Reportage

Stärken Esspausen das Immunsystem?

Dass man durch Fasten abnehmen kann, ist allgemein bekannt. Besonders beliebt ist gerade das Kurzzeitfasten – auch Intervallfasten genannt – in unterschiedlichen Methoden. Das Intervallfasten hat aber auch einen Special-Effect: Man tut nebenbei auch seinem Immunsystem einen großen Gefallen. Und gerade in Zeiten von COVID 19 und anderen Infektionskrankheiten spielen unsere Abwehrkräfte eine enorme Rolle, wenn es um die Ansteckung, den Schweregrad der Erkrankung und um die schnelle Genesung geht.

Foto: Tanya Joy

„Intervallfasten ist in aller Munde. Ich hab davon gehört und wollte es direkt ausprobieren. Der Körper gewöhnt sich schnell an den neuen Rhythmus, nach einigen Tagen spürt man kaum mehr ein Hungergefühl. Ich habe schnell die Vorteile gemerkt wie Gewichtsreduktion, ein besseres Hautbild und ein entspannterer Schlaf“, erzählt die Unternehmerin Carina Szauer über ihren Einstieg zum Intervallfasten, das immer mehr Menschen für sich entdecken.

16:8 oder 5:2

Was wie ein haushoher Sieg im Mannschaftssport klingt, sind die Bezeichnungen der unterschiedlichen Fasten-Zeitfenster. Die gängigste Intervallfasten-Methode 16:8 beruht auf dem Prinzip, innerhalb von acht Stunden zwei bis drei Mahlzeiten zu sich zu nehmen – und die restlichen 16 Stunden des Tages auf kalorienhaltige Nahrung zu verzichten. Das „Essensfenster“, also der Zeitrahmen, wo man essen darf, in diesem Fall acht Stunden, kann flexibel gewählt werden. Je nachdem, ob man lieber frühstückt oder zu Abend isst. Eine andere mögliche Methode ist 5:2, was bedeutet, dass man an zwei beliebigen Wochentagen 24 Stunden fastet und an den anderen fünf Tagen normal isst.

„In der Literatur findet man eine ganze Bandbreite verschiedener Fastenintervalle. Da sind die Menschen eingeladen, die Methode rauszufinden, mit der sie im Alltag am besten zurechtkommen. Unabhängig von der Methode ist die ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Über den ganzen Tag verteilt sind Wasser, ungesüsste Teesorten oder auch schwarzer Kaffee der Hauptteil des erfolgreichen Intervallfastens“, beschreibt Carina Szauer den Schlüssel zum Erfolg.

Selbsteinigung der Zellen

Nach etwa zwölf bis 14 Stunden der durchgehenden Essenspause beginnt der sogenannte „Autophagie“-Prozess im Körper. Der japanische Wissenschafter Yoshinori Ohsumi hat für diese Entdeckung im Jahr 2016 den Medizin-Nobelpreis erhalten. „Das muss man sich laut seiner Schilderung so vorstellen, als dass jede einzelne, klitzekleine Zelle entmüllt, repariert, regeneriert und recycelt wird. Die Zelle verspeist sich quasi selbst. Für diesen Wiederverwendungsprozess dienen ausrangierte Eiweiße. Sie werden in die einzelnen Aminosäuren zerlegt und stehen dem Körper dann beispielsweise für den Aufbau von Antikörpern und Hormonen sowie Muskelmasse zur Verfügung. Das Fasten dient also der Zellregenerierung und aktiviert die Selbstheilungskräfte. Dem Körper wird die übliche Verdauungsarbeit – meist über Nacht – abgenommen, sodass er sich auf andere Prozesse im Körper konzentrieren kann. So wird auch das Immunsystem nachhaltig gestärkt“, schildert Carina Szauer den Mechanismus des Fastens.

Booster fürs Immunsystem

Beim zellinternen Reinigungsvorgang während des Intervallfastens werden also nicht nur die körpereigenen Schutzschilde gestärkt, sondern er kann sogar direkt auf Krankheitskeime Einfluss nehmen. „Völlig neu ist die Erkenntnis der Forschung, dass der Autophagie-Prozess auch in der Lage ist, Viren bei der Zellreinigung zu erkennen und dann zu entsorgen, also abzutöten“, feiern die Wissenschafter in ihren Berichten. Ab zwölf Stunden Fasten trete dieser Prozess in Gang, je länger das Fastenfenster anhält, desto intensiver würden die Zellen gereinigt. Naheliegend sei dann auch, dass man seine regelmässigen Mahlzeiten dann bewusst und gesund auswähle, um die Versorgung mit allen Mikro- und Makronährstoffen sicherzustellen.

