Bericht

Auswanderer aus unserem Land

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Burgenlandes erzählt Ahnenforscher Herbert Rehling aus Bad Tatzmannsdorf über Einzelschicksale von Auswanderern, die in Amerika ihr Glück gesucht haben.

©Maxine White

Grabsteine der Familien Bertha und Rába in South Dakota (©Maxine White)

 

Typisch für den Beginn der ersten Emigrationswelle aus unserem Land ist eine Auswanderung aus Oberwart, die heute nur noch wenig bekannt ist. Mitte der 1880er-Jahre brach Ladislaus (László) Bertha mit seiner Frau Theresia, geborene Zarka und drei Kindern (die jüngsten zwei waren kurz zuvor gestorben) zu einer abenteuerlichen Reise nach Übersee auf. Begleitet wurden sie vom gebürtigen Pinkafelder Georg Bruckner und seiner Frau Maria Wagner aus Oberwart sowie deren beiden Kindern. Ziel dieser Gruppe waren die Prärien des amerikanischen Westens, also Gebiete in den heutigen Bundesstaaten North Dakota, South Dakota, Nebraska, rund 1.000 km westlich von Chicago. Was trieb sie in diese kaum bekannte Welt, die durchaus noch als „Indianerland“ anzusehen war? (Umgangssprachlich sagte man früher „Indianer“. Dieser Begriff ist aber politisch nicht korrekt, Anmerkung der Redaktion).

In diesen frühen Jahren der Auswanderung wurden Menschen aus aller Welt in den „Wilden Westen“ gelockt. Ein neues Gesetz der USA (Homestead Act), 1862 von Präsident Abraham Lincoln ratifiziert, machte potenziellen Siedlern ein beinahe unglaubliches Angebot: Jeder durfte sich auf den „unendlichen“ Weiten der Prärien unbesiedeltes Land in der Größe von 160 Acre (ca. 65 Hektar) aussuchen, für „Burgenländer“ aus den unteren sozialen Schichten unvorstellbar groß. Dieses riesige Stück Land ging ohne Kosten in das Eigentum des Siedlers über, sofern er eine einzige Bedingung erfüllte: Fünf Jahre lang musste das Land ununterbrochen bewirtschaftet werden – dann war der Siedler Eigentümer dieses Grundstücks. 

Was die in Scharen zugreifenden Neuankömmlinge nicht wussten oder bewusst ignorierten: Dieses Land war den dort lebenden Native Americans – Sioux, Cheyenne, Kiowa, Comanche, etc. – erst kurz davor mit üblen Methoden entrissen worden. Freiheit und Gleichheit aller Menschen waren zwar in der amerikanischen Verfassung garantiert. Das galt jedoch nicht für die Angehörigen des indigenen Volkes. Auch das christliche Selbstverständnis, einer überlegenen „Rasse“ anzugehören, bestärkte die Machthaber darin, diese Enteignung zu legitimieren. 

Eine weitere Katastrophe für die Native Americans entstand durch das Abschlachten der gewaltigen Bisonherden durch weiße Jäger, die auf der Jagd nach dem begehrten Fell dieser Tiere waren. Der Bison, die Lebensgrundlage der Bewohner, wurde innerhalb weniger Jahrzehnte beinahe ausgerottet: Gab es um 1850 noch Millionen von ihnen auf den Great Plains, waren sie um 1890 auf wenige hundert Exemplare reduziert und die Native Americans vor allem ihrer wichtigsten Nahrungsgrundlage beraubt.

Die Lösung für das „Indianerproblem“ war die Einrichtung von Reservaten. Das Bild (S. 26) zeigt die Situation zu der Zeit, als die Oberwarter Auswanderer in South Dakota eintrafen. Sie siedelten im Raum Selby in South Dakota, also ganz nah am nächsten Reservat, das westlich des Missouri lag.

Mitten im Wilden Westen

Ob sich die Bertha- und Bruckner-Familien dieser Verhältnisse bewusst waren? Wohl kaum, sie dürften nicht einmal die Winnetou-Romane von Karl May gekannt haben, deren frühe Ausgaben gerade erst erschienen waren, aber mit der Wirklichkeit wenig zu tun hatten.

Leider ist uns nichts über Zusammenstöße „unserer“ Oberwarter Siedler mit den dort lebenden Native Americans überliefert, obwohl dies durchaus nicht unwahrscheinlich ist. Siedler in diesem Gebiet leben auch heute noch oft meilenweit vom nächsten Nachbarn oder von einer größeren Siedlung entfernt. Man musste also selbst für die eigene Sicherheit sorgen.

Und sicher war dieses Land keineswegs, als die Oberwarter sich um „ihren“ Grund und Boden bemühten. Wenige Jahre zuvor hatte westlich davon der Red-Cloud-Krieg stattgefunden und erst 1876 war der berühmte Bürgerkriegsgeneral Custer mit seiner Truppe von den vereinten Prärie-Indianern vollständig aufgerieben worden – bis heute ein Stachel im Nationalstolz aller Amerikaner. Die folgenden Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und den Native Americans dauerten bis 1890, wurden also von den Oberwarter Auswanderern unmittelbar miterlebt.

Die Oberwarter hatten offenbar die für dieses Land erforderliche Härte und Durchsetzungskraft. Sie blieben und ungefähr zehn Jahre später folgten ihnen weitere Oberwarter Siedler: Familien Rába, Imre und Ruzsa. Sie heirateten meist untereinander und hatten viele Kinder und Kindeskinder. 

Noch heute finden sich diese Oberwarter Namen im Telefonbuch von South Dakota, sicher von Nachkommen dieser Familien. Ob diese Auswanderer jemals ihre „Roots“ gesucht haben, ist mir nicht bekannt. Die Möglichkeit einer Familien-Kontaktaufnahme oder sogar einer Zusammenführung nach beinahe 150 Jahren würde sich aber für alle anbieten, die an ihrer Familiengeschichte interessiert sind.


Indianerreservate in South Dakota
Bild aus https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2721034

Herbert Rehling

geb. 1946 wohnt in
Bad Tatzmannsdorf. Er war Lehrer am Gymnasium Oberschützen für Mathematik, Physik und Chemie und war 25 Jahre bei Siemens PSE unter anderem in der Software-Entwicklung tätig. Seit 1992 beschäftigt er sich mit Ahnenforschung. Ebenso mit Naturwissenschaften, Religionen und Geschichte. Er ist Autor des Buches: „Die BIBEL – Das steht wirklich drin?“

www.rehling.weebly.com
https://www.facebook.com/BibelEndlichVerstehen


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3 Antworten

  1. Bin stolz Herbert persönlich zu kennen und bin ihm ewig dankbar. Dankbar dafür, dass er mir eine Karriere ermöglicht hat, die 27 Jahre angehalten sollte.