Reportage

Ein Leben für den Zirkus?

Im Gewerbegebiet Unterwart-Oberwart tummelt sich reger Autoverkehr auf der Steinamangererstraße und den Zufahrten zu Möbelhäusern, Fachmarktzentren und zur Tankstelle. Nebenan liefern sich gerade zwei Ponyhengste eine Rangelei. Wie bitte? Einmal Augen ribbeln und noch einmal hinschauen. Tatsächlich, Ponys auf einem eingezäunten Fleckchen Gras am Parkplatz. Auf den zweiten Blick entdeckt man hinter dem Zaun auch noch Ziegen und hört Hunde bellen. Denn eine Zirkusfamilie aus Deutschland muss derzeit in Oberwart überwintern. prima! auf Lokalaugenschein in einer Welt, die ihre Existenz als Tradition legitimiert – mit Herzblut als Einsatz und Tierleid als Preis.

Foto: Eva Maria Kamper

Ein in Oberwart gestrandeter Zirkus, der auch dressierte Tiere zur Unterhaltung des Publikums im Programm hat. Neben einem Parkplatz sorgen die dressierten Ziegendamen Anna und Elsa für ein ungewöhnliches Bild.

Es war bestimmt ein trauriges Erwachen an jenem Dezembermorgen für die Zirkusfamilie Spindler, als über Nacht die enormen Schneemassen ins Burgenland kamen. Tags davor wurde das Zirkuszelt aufgebaut, um die Vorstellungen in der Manege abzuhalten. Doch so weit kam es nicht. Der Schnee hatte das Zelt zum Einstürzen gebracht. Seither muss die Zirkusfamilie in der Oberwarter Steinamangererstraße in ihren Wohnwägen am Parkplatz warten. Einerseits auf die nötige Reparatur des Zeltes und andererseits auf den Frühlingsbeginn, um mit ihren Vorstellungen wieder zu beginnen. Denn damit wird der Lebensunterhalt verdient.

Alternativenlos

„Es hat immer wieder mal eine ‚Saure-Gurken-Zeit‘ gegeben“, schildert Tonita Spindler, die ältere Cousine der Zirkuschefin. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt sie optimistisch. Seit fünf Generationen ist der Zirkus der Lebensmittelpunkt der Familie, selbst die Ur-Ur-Ahnen seien schon als Gaukler in Deutschland bekannt gewesen. Und die Strapaz sei es wert, schließlich wolle man diese Tradition noch für die weiteren Generationen als Kulturgut erhalten, sei sich die sechsköpfige Zirkusfamilie einig. „Wir kennen nichts anderes als den Zirkus“, sagt Tonita, die anno dazumal ihre ersten Auftritte als junges Mädchen mit Bodenturnen und Kunstreiten zum Besten gegeben hat, „wir sind mit Herzblut dabei.“ Inzwischen ist ihr Neffe schon der Junior-Chef und die 15-jährige Nichte der Akrobatik-Star der Manege. Die Basis in Deutschland sei quasi nicht existent, seit 2005 reist die Familie mit ihrer Zirkusshow durch Österreich. Das ständige Leben auf Tour sei alternativenlos, sagt Tonita. Eine romantische Vorstellung wohlgemerkt, wären da nicht auch jene Wesen betroffen, die sich dieses Schicksal nicht aussuchen konnten.

Zwischen Transport und Manege

Denn auch eine überschaubare Anzahl an Tieren gehört zum Familienbetrieb des in Oberwart gestrandeten Zirkus‘. In diesem Fall handelt es sich nicht um Wildtiere. Dennoch werden Tiere zur Bespaßung der Zuschauer herangezogen. Vier Ponys, zwei Ziegen und sechs Hunde sind als dressierte Attraktionen Teil der Aufführungen in der Manege. Zum Zeitpunkt des Interviews wird um Geld- und Futterspenden gebeten, um die Tiere überhaupt durch den Winter zu bekommen. Am Stellplatz in Oberwart dient ein Zelt als Stall für die gesamte Schar. Die Ponys kämen abwechselnd auf die kleine Wiese neben der Straße, damit sie sich in ihrem Bewegungsdrang nicht verletzen, die Ziegen dürfen sich am asphaltierten Parkplatz frei bewegen. Die aufgeregten Hunde sind in den Zwingern im Stall verwahrt. Unaufhörlich bellend und gegen die Gitter springend warten sie sichtlich auf den Auslauf oder einen Spaziergang. Ein Bild, das zwangsläufig die Frage aufwirft, ob das Leben für Tiere zwischen Dressur, Transporter, Zwinger und Manege artgerecht sein kann. Ob man nicht zum Wohle der Tiere auf deren Teilnahme verzichten muss.

