Porträt

Pionierin der Sporttherapie

Die Oberwart Gunners gelten seit Mitte der 1990er-Jahre als sportliches Aushängeschild der Region und bieten den Fans und Sponsoren eine solide Karriere in der österreichischen Superliga des Basketballs. prima! hat mit Christine Schober, jener Frau gesprochen, die sich als erste Sporttherapeutin Österreichs in einer Mannschaft großgewachsener und schmerzbefreiter Basketballspieler durchgesetzt hat, auf Widerstand gestoßen ist und zu guter Letzt trotzdem als Pionierin und Mitbegründerin des Erfolges gilt.

Foto: Eva Maria Kamper

Christine Schober hat als erste staatlich geprüfte Sporttherapeutin in den 1990er-Jahren die Oberwart Gunners auf ihrem Weg nach oben begleitet und den Grundstein für das heutige Medical Team gelegt.

 

Die Luft ist zum Schneiden, die Halle brodelt, der Schiedsrichter pfeift. Große Männer liefern sich wilde Ballduelle mit schnellen Schritten. Drei mal dribbeln, Blick, Wurf, Korb. Wir befinden uns im Jahr 1995 und die Oberwart Gunners sind nur wenige Punkte davon entfernt, den Cup zu gewinnen, in die A-Liga aufzusteigen und regionale Sportgeschichte zu schreiben. Und die Trainerbank bietet ein etwas ungewöhnliches Bild: Inmitten der riesigen Spieler, die auf ihren Einsatz warten sowie den wild gestikulierenden Trainern sitzt Christine Schober, eine zierliche, blonde Frau Anfang 30, die die Spielzüge mit angehaltenem Atem und gespannten Blicken verfolgt. Und sie hält beide Daumen fest gedrückt. Den einen für den Sieg und den anderen dafür, dass sich keiner der Spieler verletzt.

Grundsteinlegung der Physiotherapie

Denn Christine Schober war in den 90er-Jahren als erste geprüfte Sporttherapeutin Österreichs maßgeblich am Aufbau eines medizinischen Teams in der aufstrebenden Basketballmannschaft der Oberwart Gunners tätig. Und hat Pionierarbeit für den Beruf der Physiotherapeuten im Leistungssport geleistet. „Man konnte mit dem Begriff Physiotherapie damals generell wenig anfangen“, erinnert sich die inzwischen pensionierte Therapeutin und erzählt: „Im Krankenhaus war die Behandlung nach Operationen bekannt, aber dass Physiotherapie auch in der Verletzungsprophylaxe und Leistungssteigerung durch schnellere Regeneration und Rekreation wichtig ist, das war zu wenig bewusst. Ein verletzter Spieler bekam ein paar Wochen Sportverbot, das war alles. Keine Hinweise, was er inzwischen tun kann, wie der Trainingsbeginn aussieht und vor allem, was der Trainer aufgrund der Verletzung berücksichtigen sollte.“ Und gerade im Bereich des Profisports sei die Anforderung an den Körper eine ganz andere, da der funktionierende Körper das Kapital sei und ein Ausfall fatal. „Ein Sportler muss schnellstmöglich wieder fit sein, und das war für mich immer schon meine große Motivation im Beruf.“

Überzeugungsarbeit

Und so kam es, dass sie mit bewusstem Mut zum Andersdenken seit 1992 nach und nach physiotherapeutische Maßnahmen im Verein der Oberwart Gunners etabliert hat, der seines Zeichens mit den Erfolgen schnell gewachsen ist und auch mit Legionären aus anderen Ländern wie Amerika verstärkt wurde. „Und ich musste schnell Widerstand gewohnt werden, allein auf Grund der Tatsache, dass ich eine Frau bin und die Spieler eine Berührung von mir zulassen mussten. Und Prophylaxe-Übungen, Stretching und Massagen galten prinzipiell als unnötig und wurden belächelt. Schmerzen wurden unter den jungen starken Spielern sowieso nicht zugegeben, denn sonst drohte am Ende ein Spielverbot und somit ein Verlust des Gehalts.“ Also musste Christine Schober zu Beginn einmal enorme Überzeugungsarbeit für die Akzeptanz zur Physiotherapie und vor allem zu ihrer Person selbst leisten, auch gegenüber den unterschiedlichen internationalen Trainern und deren Einstellung zu Prävention und Regeneration. „Aber als allererstes mussten die Handtücher her“, lacht sie und schildert schmunzelnd, wie sie vom Verein der Gunners in den 1990er-Jahren den „Luxus“ erkämpft hat, dass man den Spielern Handtücher während des Spiels zur Verfügung stellt.

