Bericht

Erntedank in Zeiten des Klimawandels

Immer öfter ist von Trockenheit und Unwettern die Rede. Immer häufiger richtet der Hagel verheerende Schäden an. Denn wir befinden uns im Klimawandel und wir müssen lernen, mit diesen Wetterextremen zu leben. Vor allem betrifft das die Landwirtschaft.

Foto: Eva Maria Kamper

Dramatisch ist der Anblick der schwarzen Wolken, die unaufhaltsam über die Landschaft hereindonnern. Man hat schon aufgehört, die Blitze zu zählen. Viel zu heiß war es tagelang gewesen und nun schwappt sintflutartig der Regen vom Himmel herab. Das Prasseln wird lauter und immer größer werdende Hagelkörner tanzen auf dem Boden. Die junge Landwirtin Katja Müllner aus Wolfau kann in diesem Moment nur hilflos zuschauen und hoffen. Als das tosende Spektakel wenige Minuten später vorüber ist, setzt sie sich ins Auto und fährt ihre Felder ab. Schadensbegutachtung.

Hagelversicherung sichert Existenz

„Wir haben in Österreich zum Glück die Situation, dass man sich gegen Unwetter- und Hagelschäden versichern kann. Die Möglichkeit haben Landwirte vieler anderer Länder weltweit nicht. Aber Ernteverluste sind nie ideal. Und wenn sich die Schäden häufen, wird die Versicherung auch immer teurer. Wenn sich das von Jahr zu Jahr wiederholt, ist schon die wirtschaftliche Existenz gefährdet“, schildert die engagierte Biobäuerin. „Und die Wetterextreme werden immer schlimmer. Man kann immer nur hoffen, dass der gebietsweise tobende Hagel nicht direkt über dem Feld niedergegangen ist.“

Trockenheit und Überschwemmung

Das große Problem des Klimawandels seien aber nicht nur die immer unberechenbareren Niederschläge, sondern vor allem die immer länger werdende Trockenheit. „Die Landwirtschaft kämpft zunehmend mit trockenen Böden, die letztendlich den kurzen Regenguss weder aufnehmen noch speichern können. Überschwemmte Böden verlieren an Humus bzw. die nährstoffreichste Schicht, und dieser Mangel macht sich über Jahre hinweg im Ackerbau bemerkbar.“

Die enorme Wichtigkeit, hier mit qualitativ hochwertiger Erde entgegenzuwirken, bestätigt auch Gerald Dunst, Geschäftsführer der Sonnenerde GmbH aus Riedlingsdorf: „Humus ist für die rasche Wasseraufnahme und die anschließende Wasserspeicherung verantwortlich. Je mehr Humus im Boden, umso besser funktioniert dieses System und es können auch extreme Niederschlagsereignisse aufgefangen werden. Jedes zusätzliche Prozent Humus speichert zusätzlich rund 400 m3 Wasser pro Hektar – damit können weitere zehn Tage einer Trockenperiode überdauert werden.“

Man ist zwar daran, Getreide- und Pflanzensorten zu entwickeln, die wesentlich trockenresistenter sind, aber die Züchtungen kommen mit der Geschwindigkeit, in der der Klimawandel voranschreitet, nicht zeitgerecht mit“, sagt Katja Müllner und blickt dankbar über ihr weitläufiges Sojabohnenfeld, das diesmal vor Schäden verschont blieb und in den Startlöchern zur Ernte steht.

Ernteschaden ist emotionaler Schmerz

Und obwohl die moderne Technik das Wettergeschehen immer präziser voraussagen kann, sei dies nur eine bedingte Hilfe, erklärt die Bio-Bäuerin: „Man kann sich zwar gewisse Tätigkeiten wie Anbauzeitpunkt, Unkrautbekämpfung oder Ernte zeitlich besser einteilen, wenn der Verlauf der Witterung bekannt ist. Aber am Unwetter ändert es nichts, ob ich es vorher weiß oder nicht.“ Denn auch wenn man die Ernte finanziell versichert weiß, sei es emotional immer sehr schmerzhaft, wenn man die landwirtschaftliche Arbeit von Monaten aufgrund der Naturgewalt vernichtet sieht.


Gerald Dunst
SONNENERDE-Chef und Ökopionier

Katja Müllner
Bio-Bäuerin

Der Klimawandel und seine Folgen

Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Josef Eitzinger, Agrarmeteorologe auf der BOKU Wien & Experte für Meteorologie und Klimatologie und der Wechselwirkung von Klima auf die Landwirtschaft im prima! Interview:

Wir befinden uns im Klimawandel. Es heißt immer wieder „Die Natur rächt sich!“ Ist es tatsächlich so?

