Reportage

Das Leid der Streunerkatzen: So schlimm wie noch nie!

Die Tierschutzvereine sind komplett überfüllt und immer noch verstoßen so viele Katzenhalter gegen das Gesetz der Kastrationspflicht ihres Tieres. Streunerkatzen vermehren sich rasant, sie erkranken häufig und verenden qualvoll. Die Botschaft ist klar: Wer seine Katze nicht kastrieren lässt, ist für das Leid der Tiere mitverantwortlich.

Foto: zVg

Viele Streunerkatzen bekommen Krankheiten wie Katzenschnupfen. Augen und Schleimhäute verkleben. Die Tiere sterben qualvoll.

 

Zwei Tage hat Alice Siebenbrunner gebraucht, um die kleine Leonie von den Maden zu befreien. Überall sind sie aus dem winzigen Körper herausgekrochen. „Alles war übersät mit Fliegeneiern und Fliegenmaden. Ihre linke Fußinnenseite war durchlöchert, der hintere Bereich komplett zerfressen. Aus allen Körperöffnungen kamen sie. Aus den Ohren, Augen, Nase, sogar aus dem After. Leonie wurde bereits bei lebendigem Leib aufgefressen“, beschreibt die Obfrau des Tierschutzvereins „Wir fürs Tier“ den Zustand des Kätzchens. Leonie schrie aus Leibeskräften. Ein Bild, das die sonst so beherrschte Alice Siebenbrunner dazu veranlasste, ein klares Statement auf der Facebook-Seite des Vereins abzugeben: „An alle, die ihre Katzen nicht kastrieren lassen: Ihr seid verantwortlich dafür! Für Leonie, für die vielen anderen, die wir nicht mehr aufnehmen können, weil wir kein Platzerl für die viel zu vielen Babys finden.“

Es ist jedes Jahr das Gleiche. Die Flut an Katzenbabys ist enorm. Der Grund sind unkastrierte Katzen, die sich unkontrolliert vermehren. Dabei ist jeder Katzenhalter gesetzlich dazu verpflichtet, sein Tier kastrieren zu lassen, sobald es ins Freie darf. „Die Anzeigen und Kontrollen müssten strenger sein“, betont Siebenbrunner. Die Besitzer kümmern sich nicht um die Tiere und die Anrainer schauen weg oder verjagen sie. Aus den unkastrierten Hauskatzen entsteht eine immense Zahl an Streunern. Von einem einzigen Katzenpaar können in fünf Jahren bereits über 12.000 Nachkommen hervorgehen, rechnen Tierschutzorganisationen wie „Vier Pfoten“ vor. Dabei gibt es Gutscheine für die Kastration von diesen herrenlosen Tieren, die das Land, die Gemeinden und die Tierärzte finanzieren und die von den Gemeindeämtern abgeholt werden können. „Allerdings fordern die Gemeinden in der Regel zu wenig an“, kennt die Tierschützerin die Gegebenheiten im Burgenland, denn wenn die Gutscheine weg sind, übernimmt „Wir fürs Tier“ die Kosten. Das ist bitter, da sich der Verein ausschließlich von Spendengeldern finanziert – und es sind einfach zu viele herrenlose Tiere. Auch in der Steiermark gibt es diese Gutscheine. prima! hat bei der Hartberger Tierärztin Marion Wolters nachgefragt, wie diese in der Bevölkerung ankommen. „Leider muss ich als Tierärztin immer wieder feststellen, dass damit auch Missbrauch betrieben wird. Es gibt Gemeinden, die die Gutscheine nicht unentgeltlich abgeben. Diese müssen aber gratis sein. Das ist eine wichtige Botschaft an die Bevölkerung. Und leider ist vielen Tierhaltern auch der Begriff Streunerkatze nicht ganz klar. Ein Beispiel ist, wenn Katzenbesitzer mit einer Katze kommen, die schon seit Monaten bei ihnen wohnt, geimpft und entwurmt ist – ist es keine Streunerkatze. Für solche Tiere ist der Gutschein nicht gedacht.

Die Gutscheine sind eine tolle Sache, aber sie sollten wirklich nur für die herrenlosen Tiere verwendet werden“, erklärt die Tierärztin.



Katzen – weiblich
und männlich – müssen
kastriert werden, wenn sie
ins Freie dürfen. Dieses
Gesetz gilt auch für Katzen
in bäuerlicher Haltung.


Was tun, wenn man eine Streunerkatze bemerkt?

Es ist wichtig, dass Streunerkatzen bei der Gemeinde gemeldet werden (Gutscheine!) und die Anrainer mithelfen, die Tiere einzufangen. Wer Unterstützung braucht, kann sich an einen regionalen Tierschutzverein wenden. „Wir unterstützen, wo wir können, stellen Fallen zur Verfügung und schauen auch, wie die Kosten gedeckt werden können. Aber ohne die Mithilfe der Bevölkerung schaffen wir es nicht“, appelliert Alice Siebenbrunner. „Oft übernehmen auch Tierfreunde die Kastrationskosten und wir helfen beim Fangen der Tiere mit. Diese Anrainer erkennen nämlich das Problem und übernehmen Verantwortung, weil sie wissen, dass die Katzen von Jahr zu Jahr mehr werden. Wenn wir hier alle zusammenhalten und helfen, ist das Problem schnell beseitigt und das Leid der Tiere wird verringert.“
Auch die Gemeinden und das Land müssen stärker eingreifen, fordert die Tierschützerin und appelliert, saftigere Strafen zu verhängen für jene, die ihre Tiere nicht kastrieren lassen und gegen das Gesetz verstoßen. „Viele Gemeinden sind da vorbildlich und arbeiten mit. Bei manchen stößt das Tierleid auf taube Ohren“, erzählt Siebenbrunner. Dabei kommt es durch die unkastrierten Kater auch bei den Anrainerinnen und Anrainern zu Ärgernissen, denn durch das Markieren verursachen die Kater eine unangenehme Geruchsbelästigung und sogar Schäden an den Fassaden. Auch hier ist die Kastration des Tieres die einzige Möglichkeit, um dem entgegenzuwirken.