Mentales Coaching

Als einzige Frau im Vereinsteam und selbst Mutter hat sie neben der körperlichen Therapie aber auch einen Part für das mentale Wohlbefinden für die Mannschaft beigesteuert. Denn besonders die jungen Männer, die von sehr weit her kamen wie zum Beispiel Amerika, waren in Oberwart auf sich allein gestellt. „Vor allem der Familienanschluss hat ihnen sehr gefehlt. Es gab ja noch kein Handy oder Videotelefonie, um sich jederzeit daheim zu melden. Und sie konnten auch nicht kurz nach Hause, weder über Weihnachten, noch wenn sie von einem Todesfall in der Familie erfahren mussten.“ Also sei auch mentales Coaching von großem Wert für die Gesundheit gewesen. „Wir haben die Spieler regelmäßig bei uns zum Familienessen eingeladen. Meine beiden Söhne haben damals quasi beim Essen Englisch von den amerikanischen Basketballern gelernt – und gejubelt, weil es dann ausnahmsweise Cola zu trinken gab“, erzählt Christine Schober, als sei es gestern gewesen.

Erfolgsleiter

Und das beispiellose Konzept von Christine Schober hat funktioniert. Die konsequente physiotherapeutische Behandlungsstrategie im Teamwork mit dem Sportarzt Dr. Werner Zigner und den Masseuren Johann Farkas und Roman Stelzer hat die Oberwart Gunners auf ihrem Weg der Erfolgsleiter nach oben begleitet. „Besonders nach dem Aufstieg in die A-Liga, also der heutigen Superliga, ist ganz Oberwart Kopf gestanden. Die Gunners waren Superstars, die Spieler waren Helden für die Oberwarter Jugend“, sagt Christine Schober. Und durch die stetige Weiterentwicklung hat sich nicht nur die Qualität des Spieles verändert, sondern auch die Leistungen für die Spieler im Verein. „Medizinische Grundversorgung wurde mehr und mehr eine Bedingung der Spieler für eine Vertragsunterzeichnung. Denn sie wollen sich natürlich abgesichert fühlen, wenn was passiert, denn passieren kann in diesem schnellen Leistungssport natürlich viel“, sagt sie und beschreibt ein nicht so appetitliches Beispiel eines ausgerenkten Knies während eines Spielduelles. Prinzipiell sind die Aufgaben eines Sporttherapeuten die Verletzungsprophylaxe im Training durch gezielte Übungen sowie die Akutbehandlung im Bedarfsfall und die Betreuung bis zur vollkommenen Leistungsfähigkeit nach einer Verletzung. Dazu bedarf es viel Wissen bezüglich der neuesten Behandlungstechniken, auch trainingstherapeutischer Konzepte, viel Engagement und Austausch mit Sportmedizinern – national und international – wie zum Beispiel auch die Freundschaft mit den deutschen Kollegen Hans Jürgen Montag und Klaus Eder – beide bekannte Experten im Betreuerteam des Deutschen Fussballnationalteams.

Dass sportmedizinische Betreuung und Hochleistungssport heutzutage nicht mehr trennbar sind, gilt in vielen Sportarten als fix. Im Oberwarter Basketball hat man österreichweit diesbezüglich Pionierarbeit geleistet. Für diese Voraussicht, die Christine Schober Anfang der 90er-Jahre im Verein gesetzt hat, ist man ihr bis heute seitens des Vereins dankbar.
Auch ihr Sohn, Johannes Schober, ist ebenfalls beruflich Physiotherapeut geworden und auch bereits seit zehn Jahren im Trainer- und Versorgungsteam der Oberwart Gunners tätig.

Medical Team

Dieses hochprofessionelle medizinische Versorgungsteam der Oberwart Gunners besteht heute aus mehreren Komponenten. Dr. Martin Reschl ist der Teamarzt für Sportmedizin und Orthopädie. Dr. Bodo Zsombor ist vereinseigener Hausarzt und COVID-19-Beauftragter. Johannes Schober ist als Athletic-Coach tätig. Renat Cobzary ist Sport Masseur, Dr. Petra Stuparits ist Ernährungs- und Sportwissenschafterin und Philipp Werderits ist Mental Coach.


Die Oberwart Gunners zu Zeiten des Durchbruchs 1995: U.v.l.n.r.: Teamarzt Dr. Werner Zigner, Coach Craig Nance, Physiotherapeutin Christine Schober, Spieler Thomas Benkö, Paris Bryant, Andreas Leitner, Joachim Kainz, Berthold Lehner, Masseure Hansi Farkas und Roman Stelzer. O.v.l.n.r.: Rene Laky, Bernd Volcic, Roy Howard, Arno Frühwirth, Charles Payton und Walter Obojkovits

Gunners Kapitän Sebastian Käferle im Zweikampf mit seinem Welser Gegenspieler beim Zug zum Korb

65 Jahre Oberwart Gunners

Der Klub wurde 1957 als Union Basketball Club Oberwart von Johann Hadek gegründet. Als Vater der neuen Gunners, welche den Aufstieg in die österreichische Basketball Bundesliga schaffte, gilt Alfred Wertner (verstorben Oktober 2010). In den Jahren 1992 bis 1995 spielte das Team in der 2. Bundesliga und seit dem Aufstieg 1995 ununterbrochen in der österreichischen Basketball-Bundesliga. Die größten Erfolge feierte der Verein mit den Meistertiteln im Jahr 2011 und 2016.
Heute tragen sie den Namen UNGER STEEL Gunners Oberwart mit Thomas Linzer als Präsident und Horst Leitner als Coach.

www.gunners.at


Schreibe einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Antworten