Lebenswert

Das Zentrum der Lust

Es ist das weibliche Sexualorgan schlechthin, und trotzdem wissen viele so wenig darüber: die Klitoris. Sie ist weitestgehend unsichtbar und wird auf einen Knopf reduziert. Dabei ist sie viel mehr und kann viel mehr! Aber es gibt immer noch Fragen: Wie groß ist sie? Was kann sie oder was mag sie? Und ist sie alleine für einen Orgasmus zuständig?

Foto: shutterstock 1328374670

Sophia Wallace ist Fotografin und Künstlerin aus New York und möchte mit ihrem Projekt „Cliteracy“ die Welt über die Klitoris aufklären. Denn eine Welt, in der Frauen die absolute sexuelle Erfüllung vorenthalten wird, kann keine gerechte sein, meint sie. „Die Klitoris ist kein Knopf, sie ist ein Eisberg“, lautet ihre Botschaft.

Und da hat sie auch recht! Die Ursprungsfrage ist: Wie ist es möglich, dass das sexuelle Organ für Frauen in der Welt nicht richtig wahrgenommen wird?

Die Antwort: Weil die Klitoris eben großteils unsichtbar ist. Doch jede Frau sollte wissen, wie sie zu einer lust- und freudvollen Sexualität kommt.

Die meisten Frauen reiben bei der Selbstbefriedigung mechanisch ihren Kitzler bzw. die Perle und kommen so ziemlich schnell zum Orgasmus (oder auch nicht, denn manchmal funktioniert diese Mechanik nicht). Auch Mann meint, nur diesen Knopf drücken zu müssen, und die Frau soll abgehen wie eine Rakete. Aber auch das spielt es nicht immer.

So sieht‘s aus

Die Klitoris bildet zusammen mit der Öffnung der Harnröhre (Urethra), dem Vorhof der Scheide (Vagina) und den großen und kleinen Lustlippen (oder Labien, Scheidenlippen…von Scham muss keine Rede mehr sein) die Vulva. Sie weist eine Größe von etwa neun Zentimeter auf. Jede Frau ist einzigartig in ihrem Aussehen.

Die Klitoris ist ein Schwellkörpergewebe des weiblichen Genitals. Sie besteht aus zwei Schenkeln, die sich unter den Scheidenlippen fortsetzen. Nur ein kleiner Teil, der Kitzler, wie die meisten ihn benennen, ist außen sichtbar. Dieser ist der empfindlichste Teil dieses Organs. Bei Erregung kann er schon bis zu einem Zentimeter anwachsen. Die gesamte Klitoris spielt für die sexuelle Erregung und den Orgasmus der Frau eine wichtige Rolle. Die Klitoris besitzt circa 8.000 Nerven und Sinneszellen. Wobei aber meistens eben nur der Kitzler bedient wird. Die meisten wenden die Technik des mechanischen Reibens an. Dieser Punkt oder noch etwa drei Millimeter links daneben sind zentrale Lust-Punkte.

Die gesamte Klitoris ist stark mit Nervenendungen ausgestattet. Das ganze System ist besonders berührungsempfindlich und empfänglich für sexuelle Reize. Durch Stimulation der Klitoris gelangen die meisten Frauen zum Orgasmus.

Selten werden die gesamten Sinnesreize ausgekostet und genossen. Aber mit ein bisschen Bewegung und einer bewussten tiefen Atmung lässt sich erkunden, welche Töne man dem wunderschönen Körperinstrument entlocken kann.

Klitoraler oder vaginaler Orgasmus?

Die Unterscheidung eines vaginalen und eines klitoralen Orgasmus stammt von Freud und ist durch die bekannten Sexualwissenschafter Masters und Johnson widerlegt worden.

Heute geht man davon aus, klitoral oder vaginal ist nicht zu trennen. Die Klitoris wird beim Geschlechtsverkehr immer mitstimuliert, denn sie beschränkt sich ja nicht nur auf ihren Kopf, sondern hat Schenkel und Schwellkörper, die die Scheide umfließen. Durch den Penis in der Scheide wird das Gewebe um die Harnröhre und um die Klitoris mitbewegt – sie sind verbunden, wodurch die Erregung unterstützt wird. Auch die Gebärmutter ist mit eingebunden. Sie sehen, was für ein komplexes Geschehen der Orgasmus der Frau ist!

Jede stimuliert anders

Deswegen wird er auch unterschiedlich erlebt, je nachdem, ob der Orgasmus eher durch Klitoris-Stimulation oder eher durch Stimulation innerhalb der Scheide erreicht wird. Das hat nicht nur mit den unterschiedlichen Nervenrezeptoren, sondern auch mit der Erregungstechnik zu tun: Frauen, die sich durch gezieltes Reiben oder durch Drücken am Klitoriskopf erregen, tun das meistens in einer stillgehaltenen, eher angespannten Körperhaltung. Durch die hohe Muskelspannung wird der Körper nicht so gut durchblutet, und die Frau spürt weniger.
Frauen, die ihre Scheide stimulieren, bewegen sich oft rhythmisch viel mehr. Dadurch wird der ganze Körper mehr durchblutet und sie spürt auch mehr. Auch die Atmung geht tiefer. Diese Frauen beschreiben den Orgasmus als Ganzkörpererlebnis, während Frauen, die die Klitoris gezielt stimulieren, den Orgasmus auch ganz gezielt nur dort spüren.  Frauen, die Klitoris und Scheide zusammen stimulieren, beschreiben ihre Orgasmen als besonders umfassend und intensiv.

Egal, ob klitoral oder vaginal oder beides gemeinsam. Es soll lustvoll sein. Der Schlüssel zum Genuss beginnt mit der Wahrnehmung der eigenen Körperlichkeit und der eigenen Weiblichkeit. Jede Berührung bringt Sie sich selber ein Stück näher.

Mehr zu Sophia Wallace und ihrem Projekt CLITERACY: www.i-d.vice.com

beratung@silviamessenlehner.at
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Silvia Messenlehner
ist Psychologische Beraterin und Sexologin. In ihrer Praxis arbeitet sie auf zwei Komponenten. Zum einen im psychologischen Bereich und zum anderen als Sexologin. Somit kann sie ihre Klienten ganzheitlich beraten und begleiten. Silvia Messenlehner arbeitet mit psychisch gesunden Menschen, die sich in einer Lebenssituation befinden, in der sie professionelle Beratung und Unterstützung brauchen.

Ihre Kolumne erscheint monatlich in der Printausgabe von prima! Magazin.

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2 Antworten

  1. Meine Frage: Ist die Berührung des Hahnröhrenausgang bei Frauen unangenehm? Beim Petting komme ich automatisch über das Streicheln der Vagina und des Kitzlers an die Hahnröhre, dann zuckt meine Frau immer weg und oft ist meine Lust dann vorbei. Ich verstehe das nicht und habe ihr gesagt, dass sie mal ihren Gynäkologen fragen soll bzw. soll er mal schauen, ob die Hahnröre entzündet ist. Danke für die Antwort im voraus.