Tiere als Kindermagnet

„Wir haben Haustiere und keine Exoten“, antwortet Tonita Spindler. „Und Tiere gehören zum Zirkus, sonst wäre es ein Varieté aus Artisten. Tiere sind ein Anziehungspunkt für Kinder und wir möchten, dass auch die jüngste Generation den traditionellen Zirkus kennenlernt. Unsere Tiere kennen es nicht anders und unsere Transportwege zwischen den Aufenthaltsorten sind nie länger als 20 Kilometer“, lautet ihre Rechtfertigung. Dass die Familie ihre Tiere mit positivem Zureden zu den Kunststücken dressieren würde, beteuert sie.
Doch letztlich geht es auch um die Frage, welche Werte man Kindern nachhaltig vermittelt, wenn man Tiere als willenlose Unterhaltungsobjekte präsentiert – unter Bedingungen wider ihrer Art. Denn auch eine Tradition kann und muss sich weiterentwickeln und ihrem Schatten entfliehen.


Die Hunde in den Zwingern erwarten sehnlich ihren Auslauf.

Neben einem Parkplatz sorgen die Ponyhengste Max und Moritz für ein ungewöhnliches Bild.

 

Tiere im Zirkus – Das sagt die tierschutzgeprüfte Hundetrainerin Petra Frey (Dog Dialog)

Wie stehen Sie als Tiertrainerin generell zu dressierten (Haus-)Tieren im Zirkus (Ponys, Ziegen, Hunde)?

Petra Frey (Dog Dialog): „Generell muss man sagen, dass das Herumreisen und Auftreten vor Menschenmassen für keine Tierart artgerecht ist. Durch das Eingesperrtsein in Fahrzeugen während der Reise von Ort zu Ort sowie durch die eingeschränkten Lebensbedingungen während Aufenthalten können viele artspezifische Verhaltensweisen kaum ausgelebt werden. Dessen sind sich immer mehr Menschen bewusst und so geht der Trend immer mehr hin zu Zirkussen ohne Tiere, mit menschlichen Akrobaten im Mittelpunkt. Star-Zirkusse wie der Cirque de Soleil machen es vor!“

Wie bewerten Sie, wenn nun dressierte Hunde in der Manege auftreten in puncto Stressbelastung für das Tier?

Petra Frey (Dog Dialog): „Die Hund-Mensch-Beziehung ist einzigartig im Tierreich. Keine andere Tierart lebt freiwillig so eng mit dem Menschen zusammen und kooperiert mit ihm in dieser Form. Das sind natürlich bessere Voraussetzungen für ein Leben in einem Zirkus als jegliche andere Tierart. Vorausgesetzt die Hunde werden wie Familienhunde gehalten sowie schrittweise und vor allem positiv an Menschenmassen gewöhnt, kann ich mir durchaus vorstellen, dass manche Hunde gut mit dem Zirkusleben klar kommen. Überall wo mit Tieren Profit gemacht wird, entsteht natürlich potenziell ein Spannungsfeld zwischen dem Wohl des Tieres und unternehmerischen Zielen. Daher empfiehlt es sich immer, genau hinzusehen wie es den Tieren geht.
Um Menschen mehr über Tiere beizubringen und ihre Bedürfnisse aufzuzeigen, sind Zirkusse denkbar ungeeignet. Zirkusse sind reine Unterhaltungsshows. Meiner Meinung nach sind Menschen, die andere Menschen durch ihr Können beeindrucken und diese Lebensform freiwillig wählen, am sinnvollsten und genauso unterhaltsam, wenn nicht sogar noch interessanter, anzusehen.“


FORDERUNG NACH GENERELLEM VERBOT VON TIEREN IM ZIRKUS IN ÖSTERREICH UND EINEM EU-WEITEN WILDTIERVERBOT!

Nach einer intensiven Kampagne des VGT wurde in Österreich im Jahr 2005 die Haltung von Wildtieren im Zirkus verboten. Davor war es auch in Österreich üblich, wilde Tiere als Belustigung des Menschen zu präsentieren. Weiterhin werden aber auch in Österreich Tiere wie Hunde, Ziegen, Kamele, Dromedare, Enten etc. für Kunststücke in der Manege dressiert. Der VGT Austria fordert ein generelles Tierverbot im Zirkus.

Neben Österreich haben auch andere EU-Staaten die Haltung von Wildtieren in fahrenden Zirkussen untersagt oder zumindest eingeschränkt. Dem sollen noch mehr folgen. Petitionen wie etwa „Alle Wildtiere raus aus dem Zirkus“ von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten oder die Change.org-Petition setzen sich für ein EU-weites Verbot von Wildtieren im Zirkus ein und machen deutlich, unter welch fragwürdigen Bedingungen Tiere für die Unterhaltung der Menschen herangezogen werden.


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