Reportage

Vom Kino zur Kirche

Das Gloria Kino in Oberwart – einst war das Gebäude über Jahrzehnte Kultstätte des gesellschaftlichen Lebens in Oberwart. Heute ist hier die christliche Pfingstkirche Bethel beheimatet.

Es ist ein besonderes Ereignis für die rund 15 jungen Erwachsenen, die an diesem Tag die Taufe als Mitglieder der Pfingstkirche Bethel in Oberwart empfangen. Sie stehen in langen, weißen Gewändern im Altarraum und feiern den Gottesdienst. Danach werden sie im Untergeschoß des Gebäudes die Taufe erhalten und einzeln im Taufbecken untergetaucht. Diese Geste symbolisiert den Tod und die Auferstehung – wie auch bei anderen Christen. Die Taufe, die Mitglieder der Pfingstkirche Bethel ab dem 15. Lebensjahr empfangen dürfen, ist nicht das einzige Verbindende dieser Freien Kirche mit dem biblischen Glauben. Im Gegenteil. Die Bibel – das Alte und Neue Testament – bildet das Fundament ihres Lebens und im Wort Gottes sehen sie die Richtlinie ihrer Lebensführung.
Regelmäßige Versammlungen der Freien Christengemeinde-Pfingstgemeinde gab es im Bezirk Oberwart bereits in den 1960er-Jahren in Riedlingsdorf. Seit 2014 sind beide Glaubensgemeinschaften im ehemaligen Gebäude des Gloria Tonkinos beheimatet. Und dieses Gebäude war Ende des vorigen Jahrhunderts über Jahrzehnte ein Besuchermagnet.

Das Gebäude

Erbaut wurde das einstige Gloria Kino, das Gebäude, das direkt an das OHO in der Oberwarter Lisztgasse angrenzt, in den Jahren 1932/33 von Albert Gustav Müller und Alexander Nádai. Es war eine Sensation, denn bislang gab es nur das Stummfilmkino (im heutigen Finanzamtareal). Das Gloria Tonkino erreichte in nur einem Jahr bei 398 Vorstellungen an die 50.390 Besucherinnen und Besucher. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg und mit dem Einzug der Nazis im März 1938 musste Alexander Nádai, der jüdischer Abstammung war, in die USA fliehen. Er sollte nie wieder nach Oberwart zurückkehren. 1961 wurde ihm nach langen Verhandlungen das Kino als Alleineigentümer zugesprochen. Er verkaufte es über eine Mittelsperson an Eduard Gareis, der es über fünf Jahrzehnte bis 2014 erfolgreich führte. Seit 18. Juli 2014 ist die rumänische Pfingstkirche Bethel Eigentümer des Gebäudes und damit fand auch die Freie Christengemeinde Elim hier ihre Gebetsstätte. Dieses alte Kinogebäude wurde von der rumänischen Pfingstgemeinde großräumig umgebaut, ist aber von außen noch nicht als Kirche erkennbar.

Gemeinsamkeiten

Die Pfingstbewegung ist eine der am schnellsten wachsenden christlichen Kirchen. Rund 500 Millionen Menschen gehören heute weltweit zu den Pfingstkirchen, die auf die Täufer der Reformationszeit Anfang 1525 zurückgehen.
Die Freie Christengemeinden haben viele Elemente der Evangelischen Kirche HB – wie etwa das Apostolische Glaubensbekenntnis, das „Vater Unser“ und vieles mehr.
Gottesdienste, Taufen, Bibelkreise usw. werden in kleinen Gruppen auch in Privathäusern gehalten. Das Abendmahl wird mit Wein oder Traubensaft gefeiert, der in der Regel in kleinen Keramikbechern gereicht wird. Das Brot wird in Schalen dargeboten. Auch die Eheschließungen und Begräbnisse sind der reformierten Ordnung sehr ähnlich.

In Oberwart ist die Zahl der Mitglieder beachtlich. An den wöchentlichen Gottesdiensten nehmen 180 bis 250 Besucherinnen und Besucher teil, die sich im Kirchengebäude in der Lisztgasse treffen. Immer wieder hört man Gläubige „Amen“ rufen, wenn sie der Predigt des Pastors besonders zustimmen. Es zeigt, wie tief das Wort Gottes die Menschen berührt. Die Freien Kirchen – somit auch die Pfingstkirchen in Oberwart – sind seit 2013 öffentlich anerkannte Religionsgemeinschaften in Österreich und als selbstständige örtliche Kirchengemeinden anerkannt.


Heute befindet sich in der Lisztgasse Oberwart das Gebetshaus der christlichen Pfingstkirche BETHEL.

Bis zum Jahr 2014 war hier das Gloria Tonkino beheimatet.

In eigener Sache

Liebe prima! Leser*innen, rund 60 Artikel habe ich über Plätze und Geschichten in und manchmal auch außerhalb von Oberwart geschrieben. In der Bibel heißt es: „Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit“ – mit der Osterkirche in Oberwart hat die Serie 2016 begonnen. Mit den Pfingstkirchen endet meine Kolumnen-Serie mit dieser Ausgabe. Bei allen Kirchen und Orten, die ich im Zuge der Recherchen besucht habe, hatte ich das Gefühl, bei Freunden angekommen zu sein. Ich danke allen, die mir ihr Wissen weitergegeben haben. Und ich danke Ihnen für das Lesen meiner Artikel und wünsche Ihnen alles Gute. Ihr Willi Hodits


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