Reportage

Tomorrowland 2020 – beeindruckend trotz Corona

Das ganze Leben ist ein Soundtrack – so sieht es zumindest Laura Weingrill. Denn während sich die Welt dreht, hört sie Musik. Und wem die eigene Playlist mit der Zeit zu eintönig wird, dem verpasst sie hier jeden Monat eine neue Portion aufregender Sounds.

Foto © Laura Weingrill

In den letzten 15 Jahren gab es kein Festival in der magischen Welt der elektronischen Musik, das so prestigeträchtig und begehrt ist wie das in Belgien ansässige Tomorrowland. Jahr für Jahr ist das Festival innerhalb von Sekunden ausverkauft, was jährlich zu einer verzweifelten Jagd nach Tickets führt, um die fantastische Welt von Tomorrowland und seine mit den größten Stars bespicktes Lineup live zu erleben. Auch die diesjährige Ausgabe des Festivals hätte wieder eine geschichtsträchtige Feier sein sollen, aber dann kam Corona und wusch alle Pläne der Festivalorganisatoren dahin. Für eine Weile schien es, als wäre alle Hoffnung verloren und als würde 2020 das erste nach so vielen Jahren werden, ohne die obligatorische Feier von EDM, ohne Tomorrowland. Aber dann entschied sich das Festivalteam, die heutige Technologie für sich zu nutzen und das Festivals vollständig online zu veranstalten und das erste digitale Festival mit nicht ganz so digitalen DJs zu erschaffen.

Drei Monate lang arbeitete ein talentiertes Team von über 200 Mitarbeitern an der Realisierung dieser neuen Welt und ließ dabei nichts aus, das normalerweise das Herz eines jeden Festivalfans höher schlagen lässt. Angefangen von einem Food Court mit Kochvideos von DJs und Cocktaillernstunden, über eine voll ausgestattete Bibliothek mit einem Quiz über die vergangenen Festivalausgaben, bis hin zu insgesamt sieben magischen Bühnen und der wie gewohnt atemberaubenden Main Stage – wie immer war das Ziel der Organisatoren, Tomorrowland so atemberaubend wie möglich zu machen, egal ob online oder nicht.

Eine Mischung aus Videomaterial vergangener Festivalausgaben und exklusiv aufgezeichneten Live-Sets von DJs, eingebettet in eine aufregende Welt, die leicht auch für ein Computerspiel hätte sein können – so sah die prächtige Insel Pāpiliōnem aus. Für jede Stage wurden mehr als 750 virtuelle Kameras per Hand erschaffen, wobei jede Outdoor-Stage auf der Insel eine Fläche von 16 Quadratkilometern hatte, für die extra 32.000 Bäume und Pflanzen und mehr als 280.000 virtuelle Festivalbesucher mit ihren eigenen Fahnen und anderen typischen Festivalattributen geschaffen wurden. Darüber hinaus wurden die DJ-Performances durch Spezialeffekte, spektakuläre Feuerwerke, beeindruckende Lasershows und realistische Massen- und Soundeffekte ergänzt.

Für die DJ-Liveaufnahmen wurde die Sets vier Wochen vor dem Event in riesigen Green-Screen-Studios in Belgien, Los Angeles, Brasilien und Sydney aufgenommen. So wurde ganze Musikwelt wieder zu einer Einheit – ganz nach den COVID-19-Maßnahmen, aber ohne Grenzen oder Einschränkungen – begleitet von mehr als 60 der weltweit bekanntesten Künstler der elektronischen Tanzmusik, wie etwa David Guetta, Martin Garrix, Tiesto und Dimitri Vegas & Like Mike, die ihre neuesten Tracks auf einer der acht digital geschaffenen Bühnen für über eine Million Musikliebhaber und Festivalbesucher spielten. Eine lohnende Alternative für 2020, um den Fans einen Hauch des Festivals zu bieten, bei dem sie sich normalerweise wie zu Hause fühlen – das war „Tomorrowland Around The World“. Es mag sich zwar nicht ganz so angefühlt haben wie das ansonsten reale Festival, aber in Zeiten von Corona muss man eben kreativ werden, und das hat Tomorrowland 2020 zweifellos geschafft.


Laura Weingrill
Musikjournalistin Laura Weingrill stammt aus Bad Tatzmannsdorf und lebt derzeit in London.

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