Grabungen in Rechnitz liefern neue Erkenntnisse zur neolithischen Besiedelung des Südburgenlandes

Fenster in die Steinzeit: In Rechnitz im Südburgenland laufen derzeit archäologische Grabungen, die neue Erkenntnisse zur neolithischen Besiedelung liefern. Im Zuge des Projektes „Kreisgrabenanlage und Steinzeitdorf“ sichert die ARCHÄOLOGIE BURGENLAND wertvolle Bodenfunde, bevor Bauarbeiten beginnen. Dabei kommen Spuren von Siedlungen und monumentalen Erdwerken zum Vorschein, die mehr als 6500 Jahre alt sind.

Nicole MÜHL / 9. September 2025

Die Projektfläche „Kreisgrabenanlage & Steinzeitdorf Rechnitz“ aus der Vogelperspektive 

Die Fundstelle in Rechnitz umfasst drei mittelneolithische Kreisgrabenanlagen. Luftbildaufnahmen und geophysikalische Messungen belegten die Monumentalbauten aus dem 5. Jahrtausend vor Christus. Nikolaus Franz, Leiter der Archäologie Burgenland, erklärt: „Durch die Existenz von gleich drei dieser monumentalen Bauten aus dem 5. Jahrtausend vor Christus in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander kann der Fundort Rechnitz als überregionales Zentrum im Mittelneolithikum gelten.“

Da die Errichtung des Besucherzentrums archäologische Strukturen gefährden könnte, werden alle Befunde vorab dokumentiert. „Diese müssen deswegen vor den Bauarbeiten fachgerecht ausgegraben und dokumentiert werden“, sagt Franz. Die Arbeiten erfolgen in Kooperation mit der Gemeinde Rechnitz und der Spezialfirma PANNARCH.

Das Team legte bereits Gruben, Pfostengruben und Teile eines frühneolithischen Erdwerks frei. Keramikfunde verdeutlichen die Siedlungsspuren. Zusätzlich werden Materialproben bioarchäologisch analysiert. Bodenprofile sollen im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Wien Aufschluss über die Entwicklung landwirtschaftlich genutzter Flächen geben.

Einblicke in die Sesshaftwerdung

Die Kreisgrabenanlage Rechnitz 1 liegt in einem Gebiet, das Spuren zweier neolithischer Siedlungen aufweist. Viele Hausgrundrisse stammen aus dem Frühneolithikum, der Zeit der sogenannten Neolithischen Revolution. Einzelne Häuser lassen auch eine spätere Besiedlung im Mittelneolithikum erkennen.

Nikolaus Franz unterstreicht die historische Dimension: „Die Grabungen öffnen ein regelrechtes Fenster in die Steinzeit. Wir erfahren viel über die neolithischen Siedlersippen, die hier einen günstigen Platz vorfanden, um die Kulturtechniken Ackerbau und Viehzucht auf heute burgenländischem Gebiet im 6. vorchristlichen Jahrtausend zu etablieren. Nach Jahrhunderttausenden des Jagens und Sammelns war die sukzessive Sesshaftwerdung des Menschen tatsächlich revolutionär.“

Die Arbeiten in Rechnitz fügen sich in den „Masterplan Archäologie“ des Landes Burgenland ein. Sie sollen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse sichern, sondern auch ein Fundament für die geplante kulturelle Infrastruktur schaffen.

Historischer Kontext

Zwischen 2011 und 2017 hatten frühere Untersuchungen bereits vier monumentale Erdwerke im südlichen Gemeindegebiet von Rechnitz nachgewiesen. Drei davon sind Kreisgrabenanlagen aus dem Mittelneolithikum, die zwischen 4850 und 4500 v. Chr. entstanden. Sie erreichten Durchmesser von bis zu 105 Metern. Mit einem Alter von mindestens 6500 Jahren sind sie deutlich älter als die Pyramiden von Gizeh oder der Steinkreis von Stonehenge.

Damit wird deutlich, dass die Region Rechnitz schon früh eine zentrale Rolle in der neolithischen Besiedelung des heutigen Südburgenlandes spielte. Die aktuellen Ausgrabungen liefern zusätzliche Erkenntnisse und tragen dazu bei, die Steinzeit für Forschung und Öffentlichkeit greifbar zu machen.

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil betont die Bedeutung der Arbeiten: „Mit den Ausgrabungen erfolgt der letzte notwendige Schritt, um mit den Errichtungsarbeiten beginnen zu können.“ Er ergänzt: „Es freut mich außerordentlich, dass in Rechnitz ein archäologisches Besucherzentrum entsteht, das nicht nur zentrale historische Erkenntnisse über unser Bundesland vermittelt, sondern auch der Naherholung der Bevölkerung dient und den Kulturtourismus ankurbelt.“

Archäologen graben auf einer grünen Wiese bei einer Ausgrabungsstätte; Erdarbeiten im Gange.

Astrid und Wilfried Tögel von der ARCHÄOLOGIE BURGENLAND beim händischen Überputzen der Grabungsfläche.

Fotos: Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abt. 7 – Bildung, Kultur und Wissenschaft, Archäologie Burgenland im Referat Wissenschaft / Nikolaus Franz 

Gruppe vor Infotafel zur mittelneolithischen Kreisgrabenanlage in Burgenland, Österreich, bei sonnigem Wetter.

Hannes Wagner, Landesimmobilien Burgenland, Nikolaus Franz, Leiter der Archäologie Burgenland, Martin Kramelhofer, Bürgermeister der Gemeinde Rechnitz und Claudia Priber, Geschäftsführerin Kultur Betriebe Burgenland GmbH, bei der Kick-off-Veranstaltung zum Projekt „Kreisgrabenanlage Rechznitz“ im September des Vorjahres (Archivbild)

Archäologische Ausgrabung mit Bagger und Lageplan im Vordergrund auf einer Baustelle.

Der Grabungsschnitt folgt der zukünftigen Anlage des Spazierweges, der vom Besucherpavillon zur Kreisgrabenanlage führen wird. Basis für die Ausgrabungen sind geomagnetische Bodenuntersuchungen von GeoSphere Austria.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert