„Die Geburtenbilanz bleibt negativ “

Seit fünf Jahren ist die natürliche Bevölkerungsentwicklung in Österreich negativ: Es sterben mehr Menschen, als Kinder geboren werden. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau ist auch 2024 erneut gesunken und liegt auf einem neuen Tiefstand. Expert:innen sehen den Rückgang nicht als kurzfristige Entwicklung, sondern als langfristigen Trend.

Chiara PIELER / 29. April 2025

Die Geburtenbilanz in Österreich ist auf einem neuen Tiefstand. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt bei 1,31.

Eine aktuelle Auswertung der Statistik Austria zeigt: Die Zahl der Geburten ist im Jahr 2024 erneut leicht zurückgegangen, während die Zahl der Sterbefälle zwar ebenfalls gesunken ist, aber weniger stark. Damit ergibt sich wie in den Jahren zuvor eine negative Geburtenbilanz. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt nun bei 1,31 – so niedrig wie nie zuvor. „Die Geburtenbilanz bleibt negativ – und das voraussichtlich noch länger“, sagt Tomas Sobotka von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Die Entwicklung in Österreich ist kein Ausreißer, sondern Teil eines gesamteuropäischen Musters, das sich seit einigen Jahren abzeichnet.“

Regionale Unterschiede

In Wien wurden im Vorjahr deutlich mehr Kinder geboren als im Jahr zuvor – es ist das einzige Bundesland mit positivem Geburtensaldo. Anders sieht es in der Steiermark und im Burgenland aus: Beide Länder verzeichnen rückläufige Geburtenzahlen und vergleichsweise hohe Sterberaten. In der Steiermark sind 3.284 mehr Personen gestorben, als Kinder geboren wurden. Im Burgenland liegt diese Zahl bei 1.717 Personen. Tomas Sobotka erklärt diesen Unterschied mit dem unterschiedlichen Altersprofil und der Binnenmigration: Während Wien durch Zuzug aus dem In- und Ausland wächst, verlieren viele ländliche Regionen junge Menschen an urbane Zentren. „Nicht alle ländlichen Gebiete verlieren Bevölkerung – aber periphere Regionen mit geringeren wirtschaftlichen Perspektiven sind stärker betroffen“, so Sobotka.

Person sitzt in einer modernen Bibliothek, umgeben von Büchern und Pflanzen.
© Österreichische Akademie der Wissenschaften
Tomas Sobotka

Tomas Sobotka ist stellvertretender Leiter des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital, einem Forschungszentrum unter dem Dach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er gilt als ausgewiesener Experte für Geburtentrends und demografischen Wandel in Europa.

Stabile Entwicklung in Oberwart

Ein regionales Beispiel zeigt jedoch, dass die Entwicklung auch differenziert betrachtet werden kann. In der Klinik Oberwart wurden im Jahr 2024 insgesamt 631 Kinder geboren – ein leichter Anstieg gegenüber 2023 mit 615 Geburten. Auffällig war im Bezirk vor allem der starke Zuwachs zwischen 2020 und 2021, als die Geburtenzahl um rund 30 Prozent stieg. Seitdem zeigt sich eine kontinuierlich leichte Steigerung. Das Landeskrankenhaus Hartberg hat auf Anfrage von prima! keine aktuellen Geburtenzahlen zur Verfügung gestellt.

Warum immer weniger Kinder geboren werden

Die Gründe für den Rückgang der Geburten sind vielfältig. Viele Menschen verschieben die Familiengründung – sei es wegen längerer Ausbildungszeiten, unsicherer wirtschaftlicher Bedingungen oder geänderter Lebensentwürfe. „Viele junge Menschen sind zurückhaltender, was die Familiengründung betrifft – das hat auch mit gesellschaftlichen Erwartungen und Lebensstilen zu tun“, sagt Sobotka. Der Einstieg in die Elternschaft erfolgt heute deutlich später als noch vor wenigen Jahrzehnten. Auch die allgemeine Stimmung in der Gesellschaft spielt eine Rolle: Viele junge Menschen fühlen sich durch Klimakrise, internationale Konflikte oder politische Entwicklungen verunsichert – und überlegen deshalb länger, ob sie Kinder bekommen möchten.
Obwohl die Geburtenrate im Jahr 2024 nicht drastisch gesunken ist, ist keine Trendwende in Sicht. „Wir sehen derzeit eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, aber keinen Hinweis auf einen baldigen Anstieg der Geburtenzahlen“, so der Experte.

Migration als stabilisierender Faktor

Trotz der negativen Geburtenbilanz wächst die Bevölkerung in Österreich weiter – allerdings nicht aufgrund natürlicher Zuwächse, sondern ausschließlich durch Migration. „Österreich ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland – und Migration ist der Hauptgrund dafür, dass die Bevölkerungszahl weiter steigt“, erklärt Tomas Sobotka. Ohne die Zuwanderung würde Österreichs Bevölkerung mittelfristig schrumpfen. Die Migration gleicht nicht nur die natürliche Entwicklung aus, sondern führt in vielen Regionen sogar zu einem leichten Wachstum.

Tabelle zeigt Geburten, Sterbefälle und Veränderungen in Österreich 2024 für Burgenland und Steiermark.

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