Reportage

Autotuning-Szene – Vier Räder und zwei Gesichter

Für Oberwart ist die Problematik nicht neu. Bereits vor Jahren sah sich die Stadtpolitik mit dem Umstand der Beschwerden über sogenannte „Roadrunner“ konfrontiert. Nach dem Corona-Lockdown gab die Autotuning-Szene heuer ein neues, lautes Lebenszeichen von sich, sehr zum Leidwesen der Bevölkerung. Aber wer steckt eigentlich hinter den Unruhestiftern auf vier Rädern? prima! hat sich umgeschaut und wurde fündig.

Foto: Lexi

Ein Knall aus dem Auspuff, ohrenbetäubendes Quietschen der Reifen, dezenter Gestank nach Gummi und abschließend kreischende Motoren mit der Drehzahl am Limit. Die Lautstärke über 100 Dezibel. Blutjunge Menschen, die mit technisch veränderten, viel zu starken Autos in und rund um Oberwart ihr Revier markieren. Und dabei einiges an Lärm produzieren und auf Orten ihrer Treffpunkte Müllberge hinterlassen.

Unter dieser Szenerie stöhnt die Oberwarter Bevölkerung seit Anfang des Jahres ein weiteres Mal. Bereits 2009 – 2015 sind Jugendliche mit ihren aufgemotzten Autos auf dem Parkplatz der Badgasse ungut aufgefallen und haben vom Bürgermeister ein Park- und Aufenthaltsverbot kassiert. Diese sogenannten Roadrunner sind nun wieder am Start, und halten – gruppiert und auf mehreren Hotspots verteilt – auch die Exekutive auf Trab. Beinahe 600 Anzeigen wurden seit Anfang des Sommers erstattet, zwei Dutzend Kennzeichen und mehrere Führerscheine abgenommen. Eine hohe Kontrolldichte der Polizei soll dafür sorgen, dass vor allem den „Unbelehrbaren“ der Spaß entzogen wird. Denn dieses „Hobby“ geht ins Geld.

Illegale Umbauten

„In der Regel sind die technischen Umbauten an den KFZ meistens illegal. Da werden Klappen in die Auspuffanlagen eingebaut oder Änderungen an der technischen Ausführung getätigt, wobei lautstarke Zündungen entstehen. Ein Klassiker ist auch das Tieferlegen des Fahrwerkes. Oder Chipveränderungen, die die Motorenlautstärke illegal erhöhen können“, schildert Bezirkspolizeichef Oskar Gallop im Gespräch mit dem prima! Magazin. Man habe sich demnach mit der Stadt Oberwart und der Bezirkshauptmannschaft auf verstärkte Kontrollen und mit dem Technischen Dienst des Landes auf eine Kooperation geeinigt, um die „schwarzen Schafe“ gezielt aus dem Verkehr zu ziehen. Denn es gab in der Tat einige Vorkommnisse, die eher an Actionfilmszenen erinnern als an die gängige Straßenverkehrsordnung. „Anfang des Jahres haben sich zwei junge Fahrer am Abend ein Autorennen von Oberwart nach Pinkafeld geliefert. Mit weit über 180 km/h. Man möchte gar nicht fertig denken, was da alles passieren kann. Die Haupttäter haben sich im Gespräch auch ziemlich uneinsichtig gezeigt. Dafür darf es keine Toleranz geben“, so Gallop. Auch fühle man sich den zahlreichen Anrainern verpflichtet, die einen hohen Leidensdruck aufgrund der Lautstärke haben. Berichten zufolge wurden kostspielig hochwertige Fenster in die Häuser eingebaut, um nicht völlig hilflos der Lärmbelastung ausgesetzt zu sein. Die Polizei hat sich aus psychologischer Sicht auch schon vergebens mit der Frage beschäftigt, ob man dem Problem nicht eher mit Sozialarbeitern begegnen soll, die für diesen „Erziehungsauftrag“ der geeignetere Mediator wären als die Polizei. Denn die tatsächlichen Unruhestifter sind meistens auffallend junge Führerscheinneulinge.

