nach der chemischen Lösung übrigens in den letzten Jahren die Trocken-Trenn-Toilette durchgesetzt, die durch zwei Behälter und eine gute Bedeckung mit Sägspänen unangenehme Geruchsbildung verhindert – regelmäßige Leerung natürlich vorausgesetzt. Beim Selbstausbau rät der Fachmann dazu, bei Einbauten direkt an der Außenhülle v.a. bei Neuwägen professionelle Unterstützung zu holen: „Wenn man es falsch angeht, kann man sein Fahrzeug nachhaltig im Wert herabsetzen.“ Und auch Norbert Weitzer, der bereits einige Autos zu fahrenden Wohnplätzen ausgebaut hat und zum passionierten Innenausbau-Tüftler geworden ist, gibt freimütig zu, dass er das Klappdach von einem Fachmann habe einsetzen lassen. Beachten sollte man auch die jeweiligen Landesvorschriften. In Österreich ist z.B. Wildcampen verboten, Abhilfe können hier auf Stellplätze spezialisierte Führer in Buchform oder entsprechende Online-Plattformen (schauaufsland.com oder bauernleben.at) geben.


Der umgebaute Geländewagen von Norbert Weitzer verfügt auch über eine Outdoor-Küche


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten