Chiara PIELER / 29. April 2025
© Chiara Pieler
Im Oktober hat die 54-jährige Manuela Popescu ihre Lehrabschlussprüfung als Bürokauffrau.
Eine ganz neue Welt
An Manuela Popescus Arbeitsplatz bei busycomm in Oberwart stapeln sich Unterlagen, der Bildschirm leuchtet hell, das Telefon klingelt immer wieder. Für die 54-jährige Mutter sind Rechnungen buchen und Verträge abschließen längst Teil ihres beruflichen Alltags geworden – und doch bleibt vieles eine Herausforderung. „Für mich war es anfangs eine neue Welt, ich wusste nicht einmal über meinen eigenen Handyvertrag Bescheid“, erzählt Popescu offen und blickt auf die Dokumente vor sich. Dabei sah ihr Lebensplan ursprünglich ganz anders aus: „Eigentlich wollte ich Friseurin werden“, erinnert sie sich. Doch gesundheitliche Probleme zwangen sie damals, die Ausbildung abzubrechen. Später arbeitete sie viele Jahre im Einzelhandel, machte bei Lidl eine Filialleitungs-Ausbildung. „Ich dachte damals, das Thema Kinder sei für mich abgeschlossen“, schmunzelt sie heute. Doch während ihrer Ausbildung kam überraschend ihre dritte Schwangerschaft.
Unerwartete Wendungen
„Nach der Geburt meiner jüngsten Tochter Angelina erfuhr ich, dass sie das Down-Syndrom hat. Damit änderte sich unser Leben schlagartig“, erzählt sie ruhig. Angelinas komplexer Herzfehler, Immunerkrankungen, Seh- und Hörbeeinträchtigungen forderten von Popescu Kraft, die sie damals nicht zu besitzen glaubte. „Ich war ständig am Kämpfen, um jeden Schritt, um jede Unterstützung, um jede Hilfe“, sagt sie heute. Doch damit nicht genug: Vor sechs Jahren erhielt sie selbst die Diagnose Brustkrebs – entdeckt durch Zufall während des Duschens. „Ich habe mich damals gefragt: Wie soll ich das schaffen?“, sagt Popescu. „Aber dann sah ich Angelina, die von Geburt an kämpfte wie eine kleine Löwin. Wenn sie das schafft, dann musste ich es auch schaffen.“
Unterstützung im Alltag
Ihr Alltag ist heute geprägt von Aufgaben im Betrieb, bei denen sie ihre Organisationsfähigkeit immer wieder aufs Neue beweist. Dennoch fällt ihr manches schwerer als früher, denn die Chemotherapie hat Spuren hinterlassen. „Mein Gehirn funktioniert nicht mehr ganz so wie vorher, ich vergesse Dinge schneller – man nennt es ‚chemo brain‘“, erklärt sie. Bei busycomm nimmt man darauf Rücksicht. René Mahlknecht, ihr Chef, beschreibt ihre Rolle im Unternehmen beeindruckt: „Manuela zeigt uns jeden Tag, was Durchhaltevermögen bedeutet. Ihre Geschichte ist ein echter Wahnsinn – da ziehe ich wirklich meinen Hut.“
Nach Feierabend aber endet Popescus Tag nicht einfach. Zuhause wartet Angelina, mittlerweile 18 Jahre alt, die aufgrund ihrer Beeinträchtigung auf intensive Betreuung angewiesen ist und sich sprachlich nur schwer ausdrücken kann. „Ich darf sie keine fünf Minuten aus den Augen lassen“, erzählt Manuela Popescu mit ruhiger Stimme. „Jede Tätigkeit, selbst die kleinsten alltäglichen Dinge, müssen genau geplant werden.“ Unterstützt wird sie von ihrer Familie. „Ohne sie könnte ich die Lehre nicht machen, das wäre unmöglich“, sagt sie dankbar. „Ich bin aber auch stolz auf mich selbst, es ist nicht leicht.“
„Die Sorge um die Zukunft ist ständig präsent“
Mitten in diesem fordernden Alltag findet sie dennoch Raum für kostbare Momente: „Ich bin seit fünfeinhalb Jahren Oma. Mein Enkelsohn besucht uns oft, und wenn ich sehe, wie die beiden miteinander umgehen, ist das wunderschön.“ Dann fällt der Gedanke zurück auf ihre Tochter: „Ihre Ehrlichkeit und Herzlichkeit sind unglaublich. Angelina ist das größte Geschenk in meinem Leben.“ Trotz allem kennt Popescu auch die Zerbrechlichkeit ihres Glücks genau. „Die Angst, was aus meiner Tochter wird, wenn ich irgendwann nicht mehr da bin, begleitet mich täglich“, gesteht sie leise. „Gerade nach meiner Krebserkrankung ist diese Sorge ständig präsent.“
Neue Chancen durch die verkürzte Lehre
Ihre Krankheit zwang sie damals zu einer beruflichen Neuorientierung. „Ich wollte endlich wieder etwas für mich tun, wollte beweisen, dass ich mehr kann, als nur Kinderpopos sauber zu machen und den Haushalt zu führen.“ Mit Unterstützung des AMS fand sie schließlich bei busycomm die Möglichkeit einer verkürzten Lehre zur Bürokauffrau. „Dass ich diese Chance bekomme, ist nicht selbstverständlich“, betont sie immer wieder. Jetzt, wenige Monate vor ihrem Lehrabschluss im Oktober, blickt sie optimistisch nach vorne. „Jeden Tag, an dem ich hier rausgehe, fühle ich mich stärker, weil ich wieder etwas Neues geschafft habe.“ René Mahlknecht ergänzt anerkennend: „Ihre Energie und ihr Wille, trotz aller Widrigkeiten täglich aufzustehen und weiterzumachen, inspirieren uns alle hier im Team.“
Alltag zwischen Beruf und Familie
Popescu kämpft nicht nur für ihre eigene Zukunft, sondern auch um die ihrer Tochter: „Wir suchen nach dem Besuch der ASO Oberwart aktuell eine passende Tagesstätte für Angelina, aber es ist schwierig. Ich möchte, dass sie sich wirklich wohlfühlt“, sagt sie entschieden. Am Ende ist Manuela Popescus Geschichte nicht nur die einer beruflichen Neuorientierung oder eines Lehrabschlusses. In ihrem Leben zwischen Arbeit und der Betreuung ihrer Tochter bleibt wenig Raum für Pausen – und doch gelingt es ihr, beides Tag für Tag unter einen Hut zu bringen. Popescu blickt mit einem Schmunzeln auf diesen Alltag und sagt: „Natürlich gibt es harte Tage, aber ich weiß genau: Auf jeden schweren Tag folgen zehn schöne.“

Manuela Popescu mit ihrer Tochter Angelina
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