„Nie wieder People Pleaser“

… das singt Content Creatorin Sandra Hesch in dem gleichnamigen Song beim Wohnzimmerkonzert im Reiters Supreme in Bad Tatzmannsdorf. prima! hat nachgefragt – was bedeutet der Begriff eigentlich, und warum betrifft er so viele Menschen? Warum fällt es uns oft schwer, Nein zu sagen und wie gelingt es, aus diesem Muster auszubrechen? Netzwerk Psychotherapie Steiermark-Geschäftsführer Dr. Erich Schenk und Sandra Hesch über Selbstbestimmung und den Mut, Nein zu sagen.

Chiara PIELER / 27. März 2025

Sandra Hesch ist eine österreichische Singer-Songwriterin, die durch ihre Social-Media-Präsenz bekannt wurde. Aktuell hat sie auf TikTok über 770.000 und auf Instagram mehr als 110.000 Follower:innen.

Der Zwang, es allen recht zu machen

Ein „People Pleaser“ ist jemand, der glaubt, immer die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen, um akzeptiert und gemocht zu werden. „Das Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit ist in unserer DNA verankert“, erklärt Psychotherapeut Dr. Erich Schenk. Bereits in der Steinzeit war es überlebenswichtig, Teil einer Gruppe zu sein. Wer ausgeschlossen wurde, war in Gefahr – eine Urangst, die uns bis heute beeinflusst. Sandra Hesch singt in ihrem Song „Ich mag mich mehr, wenn ich bei mir bin“. Sie habe sich oft verpflichtet gefühlt, Erwartungen zu erfüllen, erzählt die Content Creatorin. „Früher hätte ich nach einem komplett vollen Tag auch abends noch eine Verabredung reingeknallt, wenn mich eine Freundin spontan gefragt hätte. Heute achte ich darauf, mir aktiv Me-Time einzuplanen.“ Häufig entsteht dieses Muster bereits in der Kindheit. „Wenn Kinder nur dann Lob und Zuwendung bekommen, wenn sie alles richtig machen, lernen sie früh, dass ihr Wert von ihrer Leistung abhängt“, so Schenk. Wer sich als Kind ständig anpassen musste, um geliebt zu werden, neigt auch als Erwachsene:r dazu, eigene Bedürfnisse hintenanzustellen.

Psychische Folgen: Selbstwertprobleme und Burnout

Menschen, die es allen recht machen wollen, kämpfen oft mit einem geringen Selbstwertgefühl. „Wenn ich mir sicher bin, dass ich gut bin, so wie ich bin, dann muss ich mich nicht dauernd beweisen“, so Schenk. Doch genau das gelingt People Pleasern meist nicht. Sie setzen die Bedürfnisse anderer über die eigenen – bis sie an ihre Grenzen stoßen.

Die Folgen sind gravierend: „Das Risiko für Burnout und Depressionen ist hoch, weil das Konzept des ständigen Anpassens nicht immer funktioniert“, warnt der Experte. Manche werden ausgenutzt, andere bekommen trotz aller Bemühungen nicht die erhoffte Anerkennung. Beides kann zu großer Frustration und emotionaler Erschöpfung führen.

Wie lernt man, Nein zu sagen?

Wer es gewohnt ist, sich über die Zufriedenheit anderer zu definieren, tut sich schwer damit, Grenzen zu setzen. „Je früher dieses Verhalten begonnen hat, desto schwerer wird es, es wieder loszuwerden“, betont Schenk. Doch es gibt Wege aus dem Muster der People Pleaser.

Sandra Hesch hat für sich Strategien entwickelt: „Ich bin da definitiv noch kein Profi drin“, gibt sie lachend zu. „Aber ich habe mir erlaubt, Pläne zu ändern, wenn mir alles zu viel wird. Und ich versuche, klarer zu kommunizieren, wo meine Grenzen liegen.“ Anfangs sei ihr Umfeld überrascht gewesen, dass sie plötzlich bewusster absagte. Doch die Befürchtung, dass man ihr das übelnehmen könnte, habe sich nicht bestätigt. „Mein Learning war, dass meine engen Bindungen mich nicht nur für meine ständige Verfügbarkeit mögen.“

Schenk empfiehlt einen einfachen Test, um das eigene Verhalten zu reflektieren: „Wann haben Sie zuletzt jemandem einen Gefallen getan? Und wann haben Sie zuletzt selbst um einen Gefallen gebeten?“ Wer fast ausschließlich gibt, aber selten nimmt, sollte sein Verhalten überdenken.

Eine neue Haltung für mehr Selbstbestimmung

Ein gesundes Maß an Abgrenzung kann dabei helfen, langfristig stabile Beziehungen zu führen und Überforderung zu vermeiden. „Jeder Mensch ist wertvoll, so wie er ist“, betont Schenk. Oft sei es entscheidend, sich bewusst zu machen, dass Wertschätzung nicht von permanenter Verfügbarkeit abhängt. Wer seine eigenen Bedürfnisse ernst nimmt, gewinnt an Selbstsicherheit und erlebt weniger Stress. Auch Sandra Hesch will mit ihrem Song genau dieses Bewusstsein fördern: „Höflichkeit muss nicht in People Pleasing ausarten. Wir dürfen uns fragen: ‚Will ich das wirklich, oder fühle ich mich nur verpflichtet?‘ Ich hoffe, dass mein Song junge Menschen ermutigt, Grenzen zu setzen und sich ein Umfeld zu schaffen, das ihnen guttut.“

Informationen zur Psychotherapie

Das Netzwerk Psychotherapie Steiermark organisiert die kassenfinanzierte Psychotherapie in der Steiermark. Auf www.psychotherapie-steiermark.net können Patientinnen und Patienten nach Therapeut:innen suchen und sehen auch direkt freie Kassenplätze. 

Im Burgenland können Betroffene über die Website www.psychotherapeuten.at/burgenland Psychotherapeut:innen in der Umgebung suchen.

Erich C. Schenk
© zVg Dr. Erich Schenk
Dr. Erich C. Schenk


Dr. Erich Schenk ist Psychotherapeut und Geschäftsführer des Netzwerk Psychotherapie Steiermark. Seine Expertise liegt in der Begleitung von Menschen in herausfordernden Lebenssituationen sowie in der Förderung psychischer Gesundheit.

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