Dieser Ausdruck würde der Natur eine eigenständige Handlungsweise zuschreiben, die so nicht zutrifft. Vielmehr hat jede Handlung, die wir in der Natur setzen, eine Ursache-Wirkung-Beziehung. Wenn wir unsere Umwelt verändern, also durch Landnutzung oder Emissionen, dann gibt es unter anderem physikalische Auswirkungen auf das Klima und auf das Wetter. Diese Veränderungen bedingen dann quasi die Antwort der Natur, die allerdings auf Naturgesetzen basieren, die wir nicht ändern können. Wir können dann auch nicht mit der Natur verhandeln. Wir sind daher aufgefordert, unsere Handlungen so zu gestalten, dass wir als Menschheit auch unter Bedingungen leben können, unter denen wir auch leben wollen.

Was ist der Unterschied vom aktuellen Klimawandel zu dem seit Millionen von Jahren stattgefundenen?

Das Klima hat sich aufgrund natürlicher Ursachen wie Vulkanausbrüchen, Meteoriteneinschlägen, kurz- bis sehr langfristiger Zyklen in der Sonnenaktivität, der Erdachsenneigung, Erdumlaufbahn, Kontinentalverschiebungen oder der Vegetation etc. immer schon gewandelt. Heute kommt der Mensch erstmals als dominierender Faktor hinzu. Unsere Ära wurde daher als Anthropozän benannt. Wir hatten nun seit der letzten Eiszeit ein relativ stabiles Klima, das im Vergleich zu den vergangenen Erdzeitaltern eher eine Ausnahme ist. Die Menschheit hat ihre Existenz auf dieses stabile Klima aufgebaut. Die zunehmenden Wetterextreme und die steigenden Schäden passen mit unserer gewohnten Infrastruktur nun nicht mehr zusammen. Wir müssen uns als Gesellschaft erst an diese neuen Bedingungen gewöhnen bzw. dringend daran arbeiten, diesen Klimawandel einzubremsen und uns gleichzeitig anzupassen.

Auf welches Szenario müssen sich unsere Landwirtinnen und Landwirte in der nächsten Zukunft einstellen? Welch neues Wissen ist notwendig, um den zukünftigen Naturgewalten die Stirn zu bieten?

Die Wetterextreme werden häufiger und intensiver werden: Starkniederschläge, Bodenerosionen, Hitzewellen und Trockenheiten. Man muss Maßnahmen setzen, um sich gegen diese Risiken zu schützen. Zum Beispiel kann sich ein Landwirt gegen Hagel- oder Dürreschäden an Kulturen in Österreich versichern lassen. Das geht bis zu einem gewissen Grad, solange diese Wetterextreme relativ selten sind. Wenn diese Vorfälle allerdings immer häufiger werden, kommt irgendwann der Punkt, wo sie auch nicht mehr versicherbar sind. Ab dieser Zeit gibt es nur mehr die Möglichkeit, sich in seinem eigenen Produktionssystem anzupassen, indem man zum Beispiel besser angepasste Nutzpflanzen anbaut, betriebseigene Risikoabsicherungsmaßnahmen einsetzt oder sich ein zweites oder mehrere Standbeine als Risikostreuung überlegt.

Welche Rolle spielen der Boden und die Bodenversiegelung?

Eine gute Qualität des Bodens wirkt wie ein großer Wassertank für Pflanzen, was während einer trockenen Periode enorm wichtig ist. Der Landwirt hat zum Beispiel die Chance, durch Förderung von Humusaufbau die Bodenbeschaffenheit zu optimieren. Aber auch der natürliche Bodentyp spielt eine Rolle – ein sandiger Boden kann viel weniger Wasser speichern wie zum Beispiel ein lehmreicher Boden.

Leider ist es in Österreich so, dass die Bodenversiegelung vor allem dort voranschreitet, wo die fruchtbarsten landwirtschaftlichen Regionen liegen, weil Menschen sich seit jeher vor allem dort angesiedelt haben, wo das langfristige Überleben aufgrund der regional ausreichenden Nahrungsmittelproduktion gesichert war. Und das sind auch heute noch die Ballungsräume, auf denen weiterhin gebaut wird.

Können technische Möglichkeiten helfen, das Risiko von Unwettern zu reduzieren?

Nur in einem sehr kleinen regionalen Rahmen, wie zum Beispiel dem Einsatz von Hagelfliegern zur Hagelbekämpfung. Das Wetter großräumig gezielt zu beeinflussen, wird – trotz mancher Verschwörungstheorien zu diesem Thema – niemals möglich sein. Wir können den Klimawandel nur bremsen, wenn wir bewusst mit unserem Verhalten entgegensteuern. Sonst wissen wir nicht, wo wir landen, wenn es so weitergeht. Und da ist jeder Mensch im Alltag gefordert, seinen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.


Univ. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Josef Eitzinger
Agrarmeteorologe auf der BOKU Wien, Experte für Auswirkungen und Wechselwirkung von Wetter und Klima in der Landwirtschaft.

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