Nicole MÜHL / 26. September 2024
© Kasumovic
Das Haus in Bad Tatzmannsdorf. Nach einer Generalsanierung, bei der die Jugendstilelemente hervorgestrichen wurden, ist es heute ein Juwel.
Vier Jahre später hört man auf der Terrasse des Hauses in Bad Tatzmannsdorf die Musik einer Live-Band, die leise vom Hauptplatz herüberweht. Es ist ein Gefühl wie im Urlaub. Die Rosenstöcke, die im Zuge der Renovierung gepflanzt wurden, sind in den wenigen Jahren tief eingewachsen. So wie es hier eigentlich immer war. Zeitzeugen berichten, dass dieses Haus schon immer von Rosen umgeben war. Sabina Kasumovic konnte einen alten Stock retten. Er gedeiht inmitten prächtiger Artgenossen.
2020 kauften Sabina und Rudi Kasumovic über ihre Baufirma IBAU Kasumovic dieses alte Haus in Bad Tatzmannsdorf. „Es wurde um 1910 im Jugendstil erbaut und jahrzehntelang als kleine Pension geführt“, erzählen sie. Acht Zimmer, jedes kaum größer als zehn Quadratmeter, beherbergten Gäste, die mit einem Bett, einem Schrank, einem kleinen Ofen und einem Waschbecken auskamen. Das Bad teilten sich die Gäste auf dem Flur. In der Küche im Erdgeschoß bereitete die damalige Wirtin ihren Gästen das Frühstück zu. Sie selbst wohnte im Dachgeschoß im kleinsten Zimmer des Hauses.
Die Stimmen und Schritte in dieser Pension verstummten irgendwann. Zurück blieb ein leeres Haus, in dem die Zeit stillstand. Und wie es mit Häusern so ist, aus denen das Leben gewichen ist, verfallen sie so schnell wie eine Sandburg im Regen. Sabina Kasumovic erkannte trotz des desolaten Zustandes, in dem sich das Haus befand, dennoch die positive Energie, die von ihm ausging: „Ich habe mir vorgestellt, wie viele verliebte Pärchen hier wohl schöne Tage verbracht haben. Wie viele Reisende sich hier ausruhten. Wie viele Familien hier Erinnerungen schufen. Dieses Haus hat sicherlich vielen Menschen schöne Stunden beschert.“
20 Jahre lang stand das Haus leer. „Alte Häuser sind geduldig. Sie warten, bis jemand kommt und sich ihrer annimmt. Sie warten darauf, dass ihnen jemand neues Leben einhaucht. Diese Mühe zahlt sich aus“, sagt Sabina und lächelt.
„Altes Make-up entfernen“
„Als Sabina und Rudi Kasumovic das Gebäude kauften, dachten wohl viele im Ort, dass es nun abgerissen würde. Doch das war für die Familie nie eine Option. Für sie sind alte Häuser historisches Erbe. Etwas, das es zu erhalten gilt. Die Renovierung war eine Herausforderung. „Zum einen geht es um die Trockenlegung, zum anderen darum, modernen Komfort in ein altes Gebäude zu bringen und gleichzeitig den Jugendstil zu erhalten“, erklärt das Unternehmerpaar.
Stück für Stück wurde das Haus von allem befreit, was nicht zur Substanz gehörte. Die Wände, die die Zeit überdauert hatten, mussten freigelegt werden, damit sie atmen konnten und die Feuchtigkeit, die sich über die Jahre tief in der Substanz angesammelt hatte, entweichen konnte. „Ein Haus zu entkernen, ist wie altes Make-up Schicht für Schicht zu entfernen“, beschreibt Sabina Kasumovic den Beginn der Generalsanierung. Alles, was nicht zur Bausubstanz gehörte, wurde beseitigt. Nur die tragenden Mauern blieben erhalten und wurden freigelegt. Einen Meter tief musste gegraben werden, um das Fundament – ein Gemisch aus Erde und Kies, auf dem Holz verlegt wurde – komplett zu erneuern. „Es ist eine große Verantwortung, ein altes Haus zu renovieren“, sagt Sabina nachdenklich. „Man darf nichts überstürzen. Alte Häuser lehren mich Geduld.“
Die Rückkehr ins Leben
Langsam, mit jeder Maßnahme, begann sich das Haus zu verändern. Die alten Treppen, die über die Jahre Schicht um Schicht überstrichen worden waren, wurden freigelegt, die Farben vorsichtig entfernt, das Holz abgeschliffen und restauriert. Allein das dauerte drei Wochen. „Alles wurde erneuert. Von der Elektrik, dem Wasseranschluss, der Isolierung, der Drainage, dem Kanal bis hin zur Heizung – einer Luftwärmepumpe – und dem Dach. Die Räume sind heute lichtdurchflutet, weil die kleinen Fenster vergrößert wurden. Moderne Annehmlichkeiten wurden stilvoll hinzugefügt – eine neue Küche, zwei komplett erneuerte Bäder. Aus den kleinen Gästezimmern wurden – verteilt auf Erd- und Obergeschoß – drei Schlafzimmer, ein Ankleidezimmer und Abstellräume. Blickfang ist die helle, offene Küche im Landhausstil, die direkt ins Wohnzimmer führt. Wie bei Jugendstilhäusern üblich, dient eine angrenzende Terrasse als Erweiterung des Wohnzimmers. Alle diese Erneuerungen haben den besonderen Stil und Charakter des Hauses gestärkt und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschlagen.
Die Generalsanierung eines Hauses bedeutet, sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen und sie zu verstehen. „Da entsteht eine ganz eigene, intensive Verbindung“, erklärt Sabina Kasumovic. Denn jedes Mal, wenn sie sich selbst ärgert und denkt, das nächste Projekt müsse einfach weniger aufwendig sein, zeigt das Haus, welches Juwel in ihm steckt. Dann weiß Sabina genau: „Ich werde es wieder tun.“
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