Frage der Disziplin

„Die Disziplin ist natürlich gerade zu Beginn die große Herausforderung. Man muss in den neuen Rhythmus hinein finden und diesen dann auch am Wochenende beibehalten. Aber man kann die Fastenstunden auch am Wochenende anders verteilen, sodass man das ausgiebige Sonntags-Mittagessen mit der Familie nicht sausen lassen muss, dafür dann aber auf das Abendessen verzichtet“, beschreibt Szauer.

Digitale Hilfsmittel

Damit man dabei nicht durcheinander kommt, gibt es Abhilfe. Denn auch im Bereich der Ernährung gibt es bereits unzählige Smartphone-Apps, die uns hilfestellend zur Seite stehen. „Ich fand eine App sehr gut zur Unterstützung, die mir die Stunden automatisch verteilt hat, je nachdem wie mein Tag gestaltet oder wir zum Essen eingeladen waren. Das gab mir kein Gefühl von einer Diät, sondern dass ich Essen kann, was ich möchte, einfach nur zu anderen Uhrzeiten“, nutzt Carina Szauer das digitale Protokoll. Wer nicht täglich zur gleichen Uhrzeit fastet und isst, sei mit einer App gut beraten.


Fabian Altreuther
(Mediziner, Gesundheitsökonom und Ernährungsexperte, -coach)

 

Intervallfasten! Das sagt der Experte Fabian Altreuther

Was sind die wesentlichen Vorteile des Intervallfastens?
Intervallfasten führt dazu, dass dein Körper sich an eine reduzierte Kalorienzufuhr gewöhnt, sodass es dir langfristig leichter fallen kann, ein Kaloriendefizit einzuhalten. Dabei werden auch Heißhungerattacken weniger. Es stellt sich nach kurzer Zeit eine Routine ein, du kannst deine Mahlzeiten vorausplanen, entsprechend schafft das Intervallfasten Verlässlichkeit und Planbarkeit. Außerdem freust du dich umso mehr auf deine Mahlzeiten, wenn du hungrig bist und kannst sie dann richtig genießen!

Welche Rolle spielt Intervallfasten/die Autophagie in der Stärkung des Immunsystems?
Fasten stimuliert die sogenannte Autophagie, die Selbstreinigung der Zellen. Der zeitweise Verzicht auf Nahrung schafft dem Körper also eine Ruhepause vom Energiestoffwechsel. In Studien zeigte sich außerdem eine positive Wirkung auf den Abbau von Leberfett. In diesen Leberfettzellen werden Botenstoffe gebildet, die die Insulinsensitivität der Körperzellen senken, sodass über den Abbau dieser u.a. das Diabetesrisiko gesenkt werden kann. Sichtbare positive Effekte des Intervallfastens auf das Immunsystems zeigen sich häufig nach kurzer Zeit an einer deutlichen Verbesserung des Hautbildes.

Für welche Menschen ist Intervallfasten geeignet?
Intervallfasten eignet sich insbesondere für diejenigen, die sich gerne an konkrete Vorgaben halten und ohnehin nur bestimmte Zeitfenster zum Essen haben. Darüber hinaus eignet sich die Methode für alle, die sowieso ganz gerne auf das Frühstück verzichten oder auch um ihr Sportprogramm herum planen wollen.

Wie finde ich die Methode, die zu mir passt?
Um herauszufinden, welche Methode am besten zu dir passt, solltest du die verschiedenen Modelle einfach mal ausprobieren. Denn letztlich funktioniert das, was für dich praktisch umsetzbar ist. Die 16:8 Methode ist für die meisten gut umsetzbar.

Aber ist das Frühstück nicht die wichtigste Mahlzeit des Tages?
Nein.

Wie kann ich eine Unterzuckerung vermeiden?
Sollte der Fastenzeitraum zu lang sein und es zur Unterzuckerung kommen, dann ist es empfehlenswert, den Fastenzeitraum entsprechend anzupassen und gegebenenfalls etwas zu verkürzen. Achte außerdem auf ausgewogene, sättigende Mahlzeiten, viel Gemüse und ausreichend Kohlenhydrate.

Ist Intervallfasten als langfristige Ernährungsform geeignet?
Auf jeden Fall! Sobald du eine Methode gefunden hast, die für dich funktioniert kannst du diese ein Leben lang beibehalten.


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