Reportage

„Dieses Haus zu retten, war meine Bestimmung“

Mit Puppen hat Sabina Kasumovic schon als Kind nicht gespielt. Bauklötze waren ihre Leidenschaft. Diese Liebe für Architektur ist geblieben. Vor sieben Jahren hat sie die alte, verfallene Volksschule in Stadtschlaining gekauft und in ein Wohnhaus umgebaut. Ein historisches Juwel.

Foto: Prima

Einige hundert Jahre ist dieses Wohnhaus in Schlaining alt. Bis zum Jahr 1968 war hier die Volksschule. Danach verfiel es zusehends – bis Sabina Kasumovic das völlig desolate, denkmalgeschützte Gebäude privat kaufte und mit Hilfe der Baufirma ihres Mannes renovierte.

 

Genau genommen begann die Geschichte im Jahr 2013 – mit dem Blick auf eine Gewölbedecke im Vorraum. Sabina Kasumovic stand mit ihrem Mann damals mitten in der verfallenen Volksschule in Stadtschlaining. Die Gewölbedecke war kaum zu sehen, aber Sabina Kasumovic erkannte etwas in diesen desolaten Mauern.

Sie habe sofort gesehen, wie dieses Haus fertig restauriert aussieht. „In dieses alte Gewölbe habe ich mich verliebt“, sagt sie. Erst nachdem sie den Kaufvertrag beim Notar unterzeichnet hatte, stand sie nun da mit ihrem Mann, um ihm ihren neuen Besitz zu zeigen. Und da dieser als Bauunternehmer das Potenzial eines Objektes sofort erfasst, starrte er sie einfach nur fassungslos an und meinte: „Was hast du dir dabei nur gedacht?“

Die Antwort sieht man heute. Sieben Jahre später ist aus der alten Volksschule ein Wohnobjekt geworden, das nicht nur nach den Auflagen des Bundesdenkmalamtes von Grund auf saniert wurde. Hier hat Sabina Kasumovic „ihr Herz hineingelegt“. Und das ist bei der emotionalen Kroatin riesengroß, denn während sie durch die Räume geht, erkennt man, wie nah sie am Wasser gebaut ist und was ihr dieses Haus bedeutet.

„Ein solches Kulturerbe muss erhalten werden – das ist meine Bestimmung“

Den Auftrag für die Sanierung gab sie natürlich der Baufirma ihres Mannes. Ihre drei Söhne (einer leitet die Baufirma in Wien, die Zwillinge absolvieren die HTL Pinkafeld) haben hier ebenso mitgearbeitet. Ein richtiges Familienprojekt, könnte man sagen. Vielleicht liegt es Sabina Kasumovic auch deshalb so am Herzen, denn „Familie“, sagt sie, „geht über alles!“

Ausgeführt wurde die Renovierung nach ihren Plänen, die sie vom ersten Tag an im Kopf hatte und die sich absolut mit den Vorgaben des Denkmalamtes überschnitten haben. „Die Erhaltung eines solchen Kulturerbes ist wichtig. Dieses Gebäude ist einige hundert Jahre alt. Natürlich kann man ein neues Haus in acht Monaten hinstellen. Aber wenn man die Möglichkeit hat, etwas Altes zu renovieren, dann sollte man das auch tun“, sagt sie. „Ein altes Haus erzählt Geschichten, und diese darf man einfach nicht mit einem Bagger auslöschen.“

Bei der Restaurierung hat sie selbst Hand angelegt und neben ihren Mitarbeitern gearbeitet. „Sehen Sie den Putz an der Decke?“, fragt sie und blickt nach oben. „Das ist ein spezielles Verfahren, und wir haben hier Zentimeter für Zentimeter die Beschichtungen aufgetragen.“

Sie sitzt im Gewölberaum im Erdgeschoß und deutet auf die Steinmauer. „Die haben wir freigelegt, und die Zwischenräume wurden alle in Kleinstarbeit verfugt. Stück für Stück. Aber das ist es wert.“ Spätestens, wenn die Bodenlichter direkt auf die Mauer scheinen, muss man ihr zustimmen.

Durch die großen Fenster (hier wurden die Doppel-Rahmen erhalten) wird der Raum mit Außenlicht durchflutet, und der matte Eichenboden wird dadurch richtig in Szene gesetzt. Im Badezimmer im Erdgeschoß wurden die Wasserhähne und die Waschbecken in einen eigens angefertigten Aufbau einzementiert. Highlight ist hier nicht nur die frei stehende Badewanne, sondern der stufenförmige Ablageplatz, dessen Oberfläche mit alten Holzdielen gekrönt ist.

