Bericht

Der Körper als Makel?

Es ist eine traurige Tatsache, dass Menschen einander schon immer wegen ihres Aussehens kommentiert, beurteilt und beleidigt haben. Im 21. Jahrhundert hat dieser Umstand einen neuen Namen: „Bodyshaming“. Schon der Anblick von den überpräsenten Bildern von Schönheitsidealen in der Medienwelt reicht bei manchen aus, um sich in ihrem eigenen Körper schlecht zu fühlen. Und die Betroffenen werden immer jünger.

Foto: Shutterstock / Juliette

„Iss mehr Knödel!“ „Nur Hunde spielen mit Knochen!“ Alexandra aus der Oststeiermark war 12 Jahre alt, als die Kommentare ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler in einer gewaltigen Magersucht gipfelten. Schon jahrelang davor hat sie zu hören bekommen, dass ihr Körper nicht in Ordnung sei, so wie er ist, da er so zierlich war. „Das Ganze hat sich dann so im Kopf festgesetzt, dass ich ein Problem mit dem Essen bekommen habe“, schildert die heute 18-Jährige. Das ständige kritische Befassen mit dem Aussehen des eigenen Körpers hatte ihre Wahrnehmung komplett beeinträchtigt. Und die zwanghafte Aufforderung, „mehr zu essen“, das Gegenteil hervorgerufen. Sie aß gar nichts mehr und wurde danach sieben Monate in einer stationären Klinik mittels Magensonde ernährt und psychologisch betreut. Heute möchte sie aufrütteln: „Sämtliche Kommentare über das Aussehen tragen nichts zur Konversation bei. Ich brauche mein Gegenüber auf nichts an seinem Körper aufmerksam machen, das er nicht innerhalb von fünf Minuten ändern kann!“ Bei Bodyshaming spiele aber nicht nur Mobbing eine Rolle. Auch die Medien tragen ihren Teil dazu bei.

Hauptbetätigungsfeld Social Media

Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Friedrich Thomas Mosler aus Oberwart weiß: „Die Betroffenen werden immer jünger. Gerade verstärkt im Volksschulalter entwickeln die Kids ein falsches Körperverständnis, da sie aufgrund der überpräsenten Nutzung von Smartphone und Social Media den Bildern von ‚Schönheitsidealen‘ und ‚Influencern‘ ausgesetzt sind. Und immer öfter werden dann die eigenen Körpermaße mit den scheinbar makellosen ‚Vorbildern‘ verglichen und tragen zu einem verminderten Selbstwertgefühl bei.“ Social Media ist eines der Hauptbetätigungsfelder. „Dabei wird auf diesen Kanälen ein völlig verfälschtes Körperbild vermittelt, dem man nicht gerecht werden kann, das sind produzierte Bilder und Videos ohne Wirklichkeit“, mahnt der Experte und schildert weiter: „Ganz junge Kinder und Jugendliche fühlen sich oft aufgrund ihres Aussehens minderwertig. Dann kann es passieren, dass achtjährige Mädchen die gewohnte Kleidung nicht mehr anziehen wollen, da ihre Oberschenkel darin ‚dick‘ aussehen!“

Bewusstseinsarbeit und Vorbildwirkung

„Ganz wichtig ist hier eine Bewusstseinsarbeit in den Familien und vor allem in den Schulen, wie in der Werbebranche gearbeitet wird! Auch wenn sich die Bestrebungen in der Modewelt dahingehend verändert haben, vermehrt eine durchschnittliche Darstellung von Körperformen zu zeigen, wird dieser Risikofaktor natürlich niemals verschwinden“, erinnert Mosler. „Wichtig ist auch, dass sich Eltern ihrer Vorbildwirkung bewusst sind. Wenn sie selbst mit dem Körper ständig unzufrieden sind, wird diese Haltung auch auf die Kinder übertragen. Und natürlich haben in diesem jungen Alter die Meinungen und Kommentare der anderen Kinder im Umfeld sehr viel Gewicht. Daher sind Kampagnen in Schulen sehr wichtig, um Mobbing entgegenzuwirken.“

Wichtig sei natürlich, hinzuschauen, wenn man sich tatsächlich Sorgen um jemanden macht, räumt Alexandra als Magersucht-Patientin ein. „Offensichtliche gesundheitliche Probleme sollten mit betroffenen Personen schon in Ruhe und Diskretion angesprochen werden. Das ist kein Mobbing. Und wenn man bemerkt, dass jemand anderen Menschen mit Mobbing das Leben schwer macht, sagt etwas!“ Auch sollten alle Instagram-Konten gemeldet werden, die zum Beispiel mit Magersucht-verherrlichenden Inhalten präsent sind (Anm. #proana)“, ist es Alexandra eine Herzensangelegenheit. Die junge Generation steht vor ganz großen Herausforderungen. Das Letzte, womit sie sich aufhalten sollte, sind optische, äußerliche Maßstäbe.


Bodyshaming

Bodyshaming bedeutet, eine andere Person aufgrund ihres Körpers abzuwerten, also übergriffige und gemeine Kommentare über Größe, Gewicht und Aussehen einer Person zu machen. Mädchen sind davon im Internet wesentlich häufiger betroffen als Burschen.
(Quelle: Jugendreferat Steiermark)


Alexandra
Als Jugendliche war Alexandra magersüchtig. Kommentare über das Aussehen soll man unterlassen, ist ihr Appell.

Die Geschichte von Alexandra hören Sie hier im Podcast:
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Dr. Friedrich Thomas Mosler
Dr. Friedrich Thomas Mosler aus Oberwart warnt vor den Idealen, die in den Social Media Plattformen vermittelt werden.

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