Reportage

Höhen und Tiefen eines Schlosses

Die Geschichten sind bücherfüllend, wenn Heinz Schinner, der heutige Besitzer von Schloss Rotenturm, zu erzählen beginnt. Seit über zehn Jahren ist er Schlossherr. Das hätte er sich selbst niemals träumen lassen, wie er meint. Doch das Schloss hat ihn verzaubert – und ohne ihn würde es dieses wahrscheinlich gar nicht mehr geben.

Foto: zVg

Das Schloss Rotenturm nach der Renovierung durch Heinz Schinner.

 

 

Was wurde nicht alles spekuliert über das Schloss Rotenturm. Jahrelang war es dem Verfall preisgegeben. Um einen Euro wäre es zu haben gewesen – natürlich mit der Auflage, es zu renovieren. Aber diese Geschichte soll an dieser Stelle nicht erzählt werden. Wir werfen einen Blick zurück in die Anfänge des Schlosses, das einst von den Erdödys als repräsentativer Herrschaftssitz errichtet wurde. 1857 wurde der Architekt Philipp Schmidt mit den Bauplänen beauftragt. Das bestehende Kastell, das später als Gesindehaus diente und der Schlosspark sollten mitintegriert werden.

erwirklicht wurden diese Pläne allerdings nicht, da Graf Georg Erdödy starb und sein Sohn Stefan, Erbe des Schlosses, im Jahr 1860 den berühmten Budapester Architekten Anton Weber beauftragte, ein repräsentatives Schloss zu planen.Im April 1862 begannen die Arbeiten, im Frühling 1866 war das Schloss Rotenturm fertiggestellt. Diese adelige Großvilla ist in byzantinisch-maurischem Stil gehalten, zu dem noch romanische, gotische und renaissanceartige Architekturelemente dazukamen. Auffallend ist der wuchtige dreigeschoßige Baublock, der durch eine außergewöhnlich vielfältige Fassadendekoration fast schwerelos erscheint An der östlichen Seite befindet sich der quadratische (8,5 x 8,5 Meter), massive, rote Eckturm mit einer Zinnengalerie. Er ist etwa 36 Meter hoch und ist weit im Pinkatal zu sehen. Dieser rote Schlossturm ist so charakteristisch, dass er die Silhouette des ebenfalls ziegelrot gefärbten Schlosses beherrscht.

Insgesamt hatte das Schloss etwa 70 Räume. Im 1. Stockwerk des Turmes war auch in einem eigens dazu bestimmten, feuersicheren Saal das Geheimarchiv der Familie Erdödy verwahrt. Trotz großer Vorkehrungen und Sorgfalt wurde dieses Archiv durch den Großbrand im Jahr 1924 völlig vernichtet.

Unter Graf Stefan erlebte das Geschlecht Erdödy seinen wirtschaftlichen Höhepunkt. Er war unter anderem ein großer Förderer der Bahnstrecke Steinamanger-Pinkafeld, war maßgeblich an der Errichtung der Synagoge in Oberwart beteiligt, und durch seine finanzielle Unterstützung konnte das Alte Krankenhaus in Oberwart gebaut werden.

Der langsame Verfall

Noch zu Lebzeiten seines Vaters übernahm Julius Erdödy (1845-1917) das Herrschaftsgut Rotenturm. Aus der Ehe mit seiner wesentlich jüngeren Nichte Gräfin Emilie Széchenyi von Sávár-Felsövidek entstammen die Söhne Thomas und Ludwig. Letzterer übernahm 1917 das Schloss Rotenturm. Ludwig war jedoch nicht mit Gesundheit gesegnet, und er war ein Trinker. Der Abstieg des Herrschergeschlechts Erdödy war besiegelt. Zwei Jahre nach dem fürchterlichen Brand im Schloss (1924), bei dem das Archiv und der Dachstuhl völlig vernichtet wurden, starb Ludwig. Er war der letzte Erdödy, dem das Schloss gehörte. Seit 1928 steht es unter Denkmalschutz. 1932 folgte der Park.

Im zweiten Weltkrieg trat als Eigentümer Gau Steiermark auf. Die Nazis wollten hier eine Ausbildungsstätte für Agrartechniker errichten. Dazu kam es aber nicht mehr. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Schloss von den Sowjettruppen besetzt. Ab 1951 war das Land Burgenland öffentlicher Verwalter des Schlosses. Es galt als „nicht erhaltungswürdig“ und 1954 kam es sogar zu einem Abbruchbescheid, der zum Glück nie ausgeführt wurde.

1972 war das Kastell, das unter den Erdödys als „Gesindehaus“ fungierte, nicht mehr zu renovieren und wurde abgetragen. In das Schloss selbst investierte das Land im Jahr 1977 etwa 1,9 Millionen Schilling (rund 138.000 Euro). Dabei wurden unter anderem die Fenster vermauert, um das Gebäude besser vor Witterung und Vandalismus zu schützen.

Jahrzehntelang wurde ein neuer Eigentümer gesucht, der das Schloss vor dem völligen Verfall rettet. Neben skurrilen Interessenten wie einem Filmstudio, einem falschen Grafen oder etwa einem arabischen Scheich hatte auch das Land Pläne und wollte eine Bundessportschule hier errichten. Realisiert wurde davon nichts. Erst im Jahr 2008 trat ein gewisser Heinz Schinner auf die Bildfläche, und mit ihm änderte sich das Schicksal des Märchenschlosses. Mehr dazu in unserer Oktober 2019 Ausgabe.


Das Schloss Rotenturm vor der Renovierung.

Das Schloss Rotenturm nach der Renovierung durch Heinz Schinner.

Balkon vorher

Balkon nachher

Stuckdecke vorher

Stuckdecke nachher

Fasadeneck vorher

Fasadeneck nachher

Fassadenfenster vorher

Fassadenfenster nachher

sala-terrena vorher

sala-terrena nachher

sala-terrena-tuer-nord vorher

sala-terrena-tuer-nord nachher

Kapelleneingang vorher

Kapelleneingang nachher

Kapellentür vorher

Kapellentür nachher

Schloss Nordseite vorher

Schloss Nordseite nachher

Schloss Ostseite vorher

Schloss Ostseite nachher

Stiege vorher

Stiege nachher

Turm vorher

Turm nachher

Vestibuel vorher

Vestibuel nachher

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3 Antworten

  1. Eines der schönsten Schlösser in meiner Heimat, hatten die Ehre es besuchen zu dürfen und hatten ein sehr nettes Gespräch mit der Schlossherrin im Schlosspark. Danke dafür Constanze .. Einfach ein Traum..