Was an Details nicht im Original erhalten war, wurde mit dementsprechendem Material nachgebaut – wie etwa die Holztreppe, die in die oberen Räume führt. „Die war eine Herausforderung“, sagt sie und kann heute darüber lachen. Andere gehen ins Fitnessstudio – sie arbeite eben auf der Baustelle, sagt sie.

„Gib niemals auf“

Ob es Momente gab, in denen sie verzweifelt war? „Natürlich“, gibt Sabina Kasumovic milde lächelnd zu. Ein komplett desolater Dachboden bereitete ihr die eine oder andere schlaflose Nacht. „Diesen Teil haben wir völlig erneuert und daraus eine Art Atelier bzw. Bibliothek gemacht – mit offenem Zugang.“ Aufgeben war niemals eine Option für Sabina Kasumovic.

„Hören Sie das Lachen?“

Das Herzstück des Hauses ist für die erfahrene Maklerin aber das rund 70 m2 große ehemalige Klassenzimmer. Auch hier durchflutet das Sonnenlicht den Raum, und in Verbindung mit den alten Lustern und Seitenlampen verbreitet sich eine wohltuende Ruhe und Wärme. Ein Blick hinaus geht direkt auf den Kirchturm und streift über die Wipfel der Bäume.

Sabina Kasumovic hat aber momentan nur Augen für den Boden. Dieser wurde im Original erhalten und restauriert. „Dieser Boden erzählt eine Geschichte, denn man sieht ganz deutlich die Wölbungen, die durch das Getrampel der vielen Kinderfüße entstanden sind. Der Boden ist denkmalgeschützt. Jedesmal, wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl, das Lachen der Kinder zu hören“, sagt sie. Der Raum verkörpert für sie Freiheit und Weite.
Aus dem alten Direktorenzimmer wurde ein Schlafzimmer, „oder man nutzt es als Arbeitsraum“, sagt Sabina Kasumovic. Wer hier am Schreibtisch sitzt und aus dem Fenster blickt, sieht direkt auf den Innenhof zu dem höhergelegenen Garten und die Terrasse.

Schöne Erlebnisse hatte Sabina Kasumovic im Zuge der Restaurierung eine Menge. Aber besonders waren für sie die Momente, wenn ehemalige Schülerinnen und Schüler vorbeikamen und die Sanierung mitverfolgten. „Eine Dame hat sich bei mir dafür bedankt, dass ich ihre alte Schule rette. Ich war tief berührt“, erzählt Sabina Kasumovic.

Das Projekt ist nun abgeschlossen, und es wird Zeit loszulassen. Mit welchem Gefühl sie es nun hergibt? Da gehen ihr die Augen vor Tränen über, und sie schweigt. Dann sagt sie: „Ich hoffe nun, einen Besitzer zu finden, der dieses Haus genauso liebt, wie ich es tu.“ Ein Teil von ihr wird immer hier bleiben, sagt Sabina Kasumovic.  Aber vielleicht warten irgendwo schon die nächsten alten Gemäuer auf sie, die sie wieder vor dem Verfall retten wird. Sie wäre dazu bereit.

So Gott will.

 

 

Mehr Fotos und Infos zum Haus:

Einige hundert Jahre ist dieses Wohnhaus in Schlaining alt. Bis zum Jahr 1968 war hier die Volksschule.

Im Erdgeschoß befindet sich ein rund 50 m2 großer Gewölberaum, der als Wohn-Essbereich ideal zu nutzen ist. Eine Besonderheit sind die freigelegten Steinmauern.

Das Haus hat zwei Badezimmer – jenes im Erdgeschoß verfügt auch über einen besonderen Ablageplatz und über ein eigens einzementiertes Waschbecken.

Das Obergeschoß ist von zwei Seiten über tolle Holztreppen zu erreichen.

Wo einst ein desolater Dachboden war, befindet sich heute ein heller Raum, der als Atelier oder Bibliothek zu nutzen ist.

Herzstück des Hauses ist für Sabina Kasumovic das ehemalige Klassenzimmer. Der Boden wurde renoviert, und durch die zahlreichen
Fenster strömt viel Sonnenlicht in den Raum.

Im Garten hat man zwei Terrassen zum Sitzen und Genießen

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