Affinität zu Autos noch nichts Verwerfliches

„Grundsätzlich haben unsere Kontrollen dazu geführt, dass sich die Lage wieder entspannt hat, da wir bereits einen Großteil der illegalen Fahrzeuge identifizieren konnten. Und nach mehrfachen Geldbußen und Maßnahmen bis zur Kennzeichenabnahme und Führerscheinentzug spüren auch die Unbelehrbarsten, es tut weh. Wir verzeichnen auch weit weniger Anrainerbeschwerden. Damit das so bleibt, werden wir die Kontrollen auch beibehalten. Und dabei möchten wir betonen, dass wir nichts Verwerfliches daran finden, eine hohe Affinität zu Autos zu haben. Die Szene hat definitiv zwei Gesichter, da es genauso Mitglieder der Gruppe gibt, die ihre Fahrzeuge legal umbauen. Und wenn eine Veränderung legal durchgeführt wird, dann sagt keiner was gegen ein schickes Fahrzeug. Zum Problem wird es dann, wenn sich das Auto durch gesetzlich verbotene Umbauten zum Verkehrsrisiko entwickelt. Oder die Lärmbelastung unzumutbar und das überdimensionierte Potenzial des KFZ auf den öffentlichen Straßen mit überhöhter Geschwindigkeit benutzt wird“, so Gallop über die Haltung der Polizei.

Gruppendynamik mit kleinstem gemeinsamen Nenner

Perspektivenwechsel. Auf ihrer Suche nach waschechten „Roadrunnern“ trifft prima! eine bunte Gruppe gutgelaunter junger Menschen, die sich nach Feierabend mit ihren sichtlich teuren Autos auf einem Parkplatz zusammenfindet. Altersgruppe: 19-29. Berufsstand: Arbeiter, Angestellte und Studenten. Der „Schmäh“ rennt und die meisten „Running-Gags“ drehen sich um die Fahrzeuge. Nach dem ersten Gespräch wird schnell klar, dass sich hier Spreu vom Weizen trennen möchte. Man fühle sich zwar als Teil des gemeinsamen Ganzen der Oberwarter Autotuning-Szene, distanziere sich aber vehement von kopflosem und illegalem Verhalten. „In jeder Branche und Gesellschaftsschicht gibt es unterschiedliche Charaktere. So gibt es leider auch in der Autotuning-Szene ein paar Leute, die auf den Nervenkitzel angewiesen sind und die Aufmerksamkeit brauchen“, bedauert einer der Auto-Fans das schlechte Benehmen einiger Szene-Kollegen, die den Groll der Öffentlichkeit verursacht haben. „Mit einer gewissen Reife versteht man schon, dass man seinen Müll nicht liegen lässt oder in der Nacht lautstark durchs Ortsgebiet fährt, wo Leute schlafen wollen.“

Das Auto ist der einzige gemeinsame Nenner. Darüber hinausgehend seien die Leute grundverschieden. Besonders die jüngeren Autobesitzer sollen für den schlechten Ruf verantwortlich sein. Prinzipiell seien Autorennen aber glücklicherweise eine Seltenheit in der Szene. „Vieles wurde von den Medien hochgebauscht“, beklagt ein Gruppenmitglied, „demnach wurden aber auch einige Autotuner aus den Nachbarbezirken wie Hartberg auf Oberwart aufmerksam, die aus Neugier herkommen und sich mit genügend Lärm bemerkbar machen. Dafür können wir auch nichts!“

Auch der Verbannung vom eo-Parkplatz tritt die Gruppe mit Verständnis gegenüber. „Es ist einfach eskaliert. Nachdem der Corona-Lockdown überstanden war, haben wir uns ziemlich oft am Parkplatz getroffen. Und es wurden immer mehr Leute. Die Kennzeichen waren von Güssing, Hartberg über Wiener Neustadt, Wien bis nach Oberösterreich vertreten, sicher 80 bis 100 Autos. Ich hab damals noch zu meinem Kumpel gesagt: Genieß es, lang werden wir hier nicht mehr stehen dürfen, wir sind zu viele. Dass dann eine junge Fahrerin aus Güssing unglücklicherweise in die Fassade des eo gekracht ist, war nur das Tüpfelchen auf dem i“, beschreibt einer der Fahrer die letzten Tage vor der abendlichen Sperre des eo-Parkplatzes.