Die Kastration sollte vor dem Erreichen der Geschlechtsreife stattfinden. Diese wird bei Katzen um den 6. Monat erreicht. „Laut Gesetz dürfte eine Katze davor gar nicht ins Freie“, lautet der Hinweis von Alice Siebenbrunner. „Und eines ist ganz sicher“, bringt es die Tierschützerin auf den Punkt: „Die Katzen vermehren sich weiter. Das Leid wird größer. Wegschauen verschlimmert die Situation.“


Das sagt das Gesetz:

Katzen, die regelmäßig Zugang ins Freie haben, müssen von einer Tierärztin bzw. einem Tierarzt kastriert werden. Ausgenommen von der Kastrationspflicht sind Tiere, die zur kontrollierten Zucht verwendet werden. Zuchtkatzen sind zum Zwecke deren Identifizierung in der Heimtierdatenbank zu registrieren.


8 Mythen und falsche Infos rund ums Thema Kastration

Tierärztin Dr. Marion Wolters klärt auf:

1. Katzen müssen zumindest ein Mal Junge bekommen. FALSCH

Dr. Wolters: Ein Mal Junge bekommen zu haben, hat medizinisch keinen Vorteil. Im Gegenteil: Eine Katze kann sich bereits beim Deckakt infizieren (FIV, FeLV, Katzenschnupfen, Katzenseuche), kranke Kitten gebären und möglicherweise bei der Geburt sterben.

2. Die Katze muss vor der Kastration einmal rollig gewesen sein. FALSCH

Dr. Wolters: Katzen müssen vor der Kastration nicht rollig gewesen sein. Die Rolligkeit ist ein extremer Stress für Katze und Besitzer. Zysten können sich schon bei jüngeren Tieren entwickeln, Tumore von Gebärmutter oder Gesäuge sieht man meist erst bei älteren unkastrierten Tieren.

3. Kastrierte Katzen fangen weniger Mäuse. FALSCH

Dr. Wolters: Die Kastration hat auf den Jagdtrieb keinen Einfluss. Es ist genau umgekehrt, die gesunden, fitten, kastrierten Katzen sind die besseren Jäger.

4. Kastrierte Katzen werden übergewichtig. FALSCH

Dr. Wolters: Die Risikofaktoren für Übergewicht sind bei Katzen zu wenig Bewegung (häufig bei Wohnungskatzen) und ein Überangebot an Futter. Dieses Risiko lässt sich recht einfach durch ein angepasstes Futter und Bewegungsanimation reduzieren. Unkastrierte Katzen werden bei den gleichen Lebensumständen auch übergewichtig.

5. Katzen sind arm, wenn ihr Trieb unterbunden wird. FALSCH

Dr. Wolters: Die Alternative zur Kastration wären doch unkastrierte Katzen, die entweder ihren Trieb nicht ausleben dürfen, weil sie eingesperrt werden oder Katzen, die ihren Trieb ausleben, mit allen dazugehörenden Problemen: Massenvermehrung von Katzen, kürzere Lebenserwartung aufgrund von Infektionskrankheiten, Gebärmutterentzündungen, häufigere Autounfälle von unkastrierten Katzen, da sie weitere Strecken zurücklegen usw.

6. Ab wann kann man Katzen kastrieren?

Dr. Wolters: Hauskatzen werden mit circa 6 Monaten geschlechtsreif, manche früher, einige auch später. Meist tritt die Geschlechtsreife kurz nach dem vollständigen Zahnwechsel ein, die Eckzähne wechseln als Letztes mit circa 6 Monaten. Die Besitzer können dies gut kontrollieren. Kastriert wird üblicherweise spätestens, wenn die Geschlechtsreife erreicht ist, d. h. im Alter von sechs bis acht Monaten. Es gibt auch die Frühkastration, die bei Streunerkatzen anzuraten ist, da es schwierig ist, diese vor der Geschlechtsreife einzufangen. Wann die Kastration der eigenen Hauskatze im Einzelfall durchgeführt werden sollte, bespricht man am besten rechtzeitig mit dem Tierarzt.

7. Die Pille für die Katze ist unschädlich. FALSCH

Dr. Wolters: Die sogenannte Pille für die Katze birgt ein deutlich erhöhtes Risiko der Gebärmutterentzündung und für Gesäugetumore. Sie ist keine Alternative zur Kastration.

8. Katzen werden sterilisiert, Kater kastriert. FALSCH

Dr. Wolters: Bei einer Kastration werden die Keimdrüsen (Hoden, Eierstöcke) entfernt, bei einer Sterilisation werden der Samenleiter bzw. die Eileiter abgebunden. Empfohlen wird die Kastration!

Spendenkonto „Wir fürs Tier“:
IBAN: AT68 51000 902142 44900
www.wirfuerstier.at


Vorteile der Kastration

• doppelt so hohe Lebenserwartung wie unkastrierte Katzen
• kein ungewollter Nachwuchs, für den man kein Zuhause findet
• keine Rolligkeitssymptome
• keine übelriechenden Markierungen
• stärkere Menschenbezogenheit
• weniger Aggressionen
• geringeres Bedürfnis zu streunen
• geringeres Unfallrisiko
• geringeres Risiko für Infektionen mit FIV (Katzenaids) oder FeLV (Leukose)
• geringeres Risiko für hormonelle Erkrankungen


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