Nicole MÜHL / 24. August2025
© Nicole Mühl
Das Weihnachtshaus der Familie Gollnhuber in Sulzriegel in Bad Tatzmannsdorf im Sommer.
Ein Augusttag, wolkenlos, der Duft frisch geschnittener Hecken hängt in der Luft. Hinter hohen Sträuchern blitzen vereinzelt silberne Sterne zwischen sattem Grün. Weihnachtssterne im Hochsommer? Sie wirken fehl am Platz – könnte man meinen, doch nicht hier, nicht in Sulzriegel. In wenigen Monaten wird dieser Garten wieder das Ziel von Tausenden Besucherinnen und Besuchern sein. Mehr als 900.000 Lichter tauchen Haus und Gelände dann in ein flächendeckend gesteuertes Leuchten. Über 200 aufblasbare Figuren verwandeln den Garten in eine Märchenwelt à la Disney World: Santa Claus und Rentiere, Glitzer und Blingbling, Mickey Mouse, begleitet von amerikanischen Weihnachtsliedern. Kitsch, bewusst inszeniert – und bis zum Anschlag ausgereizt.
Das Weihnachtshaus Bad Tatzmannsdorf gilt als größte Privatsammlung aufblasbarer Weihnachtsfiguren in Europa. Es ist nicht nur eine Dekoration, sondern ein durchkomponiertes Gesamtsystem.
Sabine und Gerald Gollnhuber haben hier ihre ganz eigene Version von Weihnachten geschaffen – eine, die aus einem Kindheitstraum gewachsen ist.
Ein Traum, der nie aufgehört hat
Die Geschichte beginnt lange vor Bad Tatzmannsdorf. In Sabine Gollnhubers Kindheit reisten ihre Eltern mit ihr und der Schwester über Weihnachten oft in die USA. In Florida und Kalifornien waren ganze Straßen von Lichterketten überspannt. Diese Welt ließ sie nicht los. Später, mit Ehemann Gerald und den Söhnen Patrick und Daniel, verwandelte sie jedes Zuhause in ein kleines Wunderland. Ein Adventkranz aus einem LKW-Reifen und Kanalrohren brachte 2009 den Titel „originellste Weihnachtsdekoration Österreichs“.
Ein Schicksalsschlag gab dem Ganzen einen tieferen Sinn: Der Tod einer sehr guten Freundin ließ vier Kinder mutterlos zurück. Die Gollnhubers beschlossen, ihre Lichter nicht nur glänzen, sondern helfen zu lassen. Seither sind Spenden Teil des Projekts – über 300.000 Euro gingen in 15 Jahren an das St. Anna Kinderspital, das Oberwarter Krankenhaus, das SOS-Kinderdorf, den Sterntalerhof, den Tierschutz und viele mehr. Licht, das auch in dunklen Momenten ankommt.
Monate der Vorbereitung
Das Weihnachtshaus ist ein monatelanges Bauwerk aus Kabeln, Figuren und Lichtern. Der August ist der Auftakt. Sträucher werden geschnitten, Wege geformt, Tonnen an Grünschnitt entsorgt. Dann folgen 1.200 Steckverbindungen, wetterfest verpackt und in etwa 300 Kübeln unter Reisig getarnt. Die Technik – Gerald Gollnhubers Revier: Figuren aus den USA müssen von 110 auf 230 Volt umgerüstet werden. Jede hat einen Ventilator, alle gesteuert über insgesamt 28 Zeitschaltuhren, damit der Stromkreis nicht kollabiert.
Vor Öffnung des Gartens gehen Sabine und Gerald täglich den 5.000 Quadratmeter großen Bereich ab, prüfen jede Figur.
Punkt 20 Uhr gehen alle Lichter aus – bis am nächsten Tag um 16 Uhr der Kreislauf von Neuem beginnt. Schneefall bedeutet Sonderschicht: Luft ablassen, Gebläse einsetzen, Figuren neu aufstellen – manchmal auch am 25. Dezember.
Leben mit Grinch, Cinderella und Co.
Über 200 Figuren lassen sich auch nach Weihnachten nicht so einfach wegzaubern. Sabine und Gerald Gollnhuber leben auch unterm Jahr mit ihnen. Zusammengefaltet und in Säcken verstaut, werden Mickey Mouse, Weihnachtsmann und Co. am Dachboden gelagert. Die helfenden Hände, die hier stundenlang mitanpacken, weiß Sabine Gollnhuber unendlich zu schätzen. Etwa 200 Säcke werden mit einem eigens angefertigten Zugseil nach oben transportiert, vorbei an den hunderten Dekoartikeln – wohlgemerkt mit eingezogenem Kopf, um hier im Spitzboden nicht gegen einen Holzbalken zu stoßen. Die steile Speichertreppe ist eine zusätzliche Herausforderung. „Ich bin wohl selber schon ein paar Mal gegen einen Balken gelaufen. Deshalb bin ich wahrscheinlich so verrückt“, sagt sie, während sie über sich selbst laut lachen muss.
Olaf, der Schneemann aus „Die Eiskönigin“ sitzt das Jahr über in der Eckbadewanne. Jeder Quadratmeter, jedes freie Zimmer im Haus dient als Stauraum – das meiste in Kartons verpackt und beschriftet. Sabine Gollnhuber hat aber alles genau im Kopf abgespeichert. Dennoch reichen Haus und Nebengebäude nicht aus, um die Mengen an Dekoration verstauen zu können. „Das Projekt braucht mehr Platz, als ein Haus bieten kann“, sagt sie. Eine Halle in Mariasdorf – 60 bis 70 Quadratmeter groß – wird von Freunden kostenlos bereitgestellt. „Das ist eine unschätzbare Hilfe“, sagt sie.
Bis sich das Tor zum Weihnachtshaus im Advent öffnet, wird von August weg täglich rund acht Stunden gearbeitet. „Ohne Freunde und Familie wäre das nicht bewältigbar“, weiß das Ehepaar. Kurz vor dem Eröffnungstag sind sie mental erschöpft – doch sobald die Musik ertönt und die Lichter angehen, kehrt die Energie zurück. „Das Staunen der Besucher, die weite Anreise vieler – das ist überwältigend“, sagt Sabine Gollnhuber.
Lichtemission
So viel Licht hat auch Kritiker. Der Vorwurf: Lichtverschmutzung. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass künstliche Dauerbeleuchtung nicht nur den Nachthimmel aufhellt, sondern auch nachtaktive Tiere und Pflanzen stört. Sabine und Gerald Gollnhuber nehmen diese Einwände ernst. Sie haben deshalb Messungen durchführen lassen – mit dem Ergebnis, dass die Lichtabgabe ihres Weihnachtshauses unter jenen Werten liegt, die bei Leuchtreklamen oft als kritisch eingestuft werden. „Das Ergebnis hat uns natürlich erleichtert. Auch, weil wir durch die Spenden wirklich viele Menschen und Institutionen unterstützen können“, so das Ehepaar.
Friedliche Weihnacht
Die Gollnhubers erleben hier auch Momente, die sie tief berühren: Ukrainer und Russen, die miteinander ins Gespräch kommen, Fremde, die gemeinsam lachen.
Am 24. und 25. Dezember bleibt das Tor geschlossen, die Musik verstummt, nur die Lichter leuchten. Der Heilige Abend wird bei den Verwandten in der Steiermark unter einem traditionellen Christbaum verbracht.
Das wahre Wunder
Sabine Gollnhuber sagt es selbst: „‚Normal‘ gibt es bei uns nicht.“ Ihr Projekt ist groß, fordernd, manche bezeichnen es auch als verrückt. Ein Einfamilienhaus und ein Luxusauto hätten sie sich anstelle dieses Projektes kaufen können. Gerald geht den Weg seit Jahrzehnten mit. „Er hatte bei mir nur die Möglichkeit mitziehen oder ausziehen“, lacht Sabine Gollnhuber mit einem Augenzwinkern. „Glücklicherweise ist er mitgezogen“, sagt sie und wird dann ernst. „Was er für mich tut, ist alles andere als selbstverständlich. Ich weiß schon, welches Glück ich mit ihm habe.“ Dann wird die laute, schrille Sabine Gollnhuber ein wenig leiser und schluckt zwei Mal, bevor sie weiterredet: „Und ich bin auch unfassbar überwältigt von den vielen Menschen, die mithelfen und dafür viel auf sich nehmen. Ohne sie wäre das alles nicht möglich.“
Vielleicht ist das wahre Wunder in Sulzriegel ja nicht die Glitzerwelt, die hier geschaffen wurde, das Licht, das die Menschen anzieht. Vielleicht ist es vielmehr die Willensstärke und die Beharrlichkeit, mit der es Jahr für Jahr neu entzündet wird.

