Reportage

Ein lauter Beitrag zur Kultur – Teil 2

Mit dem Jugendhaus wurde in Oberwart in den 1980er-Jahren die Basis für eine kulturelle Bewegung gelegt, die sich später als OHO – Offenes Haus Oberwart – zu einer der bedeutendsten zeitgenössischen Kulturinitiativen in Österreich entwickelte.

Foto: Elke Ifkovits

Das OHO heute.

 

„Ohne Kunst und Kultur wird’s still“, ist die Antwort aus der Bevölkerung auf die von der Regierung wegen Corona untersagten Kulturveranstaltungen. Das OHO in Oberwart hat darauf reagiert und mit Live-Streams geantwortet. Produktionen der vergangen Jahre sind in der Mediathek zugänglich. Und einer der wichtigsten schöpferisch Tätigen des Hauses und Landes, Peter Wagner, hat erst kürzlich mit dem Live Stream „Schatten der Leere. Das Eros Kadaver Distanz Konzert“ gezeigt, dass das OHO der Stille in der Kulturszene sehr wohl mit lauten, künstlerischen Akzenten entgegenwirkt.

Zur Geschichte – Teil 2

In den Jahren 1978/79 entstand in Europa eine neue autonome Jugendbewegung, die viel Aufmerksamkeit – unter anderem durch Hausbesetzungen in Berlin – erregte. In diesem Kontext betrachtet, keimten auch in Oberwart Gedanken über einen Treffpunkt für Jugendliche auf, um der zunehmend wahrnehmbaren Drogenproblematik entgegenzuwirken.

Die ersten Gespräche über das Jugendhaus Oberwart fanden im Frühjahr 1980 zwischen der Oberwarter Schuldirektorin Evelyn Messner sowie Peter Wagner und Dr. Ferdinand Mühlgassner statt. Geburtshelfer des Vereins, der entstehen sollte, war sicherlich auch eine Aktionsgruppe namens „Oawaschlschluifer“, die unter dem Titel „Ausnahmsweise Oberwart“ ein Symposium zum Thema Jugendhaus veranstaltete. Dabei wurden auch sehr kritische Themen behandelt wie beispielsweise die Denkmalatrappe im Park, die an die in den Konzentrationslagern ermordeten Roma erinnerte. Dieses Denkmal wurde bereits in der Nacht, nachdem es aufgestellt wurde, mit weißer Farbe übergossen.
Nach diesen Diskussionsveranstaltungen erfolgte am 29. Juni 1980 die Gründung des politisch unabhängigen Vereines „Jugendhaus Oberwart“, der ab November im Genossenschaftssaal in der Lisztgasse 12 seinen Sitz hatte. Grundsätzlich wollte man hier den Jugendlichen von Oberwart und Umgebung eine sinnvolle Alternative zum stundenlangen Herumsitzen im Park oder vor den Fernsehern bieten und dem übermäßigem Alkoholkonsum in diversen Lokalen entgegenwirken. Doch der Verein war viel mehr. Das Jugendhaus war eine Wirkstätte, die sich kritisch mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzte. Der erste Obmann war Arno Truger.

Ein positiver Nährboden

Schon im ersten Jahr zeigte sich, dass im Jugendhaus viele kreative junge Menschen zusammenfanden. Musikgruppen wurden gegründet und Künstler wie der damals noch junge Peter Wagner oder Thomas Barabas traten auf. Das Jugendhaus lud nach einem Jahr zur Rechenschaft, Diskussion und Information ein. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Schulen und viele interessierte Oberwarter kamen zu dieser Veranstaltung. Man war sich einig, dass der Verein auf die Jugendlichen in allen Bereichen eine sehr positive Wirkung hatte. Der damalige Landeshauptmann-Stv. Franz Sauerzopf meinte: „Es wäre ein Risiko gewesen, das Risiko nicht einzugehen, nämlich das Jugendhaus nicht zu errichten.“ Auch die Vertreter der Gemeinde Oberwart sowie der damalige Landesrat Gerald Mader sprachen sich ausdrücklich für den Fortbestand des Jugendhauses aus. Umso mehr überraschte es, dass ab der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre die finanziellen Unterstützungen ausblieben. Außerdem gab es massive Missverständnisse mit der Elterngeneration. Ungerechtfertigt hatte das Haus den Ruf einer „Haschbude“. Dabei wurde an die Gäste des Hauses weder Alkohol ausgeschenkt noch gab es Vorfälle bezüglich Rauschgiftkonsums im Jugendhaus. Doch dem schlechten Image war nicht mehr entgegenzuwirken. Ende 1987 wurden die Förderungen eingestellt. Damit stand das Jugendhaus Oberwart vor dem Ende.

