Porträt

„Hinter der Angst steht die Freiheit“

Elisabeth Bürgler hat die Dinge schon immer hinterfragt. Mit elf Jahren hat sie ihrer Mutter ein Buch gekauft, mit dem Titel „Das kann nicht das Leben sein“, weil die Ehe der Eltern keine besonders gute war. Als der Vater sehr früh verstarb, ist Elisabeth Bürgler dem Druck gewichen und hat den Betrieb übernommen. 30 Jahre lang hat sie den Gasthof geführt und zu einem gehobenen Hotelleriebetrieb ausgebaut. 30 Jahre hat sie ihr Leben in einem Bereich verbracht, der niemals der ihre war. Ihr damaliger Glaubenssatz „Wenn man nur sehr viel arbeitet, dann wird alles gut“, hat sich als falsch erwiesen. Nichts war gut. Alles war schwierig. In der Familie. Mit den Mitarbeitern. In ihrem Lebensumfeld, dort in Osttirol. Nach 30 Jahren hat sie das Traditionsunternehmen verkauft. Elisabeth Bürgler weiß, was es heißt, Altes loszulassen, welche Verletzungen da dahinter stecken und mit wem man sich aussöhnen muss, bis man sich selbst verzeiht. Heute ist ihr Leben kein Kampf mehr. Sie ist angekommen.

Foto: Nicole Mühl

Mag. Elisabeth Bürgler, MSc MBA hat sich als Coach und Wirtschaftspsychologin auf die Begleitung von Unternehmer*innen spezialisiert. Coachings finden meist direkt bei den Klient*innen vor Ort statt, aber auch in ihrer Praxis in Kukmirn.

 

Es ist eine Geschichte, in der sich manch Unternehmerin, manch Unternehmer wiederfindet. Wenn erwartet wird, einen Berufsweg zu gehen, der nicht der eigene ist. Es ist eine Geschichte, die aufzeigt, dass es nicht leicht ist, die Erwartungen der Vorfahren abzuschütteln. Aber der auch zeigt, dass es möglich ist.

Drei Magister- bzw. Mastertitel, Coach in systemischer Aufstellungsarbeit – die Liste der Ausbildungen von Elisabeth Bürgler passt auf keinen A4 Zettel. Keine Freizeit. Keinen Urlaub. Lernen neben dem Hotelbetrieb, den sie eigentlich nie wollte. Die systemische Therapie und die Wirtschaftspsychologie waren schon früh die Fachbereiche, die sie fesselten. Heute ist das Coaching von Unternehmerinnen und Unternehmern ihr Brotberuf. Dafür musste sie rund 400 Kilometer weiter nach Kukmirn ins Südburgenland ziehen. Erst nachdem sie selbst einiges an systemischer Arbeit erledigt hatte. Auch der Blick auf ihre Ahnen, auf die Männer in ihrer Familie, die den Betrieb aufgebaut und über Generationen geführt haben, war notwendig.

Einer ihrer Lehrer sagte einmal: „Geh erst, wenn sich deine Kreise geschlossen haben.“ Als sie das spürte, konnte sie auch das Hotel verkaufen. Ihren Weg musste sie von da an lange Zeit alleine gehen. „Ich hatte gewagt, einen Traditionsbetrieb zu verkaufen. Es gab viele Menschen in meiner Umgebung, die mir das nicht verziehen haben“, sagt sie. In ihre Rolle, die sie dort in Osttirol hatte, hat sie nicht mehr gepasst. Also ist sie gegangen.

Aufstellungen machen Systeme sichtbar

Die Sonne fällt mit voller Wucht auf das Aufstellungsbrett, das im Arbeitszimmer von Elisabeth Bürgler in Kukmirn steht. Ein Werkzeug, mit dem systemische Coaches gerne arbeiten.

In der systemischen Aufstellung erkennt der Klient bzw. die Klientin die eigene Position im System. Elisabeth Bürgler hat sich dabei auf Unternehmen spezialisiert. Meist sind es Familienunternehmen, die enorm konfliktbeladen sind. „Da gibt es starke Verwicklungen, weil man natürlich aus der Familie immer etwas in den Betrieb hineinnimmt“, erklärt sie.

Gerade durch die Corona-Maßnahmen hat sich in vielen Unternehmen etwas verändert. „Zum einen waren gerade im Gastgewerbe viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lange daheim, haben Geld bekommen und es ist schwierig für sie, sich wieder zu motivieren. Zum anderen gibt es Unternehmerinnen und Unternehmer, die erkannt haben, dass sie den Betrieb nicht mehr wollen. Beides sind völlig neue Herausforderungen“, stellt Elisabeth Bürgler fest. Genau hier setzt die Arbeit der Systemikerin und Wirtschaftspsychologin an. Ihre eigenen Erfahrungen grenzt sie davon ab. Doch sie helfen, solche Systeme besser zu verstehen, sagt sie. Die Arbeit mit ihren Klientinnen und Klienten ist intensiv. Hier im Südburgenland kann sie ihre eigene Methode gut anwenden: Rückzug und Neuausrichtung.

Veränderungen

„Wir haben grundsätzlich immer die Wahl: Weiterleiden oder etwas ändern.“ Beides sei kein Honigschlecken. „Wer sich zu neuen Ufern aufmacht, auf den wartet nicht automatisch das Paradies“, warnt sie. Es ist ein laufender Prozess. Aber man kann immer etwas ändern und daran arbeiten. „Nur, wenn ich mich gut fühle, dort wo ich bin, kann ich die Herausforderungen auch gut annehmen.“

Für Unternehmerinnen und Unternehmer hat sie ein spezielles, intensives Coaching: Der Mensch bekommt andere Sichtweisen, wenn er sein Umfeld ändert. Das sei auch der erste, der wichtigste Schritt, sagt die Systemikerin. Ein paar Tage in einem Kellerstöckl sorgen für den bewussten Rückzug aus dem gewohnten Umfeld und für die nötige Ruhe. Hier kann ihre individuelle Arbeit und Begleitung in der systemischen Arbeit besonders gut greifen. Im Moment arbeitet sie mit einer Unternehmerin, die sich eine Auszeit von zwei Monaten genommen und hier die Entscheidung für eine Neuausrichtung ihres Lebens getroffen hat. Zwei Mal zwei Stunden die Woche erfolgt ein intensives, zielgerichtetes Coaching. „Das ist notwendig, denn Veränderung macht auch Angst. Aber man darf nie vergessen: Hinter der Angst steht die Freiheit“, sagt Elisabeth Bürgler. Wie weit die Veränderung geht, entscheidet jeder für sich. Das Leben darf kein Kampf sein, weiß Elisabeth Bürgler. „Wir können vieles verbessern, wenn wir die Opferrolle ablegen.“ Verändern kann man niemanden. Nur die eigene Sichtweise. Und das verändert alles.


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