Kontrolldruck und Behördenwege

Auch wenn die Fahrzeuge der Autotuner legal verändert und gesetzeskonform typisiert worden sind, müssen sie in der derzeit herrschenden, breit gestreuten Wachsamkeit der Polizei auch oftmals Kontrollen über sich ergehen lassen. „Es erzeugt schon eine gewisse Paranoia und es ist jedes Mal eine ungute Situation. Man hat das Gefühl, dass solange am Fahrzeug gesucht wird, bis etwas gefunden wird, das nicht passt. Selbst wenn alles, was verändert wurde, in den Papieren eingetragen ist, heißt das nicht, dass man keine Probleme bekommt: Wenn ein Polizist der Meinung ist, dass ein Mangel vorliegt, dann muss man zu einer Landesprüfstelle vorfahren“, so die Wahrnehmung eines oft kontrollierten Autotuners. Und das bedeute vor allem Kosten und auch Wartezeit, denn meist dürfe man für diesen Zeitraum bis zum Vorfahren das Fahrzeug nicht benutzen.

Und die Typisierung sei in Österreich, und besonders im Burgenland, auch mehr ein Spießroutenlauf als ein einfacher Behördengang. Besonders wenn Tuning-Zubehör aus dem Ausland bestellt wurde, dürfe man sich auf eine längere Bürokratie einstellen, da man z.B. für Teile aus Amerika selber eine TÜV-Prüfung für ein Gutachten veranlassen muss und sich auf eine Kostenlawine von tausenden Euro einstellen kann. „Fürs herkömmliche Tieferlegen mit neuen Felgen benötigt man auch Kombi-Gutachten von einem Prüfer, der seinerseits nochmal das OK von einer Landesprüfstelle braucht. Auch das kostet mehrere hundert Euro. Dazu kommt, dass die Prüfer sich oftmals uneinig sind, es gibt da keine einheitliche, objektive Regelung“, bemängelt ein ambitionierter Autotuner. „Da kann es schon mal passieren, dass man bei der einen oder anderen Kleinigkeit aufs Typisieren ‚vergisst‘ “, fügt er murmelnd hinzu. Und dann steht man schnell mit einem Fuß im Illegalen.

Das erste Wort war „Auto“

Aber warum nimmt man das alles in Kauf? Die hohen Kosten für die Anschaffung des Fahrzeuges, den Umbau, die Anfeindungen der Bevölkerung, den Stress der ständig drohenden Kontrollen und gegebenenfalls auch die Strafzahlungen? „Seit ich 12 bin, habe ich auf mein Traumauto gespart, mir das Taschengeld und den Lohn des ersten Jobs aufgehoben und auf vieles verzichtet. Ich bin stolz auf mein Auto“, schwärmt ein Fahrer über seinen Audi A6 mit 300 PS und besonders seltener Ausführung. Auch Mädels sind vermehrt in der Autotuning-Szene vertreten: „Mein erstes Wort war ‚Auto‘ und für mich ist es Leidenschaft und ein ganz besonderes Hobby“, sagt eine junge Fahrerin über ihren luxuriösen BMW, dem sie auch einen Namen gegeben hat. „Der Perfektionismus, an dem Auto so lange herumzubauen, bis es einem am besten gefällt, vereint die Gruppe“, so ein besonders technik-affiner Student aus der Szene. „Wer wirklich Geld in sein Auto gesteckt hat, der fährt damit nicht krampfhaft kopflos durch die Gegend. Die meisten aus unserer Gruppe sparen jeden Cent für das Fahrzeug und verzichten auf Urlaub, aufs Fortgehen und andere materielle Dinge. Das unterscheidet uns von den Unruhestiftern, die die Szene in Verruf gebracht haben“, betont ein Mitglied der Clique.

Was sie sich als Lösungsansatz vorstellen? „Wir können auch nur an die Vernunft unserer Szene-Kollegen appellieren, dass sie hirnrissiges Verhalten unterlassen. Ein Strassenrennen ist nicht cool, sondern saublöd. Wer das Schnellfahren wirklich braucht, der findet z.B. in Greinbach bei Hartberg die nächste Rennstrecke für offenes Fahren. Und seitens der Stadt Oberwart wären wir natürlich auch dankbar, wenn man uns Plätze bietet, wo wir uns legal und ohne jemanden zu stören treffen können, denn am meisten geht es uns ums Zusammentreffen und die gemeinsame Zeit.“


In diesem Fall ist das Foto mit den Jugendlichen nachgestellt. Die Roadrunner treffen sich auf öffentlichen Parkplätzen. Wichtigster Hotspot war der eo Parkplatz. Dieser wurde jedoch gesperrt, nachdem die Fassade bei einem Treffen beschädigt wurde.

Jeder gesparte Cent wird in das Auto investiert.

Oskar Gallop
Bezirkspolizei-Chef von Oberwart Oberstleutnant Oskar Gallop

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