Proteste
Im Iran gehen Frauen und Minderheiten auf die Straße und protestieren für ihre Freiheit. Sie tun dies ohne Waffen. Frauen haben den Mut, das Kopftuch abzulegen, in dem Wissen, dass sie dafür getötet werden können. Sie werden vergewaltigt, gefoltert, zum Tode verurteilt. Ich habe in Oberwart eine Iranerin getroffen, die mir einen kleinen Einblick in ihr Leben gegeben hat. Das Original-Interview war umfassender, persönlicher und sehr emotional. Habibeh Babaei hat letztlich vieles davon zensiert. Angst ist die Fessel des Mutes. Und Habibeh hat Todesangst. Wenn sie in den Iran abgeschoben wird, wird sie sterben.
An diesem Tag, als ich Habibeh getroffen habe, sind in Wien einem als „prominent“ bezeichneten Unternehmer die Sicherungen durchgebrannt. Grund waren die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“, die in einer Protestaktion den Frühverkehr blockierten. Ich habe das Video drei Mal gesehen. Blinder Hass entstellt den Menschen. Am Ende des Tages konnte ich diese Entgleisung immer noch nicht einordnen. Kaum ein Thema hat den Kreislauf der Österreicher in den letzten Monaten so in die Höhe getrieben wie diese Jugendlichen, die durch ihre Klebeaktionen auf die Klimakatastrophe aufmerksam machen und die Politik wachrütteln wollen. Die Methoden sind umstritten. Sie haben jedenfalls dazu geführt, dass sich der Zorn der Gesellschaft gegen jene richtet, die den Finger in die Wunde legen und nicht gegen die Blockierer und Mitverantwortlichen.
Die ÖVP hat von 1987 bis 2020 alle Umweltminister*innen gestellt. Heute sind wir weit davon entfernt, unsere Klimaziele zu erreichen. Bei so viel Ignoranz wird sich nichts ändern – selbst wenn wir uns alle auf die Straße kleben.
Nicole Mühl