Die ersten Weihnachtssterne sind bereits Anfang August im Garten angebracht.

Bambina Elsa, ein verletztes Rehkitz, wurde von der Familie gesund gepflegt.

Der Teich wurde in Eigenregie von Hausherr Gerald Gollnhuber angelegt.

Das Ehepaar Gollnhuber ist auch bekannt dafür, dass es verletzte Wildtiere immer wieder gesund pflegt. Nach einem Raben, der bereits erfolgreich ausgewildert ist, lebt nun ein Rehkitz in dem 5.000 Quadratmeter großen Areal. „Tierarzt Christoph Haller hat das Reh medizinisch versorgt und uns gefragt, ob wir es gesund pflegen und dann auswildern. Die kleine Bambina ist bald so weit, dass sie in den angrenzenden Wald kann“, sagt Gerald Gollnhuber, der das Wildtier in sein Herz geschlossen hat.

Die ersten Weihnachtsdekorationen sind bereits zu sehen.

In Mülltonnen werden Weihnachtkugeln gelagert.

In wenigen Monaten wird hier der Schlitten des Weihnachtsmannes so wirken, als steige er in den Himmel

Über eine Speichertreppe kommt Sabine Gollnhuber auf den Dachboden.
Dort heißt es dann Kopf einziehen, um sich nicht an einem Balken zu stoßen. Rund 200 Säcke voll mit Weihnachtsdeko werden hier gelagert.

Auch die ehemaligen Jugendzimmer der Söhne sind Stauraum für die
Weihnachtsutensilien.

Sabine und Gerald Gollnhuber auf ihrem 5.000 Quadratmeter Areal in
Bad Tatzmannsdorf mit Hund Codie.

Im August beginnen Gerald und Sabine Gollnhuber mit den Arbeiten für das Weihnachtshaus – vier Monate später hat sich das Areal in eine Art Disney World verwandelt.
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