Porträt

Diagnose „Landarzt“

Die Ordination in Grafenschachen ist (noch!) bis auf den letzten Platz gefüllt. Dr. Theodor Martin ist Allgemeinmediziner und zieht mittlerweile auch viele Patienten aus der weiteren Umgebung und der benachbarten Steiermark an. Hört man sich hier um, gilt er als hervorragender Diagnostiker. Noch dieses Jahr wird er seine Pension antreten und die Ordination einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin überlassen. prima! trifft den Hausarzt in einer so schwierigen Zeit, wie sie der erfahrene Mediziner in seinen 40 Jahren Berufspraxis noch nicht erlebt hat.

Foto: Nora Schleich

In die Textilbranche, wie sein Vater, wollte er nicht einsteigen. „Ich war ein fauler Schüler“, lacht er und erzählt ein bisschen schelmisch von seinen schlechten Noten im Maturazeugnis.

Später, bei einer Famulatur (medizinisches Praktikum) im Oberwarter Krankenhaus herrschte ein rauer Ton, dennoch war seine Begeisterung für die Medizin geweckt. „Anästhesie oder Neurologie hätten mich auch interessiert, aber ich habe bald gemerkt, dass mir der Kontakt zu den Menschen und die Gespräche fehlen.

Also bin ich Hausarzt geworden.“ Seit nunmehr 40 Jahren betreut er seine Patienten und genießt die Abwechslung. „Von Kleinkindern bis hin zu alten Menschen behandle ich alle gerne und habe mit den verschiedensten Symptomen und Krankheiten zu tun.“ Oft sind es auch keine medizinischen Ursachen, die der Hausarzt behandelt. „Das Zuhören ist ganz wichtig. Ich kenne meine Patienten, und oft reicht es nicht, ein Medikament zu verschreiben“, erzählt er aus seiner langjährigen Erfahrung.

Ärztemangel

Eine Zeit lang war die Tätigkeit als Landarzt wenig attraktiv. Dr. Martin fasst zusammen: „Ausbildungstechnisch hat man hier jahrzehntelang geschlampt. Facharztausbildungen waren attraktiver. Jetzt allerdings haben Hausärzte mit neuen Regelungen mehr Freizeit als früher, was den Beruf wieder reizvoller macht.“ Außerdem sieht er die vielen Fachärzte im Bezirk als angenehme und zeitgemäße Erscheinung. „So können wir differenzierter arbeiten. Als Hausarzt kann und sollte ich nicht alles machen!“, erklärt er.

In Grafenschachen wird es jedenfalls auch zukünftig einen Arzt oder eine Ärztin geben. „Ich warte diesbezüglich die Entscheidung der Kammer ab. Wichtig ist mir, dass es für meine Patienten kontinuierlich weitergeht.“ Ein sanfter Übergang würde die Menschen hier natürlich beruhigen.

„Medizinischer Unsinn, aber die Kinder stehen drauf!“

Auch die kleine bunte Dose am Schreibtisch beruhigt. Die gab es nämlich schon vor etwa vierzig Jahren, und so wie damals werden auch heute die Kleinsten mit Naps daraus belohnt, auch wenn das „medizinischer Unsinn“ ist, wie er sagt. Die Dose ist eine Konstante, die ebenso erleichternd wirkt wie die ausgeglichene Persönlichkeit des Arztes, die unaufgeregte Stimme und sein stets professionelles Vorgehen. Verändert hat sich allerdings die Gesellschaft.

„Die Menschen sind bewusster, aber auch ungeduldiger und teils hysterischer geworden. Stress ist ein Zeichen der Zeit“, resümiert der Arzt. „Mein Team fängt hier einiges ab, und dafür bin ich sehr dankbar. Auch die Tatsache, dass ich seit einiger Zeit eine Ärztin bei mir in der Praxis habe, ist wahnsinnig positiv. Ich kann meinen Kollegen nur anraten, ebenfalls junge Mediziner anzustellen. Nur so hinterfragt man sich auch wieder selbst.“

Oh, du lieber Augustin

In seiner Pension plant Dr. Martin viel Zeit mit der Familie, vor allem den Enkelkindern, zu verbringen. Auch Freunde, Sport und Reisen sollen in seinem Ruhestand Platz finden. „Und vielleicht werde ich noch ein bisschen arbeiten,“ ergänzt er. Früher musste sich der Arzt auf Grund seiner Arbeit einem rigiden Zeitmanagement unterwerfen. Familie, Freunde und Sport ordneten sich dem unter. Sein Beruf hat eben sein Leben und seinen Charakter geprägt.

„Natürlich versuche ich, gesund zu leben. Ich bin Sportler und achte auf meine Ernährung. Aber vor allem hat mir mein Beruf eine positive Lebenseinstellung beschert. Ich kann Menschen helfen, und das ist schön.“ Auch im Umgang mit dem aktuellen Corona-Virus hat ihn sein Beruf beeinflusst. Er hat grundsätzlich keine Angst vor Krankheiten, zeigt sich gelassen, aber vorsichtig. Sein Rat: „Hysterie ist hier fehl am Platz. Befolgen Sie mit Disziplin die Anregungen der Behörden, aber verlieren Sie ihre Lebensfreiheit und Freude nicht. Der liebe Augustin wäre hier gar kein so schlechtes Beispiel“, lächelt er. So weit ist der Vergleich mit der Pest zu Zeiten Augustins nicht hergeholt. Leider.


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