Reportage

Gemüse aus der Region

„Kauf regional“ ist derzeit das große Schlagwort. Wenn wir etwas aus Corona gelernt haben, dann ist es die Notwendigkeit, unsere Achtsamkeit mit der Natur zu überdenken. Dazu gehört auch, dass wir bei unseren Lebensmitteln lange Transportwege vermeiden. Wer Produkte aus der Region kauft, achtet nicht nur auf unsere Umwelt, sondern stärkt auch die heimische Wirtschaft und sichert Arbeitsplätze. Die Entscheidung darüber trifft jeder von uns beim Einkaufen. Wie etwa in der Obst- und Gemüseabteilung im Supermarkt. Da liegt die Tomate aus Blumau neben der Tomate aus Holland. Die Qual der Wahl? Nicht wirklich, oder?

Foto: Frutura

Die Geschichte der Tomate ist nicht eindeutig festzulegen. Manche Forscher behaupten, dass sogar schon vor dem Jahr 1000 v.Chr. begonnen wurde, sie zu kultivieren, andere hingegen gehen von einem Zeitraum um 200 v.Chr. aus, wieder andere geben der Kulturgeschichte der Tomate nur knapp 1000 Jahre insgesamt. Auch, ob sie ursprünglich aus Mexiko oder eher aus Peru stammt, ist bislang ungeklärt. Fakt ist, dass ihr Name vom aztekischen „Tomatl“ hergeleitet wird, was soviel wie dickes/plumpes Obst bedeutet.

Auch unumstritten ist, dass im Durchschnitt jeder Österreicher/jede Österreicherin jedes Jahr 29 kg Tomaten oder auch Paradeiser, wie eine weitere beliebte Bezeichnung lautet, verzehrt. Doch diese müssen erst einmal produziert werden.
Im Gegensatz zur Tomate ist die Firmengeschichte der Frutura Gmbh nicht in grauer Vorzeit angesiedelt und von daher recht gut nachvollziehbar. 1998 haben die drei Unternehmensgründer als Erzeuger von Dörrbirnen begonnen, ab 2002 entwickelte sich das Tochterunternehmen Frutura. 2016 schließlich startete die Thermal-Gemüsewelt, ein riesiger Gewächshauskomplex, der durch seinen Standort in Bad Blumau auf einzigartige Weise die Wärme der Thermalquelle zur umweltfreundlichen Produktion nutzen kann. Anfangs noch gegen viel Widerstand von Seiten der Anwohner, der Touristik (die durch die Gewächshäuser Angst um das Image des slow tourismus gefährdet sahen) und sogar durch die in Bad Blumau ansässige Rogner-Therme, die um ihren eigenen Thermalwasserzugang fürchtete, ist die Frutura-Thermal-Gemüsewelt heute ein angesehener Lieferant von heimischem Gemüse.

Frutura der Lebensmittel-Nahversorger über das ganze Jahr

Bis zu 80 Prozent der Tomaten, die in Österreich konsumiert werden, werden importiert. Dies liegt vielfach daran, dass heimische Produzenten nicht ganzjährig liefern können, die Nachfrage jedoch auch im Winter weiter vorhanden ist. Bei Frutura hingegen ist man bemüht, es anders zu machen: „Unsere Grundlage ist eine bedarfsgerechte Landwirtschaft unter Einhaltung unserer zugrundeliegenden Prinzipien, dem Schutz von Umwelt, Grund, Boden, Luft und Wasser“, so Geschäftsführer Manfred Hohensinner. Bedarfsgerecht meint, dass durch die Gewächshauskultur ganzjährig produziert werden kann. Das sind inzwischen natürlich nicht nur Paradeiser, sondern auch Gurken und Paprika. Dazu kommt noch der steirische Genussapfel, eine hochmoderne Bananenreifungsanlage und die Disposition und Vermarktung diverser internationaler Obst- und Gemüsesorten.

Vor Ort in den Gewächshäusern hat man eine sogenannte lebende Produktion, die täglich betreut werden muss, was auch bedeutet von Handarbeit täglich geerntet. Ein krankheitsbedingtes Wegfallen von großen Mitarbeitergruppen wäre desaströs. Denn bei den Mitarbeitern handelt es sich um ausgebildete Spezialisten, die nicht ohne Weiteres ersetzbar wären. Darum war man bei Frutura schon sehr früh, nämlich bereits ab dem 26. Februar auf Hab-Acht-Stellung. Seitdem dürfen keine fremden Personen mehr in die Betriebe, und es darf kein LKW mehr einfahren. Außerdem wurde ein betriebsinterner Reisestopp verhängt, und es wird streng auf die Einhaltung von Hygienestandards geachtet. Die Mitarbeiter sind in Gewächshausgruppen unterteilt, die streng voneinander getrennt arbeiten, damit im Falle eines Falles nur ein Teil der Produktionskette wegbrechen würde.

