Editorial

Was bleibt

Der November war nie mein Lieblingsmonat. Zu kalt, zu melancholisch und die Konfrontation mit der Endlichkeit brauchte erst eine gewisse Tiefe, durch die ich im Leben gehen musste, um sich ihr zu stellen. Irgendwo hab ich dann gelesen, dass der November eintritt, ohne anzuklopfen, sich zu uns an den Tisch setzt und uns einen Blick schenkt, der tiefer geht, als wir es manchmal aushalten möchten. Er spricht leise, aber unmissverständlich. Er ist der Monat, der uns nicht nach außen, sondern nach innen führt. Zu den Fragen, die wir in der sommerlichen Leichtigkeit gerne wegschieben. 

Heute schätze ich den November, weil er irgendwie eine Art Zusammenfassung des bisherigen Lebens ist, denn er bringt Antworten zum Vorschein, die erst dann auftauchen, wenn es ruhig wird. Und vielleicht ist er dadurch auch der ehrlichste Monat von allen. 

Die Zeitrechnung im November ist eine andere: Menschen, die uns als Jugendliche begleitet haben, beginnen nach und nach zu verschwinden. Und irgendwie fühlt es sich an, als hätte die Zeit eine heimliche Abkürzung genommen, während man selbst dachte, wir alle liefen noch auf der alten, gewohnten Route. 

Was bleibt also? Sicherlich sind es die Spuren, die wir im Leben anderer hinterlassen. Ich kenne Menschen, die in Wohlstand leben und für eine streunende Katze nicht einmal einen Sack Futter kaufen würden. 

Es gibt solche, die sich mit vollen Einkaufstaschen über den Augustin-Zeitungsverkäufer vor dem Supermarkt beschweren, während andere einer geflüchteten Familie eine Wohnung zur Verfügung stellen. Wessen Leben, glauben Sie, leuchtet am Ende wohl weiter?

Ich wünsche Ihnen einen November voller ehrlicher Begegnungen und Momente, in denen Sie spüren, dass Ihr Leben durch Ihr Handeln – bereits jetzt – wirkt. 

Nicole Mühl

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