Das OHO

Der damalige Arbeitsmarktbetreuer Horst Horvath (er war Mitbegründer des „Unabhängigen Antifa-Komitees Burgenland“) schrieb am 11.11.1987 am Weg von der UdSSR nach Wien an den Jugendhaus Vorstand, „dass wir uns unser Jugendhaus nicht wegnehmen, wegsanieren, wegsparen lassen dürfen.“ In diesem Schreiben legte er ein Konzept für das neue Jugendhaus, das OHO, vor.

Gemeinsam mit Peter Wagner, Wolfgang Horwath und anderen erfolgte im Juni 1989 die Umbenennung in „OHO Offenes Haus Oberwart“.

Im Rahmen eines AMS-Kurses 1987, einem Projekt für Langzeitarbeitslose, wurde das Haus renoviert, die Fassade erneuert, eine Kaffeegalerie errichtet uvm. Peter Wagner schrieb und inszenierte Stücke für das OHO und dieses etablierte sich immer mehr zu einem Haus qualitativ anspruchsvoller zeitgenössischer Kunst und Kultur mit einem Schwerpunkt auf Eigenproduktionen.

Das OHO zeigt Haltung

In der Nacht von 4. auf den 5. Feber 1995 wurden in Oberwart vier Angehörige der Roma durch eine Rohrbombe ermordet. Im OHO wurde gerade das Rechnitzstück „März. Der 24.“ von Peter Wagner geplant. Um die Trauer und das Entsetzen über den Mord zum Ausdruck zu bringen, setzten der OHO-Vorstand und Geschäftsführer Horst Horvath sofort Symbolakte. So wurde ein schwarzer Theatervorhang zerrissen, um die Ortstafeln von Oberwart mit Trauerflor zu behängen.

Auch die Trauerflagge vor dem Rathaus Oberwart wurde auf Initiative vom OHO gehisst. Die Stadtgemeinde hätte auf diesen Akt der Trauerbekundung vergessen, da keiner der politisch Verantwortlichen erreicht werden konnte oder aktiv wurde. Es war dem Drängen des OHO Vorstandes zu verdanken, dass die Bilder, die dann um die Welt gingen, ein Oberwart zeigten, das auch durch den offiziellen Akt der Trauerfahne vor dem Rathaus den Terrorakt verurteilte. Doch nicht nur dadurch bekräftigte das OHO seine Legitimation als kritisch wachsame Instanz. Denn in dem multikulturellen Oberwart war es das OHO – der Ort, wo das rassistische Attentat gesellschaftspolitisch und künstlerisch aufgearbeitet wurde.

Ein neues Haus

Immer noch erinnerte das OHO an den alten Genossenschaftssaal. Damit war 1997 Schluss, denn ein großer Teil des Gebäudes wurde im Zuge eines imposanten Zu- und Umbaus abgerissen. Es entstand das OHO, wie wir es heute kennen. Seit 2004 ist Alfred Masal Geschäftsführer des Hauses. In seiner 17-jährigen Tätigkeit hat er auch die Tiefen des Hauses miterlebt. Gemeinsam mit der damaligen Obfrau Eveline Rabold hat er 2004 das OHO vor dem drohenden Konkurs bewahrt.

Heute ist das Offene Haus Oberwart eine der bedeutendsten Kunst- und Kulturstätten in Österreich. Gekrönt wurde seine Leistung durch die Verleihung des Österreichischen Staatspreises 2013 für zeitgenössische Kunst. 2014 folgte der Bank Austria Kunstpreis für das Projekt „Wächter über Oberwart“ – der höchst dotierte Kunstpreis Österreichs.
Zahlreiche nationale und internationale Kulturschaffende, Expertengruppen und Mitwirkende zeichnen für 70-85 Veranstaltungen und diversen Projekten des OHO pro Jahr – mit einem Schwerpunkt auf Eigenproduktionen – verantwortlich. Das Haus hebt das Ansehen der Stadt Oberwart als Kulturstadt. Doch dieser Anspruch allein wäre zu wenig. Das OHO ist ein Gesamtkunstwerk mit dramaturgischen Eigenproduktionen im Bereich Tanz, Hörspiel Film, Ausstellungen, Lesungen und Theatereigenproduktionen – bekannt dafür, in der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen die Wachsamkeit des Publikums hervorzukitzeln. Ohne OHO wäre es tatsächlich sehr still – in Oberwart, im Burgenland und über viele Grenzen hinaus.

Infos:
www.oho.at
www.peterwagner.at
www.lexliszt12.at


1987 wurde das Jugendhaus zum OHO umbenannt und im Zuge eines AMS-Projektes renoviert.

1997 erfolgte der große Zu- und Umbau

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