Diejenigen von den Festangestellten, die aus Ungarn kommen, wurden zu Beginn der Krise in umliegende Hotels einquartiert, um zwischenzeitlich verhängte Aus- und Einreisesperren zu umgehen. Logistisch gut durchdacht und eine Strategie, die aufgeht: Durch die ganzjährige Produktion hat Frutura auch anders als in anderen Betrieben kein Problem durch mangelnde Erntehelfer. Schließlich beschäftigt man hier keine Saisonarbeiter, sondern hat Festangestellte. Frutura ist einer der wenigen regionalen Betriebe, die derzeit zusätzlich zu ihren 700 Beschäftigten weitere Stellen ausgeschrieben haben.

Während andere um ihre Existenz bangen, würde Frutura gerne noch ausbauen, denn innerhalb der bestehenden Produktionsflächen ist man an den Kapazitätsgrenzen. „Die Gesundheit der Pflanzen ist wichtig, da kann man nicht einfach den Ertrag steigern“, so der Geschäftsführer. So konnte Frutura auch während des Lockdowns Anfang April unvermindert weiter produzieren.

Der Stellenwert von Lebensmitteln muss überdacht werden

Gefragt danach, ob er denke, dass die Corona-Krise etwas ändern würde im Konsumverhalten der Menschen, wird Manfred Hohensinner nachdenklich. „Der Begriff Lebensmittel, das sind Mittel zum Leben, ohne die ist Leben nicht möglich.“ Er gibt zu bedenken, dass es in dem Sinne keine billigen Lebensmittel gäbe, durch die Förderpolitik – auch auf EU-Ebene – seien sie jedoch billig gemacht. Etwa durch flächendeckende Förderungen im Gießkannenprinzip.

Diese seien so aufgeteilt, dass 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe 80 Prozent der Förderungen erhalten bzw. 80 Prozent der kleinen Bauern nur 20 Prozent. Oder kurz gesagt: Der Bauer mit der größten Fläche bzw. der die größte Menge produziert, erhält die meiste Förderung. Seitens des Konsumenten ist die beste Vermarktungsform die Direktvermarktung, was aber nur in 10 Prozent der Fälle möglich ist. Weit über 90 Prozent der Konsumenten geben zwar an, dass sie auf regionale und Bioprodukte setzen, in Wahrheit gibt es aber etwa 50-60 Prozent der sogenannten „Sattesser“, d.h. es wird rein über den Preis gekauft.

Das Thema Lebensmittel habe zumindest bis vor der Corona-Krise keinen Stellenwert gehabt. Man sei es einfach so gewohnt gewesen, dass es immer ausreichend zur Verfügung gestanden habe und nicht viel kosten dürfe. Nun, wo die Versorgung mit ausländischen Lebensmitteln zeitweise zumindest erschwert wurde, gibt es natürlich einen Fokus darauf. Die Regionalität ist in ihrer Bedeutung gestiegen.

Grundsatz der nachhaltigen und sozial verträglichen Wirtschaftsweise

Nach dem Corona-Lockdown, wenn die Wirtschaft mutmaßlich kriselt und die Menschen nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben, befürchtet der Frutura-Geschäftsführer wieder eine Abwertung der Lebensmittel und eine politisch motivierte Billigproduktion, um die Kaufkraft für andere Konsumgüter zu erhalten.

Doch bei Frutura bleibt man dem Grundsatz treu, der Manfred Hohensinner schon von seinem Vater bei der Übergabe des heimischen Milchbauernhofes mitgegeben wurde: „Gib Grund und Boden so an deine Kinder weiter, wie ich ihn dir gegeben habe, womit er nichts anderes meinte als: Produziere deine Lebensmittel so, dass du dir auch in die Augen schauen kannst!“


Katrin und Manfred Hohensinner
Manfred Hohensinner leitet gemeinsam mit seiner Tochter Katrin das oststeirische Obst und Gemüse Kompetenzzentrum Frutura

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