Lebenswert

Wer zahlt?

Keiner redet gerne darüber. Vor allem in Paarbeziehungen ist es ein Tabu. Doch irgendwann wird es zu einem Problem, das sich in den unterschiedlichsten Verhaltensweisen zeigt. Reden wir über die Liebe – und das liebe Geld.

Foto: Shutterstock / Andrii Yalanskyi

Paar Nr. 1: Erika und Gernot sind seit zwei Jahren ein Paar. Für sie war es klar – und unausgesprochen – dass er beim gemeinsamen Ausgehen die Kosten übernimmt. Immerhin verdient er mehr als sie. Das hat auch gut funktioniert. Aber dann war Gernot immer öfter bei ihr daheim. Sie bezahlte die Rechnungen, kaufte Lebensmittel ein und kam für das auf, was sie so im Alltag benötigten. Als er bei ihr einziehen wollte, war sie verzweifelt. Sie hatte Angst davor, auch weiterhin alles finanzieren zu müssen. Auch jetzt schaffte sie es nicht, mit ihm über Geld zu reden. Sie erwartete, dass er den ersten Schritt setzte. Aber da kam nichts. Bei Erika entstand eine Ablehnung. Sie zog sich zurück und an ein Zusammenziehen war von ihrer Seite aus nicht mehr zu denken. Gernot war für sie unattraktiv geworden. Sie überlegte sogar, die Beziehung zu beenden.

Paar 2: Bei Christa und Gerald ging es schneller. Bereits beim ersten gemeinsamen romantischen Abendessen dachte Gerald gar nicht daran, die Rechnung zu übernehmen, sondern ließ die Summe teilen. Der romantische Abend endete mit einer herben Enttäuschung, da Christa andere Vorstellungen hatte.

Paar 3: Sandra verdiente um einiges mehr als ihr Mann Sven und übernahm auch viel Alltagsverantwortung. Ihn störte das nicht. Aber sie hatte damit ihre Probleme und wurde immer lustloser. Sie fand ihn einfach nicht mehr begehrenswert.

Rollenbilder

Das Problem in vielen Beziehungen ist die Divergenz zwischen einem alten Rollenbild (der Mann zahlt, die Frau kümmert sich um den Haushalt), das uns geprägt hat und einem völlig neuen Verständnis von weiblicher Unabhängigkeit und Gleichstellung gegenüber dem Mann.

Ein klares, offenes Gespräch darüber, wer wann was zahlt und was man sich vom Partner bzw. der Partnerin wünscht, ist deshalb dringend notwendig. Nur so lässt sich die Schere zwischen „Vom-alten-Schlag-sein“ und Emanzipation bewältigen.

Lösungen

Kehren wir zurück zu unserem ersten Paar Erika und Gernot. Es wird wohl an Erika liegen, anzusprechen, wie sie in Zukunft die gemeinsamen Fixkosten aufteilen werden und wie sie grundsätzlich mit dem Thema Geld umgehen möchten – immer unter Berücksichtigung, wer mehr verdient. Ein gemeinsames Haushaltskonto ist generell eine gute Lösung. Jeder zahlt den Betrag ein, der in Relation zu seinem Gehalt steht. Und dennoch behält jeder seine Autonomie mit einem eigenen Konto.

Und unser zweites Paar, Christa und Gerald? Gerade beim ersten Rendezvous geht es darum, den anderen zu verführen und zu erobern. Wenn Gerald Christa um eine Verabredung bittet, dann geht sie davon aus, dass es sich um eine Einladung handelt. In einer solchen Situation zu knausern, gleicht einer Antiverführung. Kein Wunder, dass ihr die Lust auf Sex vergeht. Natürlich gibt es auch Frauen, die sich nicht gerne einladen lassen, aber die meisten, die in meiner Praxis über dieses Thema reden, fühlen sich geschmeichelt, wenn sie gerade beim ersten Date eingeladen werden. Es ist ein Teil der Eroberungskultur.

Unserem dritten Pärchen Sven und Sandra ist zu raten, dass sie die finanzielle Situation einmal genau unter die Lupe nehmen. Natürlich wird Sandra im gemeinsamen Haushalt mehr bezahlen, da sie ja auch mehr verdient. Und an dieser Stelle sei gesagt, dass es ein ungemeiner Fortschritt ist, wenn Frauen endlich genauso viel oder mehr verdienen wie Männer. Das ist leider trotz gleicher Arbeitsleistung immer noch eine Seltenheit. Ändert sich das gängige Bild, ruft das oftmals Irriationen hervor. In diesem Fall sollten Sandra und Sven gemeinsam herausfinden, welche Dinge Sven im Alltag übernehmen kann, um die Schieflage, die Sandra empfindet, auszugleichen.

Sie sehen, die Auseinandersetzung mit den gemeinsamen Finanzen ist für eine stabile Beziehung unumgänglich – sonst entwickelt sich die Frage, wer welche Kosten für das gemeinsame Leben deckt, schnell zu einem empfindlichen Reibungspunkt. Reden Sie über die Finanzen. Klarheit vereinfacht das Leben um ein Vielfaches.

www.silviamessenlehner.at


Silvia Messenlehner
Klinische Sexologin und Sexualtherapeutin

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