Bericht

Sehnsucht nach Kultur

Seit bald einem Jahr ist es nun ziemlich still in der Kulturbranche. Veranstaltungen wurden bei Beginn der Pandemie als Erstes abgedreht und werden auch als Letztes wieder aufgesperrt werden, wissen auch die Organisatoren und Kulturschaffenden. Auf Machtworte der politischen Entscheidungsträger wird gewartet. Wie es genau weitergeht, weiß allerdings niemand.

Foto: Shutterstock / Oleksii-Synelnykov

Die Pandemie hat im Veranstaltungsbereich hohe Schäden verursacht. 

„Ich will endlich wieder die Sau rauslassen“

Wird es 2021 wieder Konzerte geben? Diese Frage hört auch Ewald Tatar, Veranstalter des burgenländischen Nova Rock Festivals im Moment immer wieder, wenn er Interviews gibt. Auch dem prima! Magazin gewährt er Einblick in sein „Kaffeesudlesen“, wie er es tragisch und lustig zugleich bezeichnet. „Ich habe vor allem ein Bauchgefühl, das sagt: Ich will endlich wieder die Sau rauslassen“, findet er klare Worte. „Nicht nur als Veranstalter, sondern als Konzertbesucher seit 40 Jahren will ich, dass es endlich wieder losgeht. Und ich glaube, so geht es vielen Menschen.“ Niemand habe zu Zeiten der Absagen im Frühjahr 2020 tatsächlich geahnt, wie lange es dauern würde. Und es werde auch noch ein paar Monate Durchhaltevermögen abverlangen, befürchtet Tatar, wobei auch er nicht in die Zukunft blicken könne. „Aber die Impfung wird es richten, denke ich. Von allein oder mit ‚Bachblüten‘ wird so eine Pandemie nicht verschwinden. Da habe ich mich schon längst als klarer Impfbefürworter geoutet. Und nicht, weil ich bloß Festivals veranstalten will, sondern weil ich möchte, dass Corona besiegt wird und keine Menschen mehr daran sterben müssen!“

Impfung bevorzugt

Das Nova Rock Festival, der burgenländische Fixpunkt am Festivalhimmel, hängt seit vergangenem Frühjahr nach der kapitalen Absage aller Massenveranstaltungen genauso in der Luft wie alle anderen Konzerte und Festivals. Sitzplatzveranstaltungen oder virtuelle Online-Alternativen waren in dieser Dimension nie ein adäquater Ersatz. Für Juni 2021 ist man großer Hoffnung, allerdings hänge dieses Projekt sehr mit der Durchimpfungsrate in der Bevölkerung zusammen und zwar unabhängig von Berufsstand und Alter der Festivalbesucher. Der Impfplan der Regierung orientiere sich nach derzeitigem Stand aber sehr wohl nach diesen Prioritäten. Die generelle Impfbereitschaft der Bevölkerung ist de facto auch (noch) nicht von einer allheilbringenden Euphorie geprägt. „Dabei hat es jeder in der Hand, wie schnell wir unser normales Leben wieder zurück bekommen“, mahnt auch Ewald Tatar, wobei er damit keine Impfpflicht auf Konzerten meinen möchte. Man habe bereits ein Konzept angedacht, wonach geimpfte Besucherinnen und Besucher in einer Art „Fast Lane“ einen rascheren Zutritt zu den Festivals erhalten. Menschen, die zuerst Testergebnisse vorzuweisen haben, würden sehr viel mehr Zeit einplanen müssen.

Entscheidungen im März

Tatar stünde auch in regem Kontakt mit der Regierung, um über die Planung von Veranstaltungen zu diskutieren. „In den nächsten Monaten wird viel passieren. Wir haben politische Entscheidungsträger wissen lassen, dass wir spätestens Anfang März eine klare Ansage brauchen, ob ein Festival in der Größe des Nova Rock stattfinden kann. Ansonsten geht es sich mit der Organisation nicht mehr aus!“ An der zuweilen kargen Kommunikation seitens der Regierung hat man schon zu Zeiten der zwingenden Absage im Frühjahr 2020 gelitten. „Wochenlang hieß es weder ja oder nein, ob man Konzerte veranstalten darf. Das war schon chaotisch. Als dann das Verbot kam, haben wir schnell reagiert und quasi das gesamte Festival mit den meisten Beteiligten ins Jahr 2021 verschoben!“ Wie er sich die Reintegration der Menschen auf den Konzertgeländen vorstellt, wenn Abstandhalten passé ist? „Die kurze ‚Sommerpause‘ vom Virus war schon ein Indiz dafür, dass es schneller gehen wird, als wir glauben oder befürchten und die Menschen zu ihrem gewohnten Verhalten zurückfinden!“


Ewald Tatar
Veranstalter des Nova Rock Festivals

Das Interview mit Ewald Tatar hier nachhören:
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Alfred Masal, Geschäftsführer OHO, Oberwart: „Virtuell und analog als gemeinsame Zukunft?“

Auch das OHO als Veranstalter und Künstlerwerkstätte befindet sich seit dem vergangenen Jahr in einer schwierigen Phase. Man hofft natürlich, dass das stabile Stammpublikum nach der überstandenen Zeit wiederkommen wird und auch dass die Künstler*innen mit der Verlagerung künstlerischer Arbeiten in den virtuellen Raum den Anschluss nicht verpassen. Die Solidarität in dieser Situation sei jedenfalls spürbar. Die große Herausforderung seien die Planung und eventuelle Verschiebungen von sämtlichen Events. „Noch so kleine Veranstaltungen bedürfen einer gewissen Vorlaufzeit.

Ebenso muss Klarheit herrschen, inwiefern etwas analog oder doch virtuell abgehalten werden kann, da gibt es auch rechtliche Differenzen“, schildert Geschäftsführer Alfred Masal. Ebenso sei eine Kunstveranstaltung ohne anschließende Gespräche oder Konsumation im Barbetrieb mit einem Streamingangebot nicht vergleichbar, „auch wenn kombinierte virtuelle und analoge Veranstaltungen nach der Pandemie eine gemeinsame Zukunft haben werden!“ Auch Masal widmet seine Hoffnung auf Normalität der COVID19-Impfung.


 

Günter Schütter, Veranstalter: „Kultur ist systemrelevant“

Günter Schütter ist ein kulturschaffendes Unikat des Südburgenlandes. Er ist Organisator kleinerer Festivals und Kabaretts wie „Herbst.Wort.Lieder“ oder dem „Uhudlertheater“. „Die derzeitige Situation ist verheerend. Es geht auch um die Wertschöpfungskette und die Akzeptanz gegenüber der Arbeit im Kulturgewerbe. Da läuft schon gewaltig was schief“, eröffnet er seinen klaren Standpunkt. Natürlich könne man niemandem einen Vorwurf machen, da keiner eine Pandemie in diesem Ausmaß erahnen konnte und ein Künstlerdasein natürlich auch ein Risiko birgt. „Aber das Krisenmanagement war als PR der Regierung nicht akzeptabel“, zeichnet der Organisator ein düsteres Bild. Er sei demnach vergeblich regional und auch bundesweit damit beschäftigt, politische Diskussionen anzuzetteln, um Lösungsansätze für die Kulturbranche herauszuarbeiten.

Dabei gehe es ihm klar um das Bewusstsein, dass jeder kleine Beitrag für die Gesellschaft, auch aus der Kunst, ebenso „systemrelevant“ sei: „Auch die Berufsgruppe der Kulturschaffenden muss ordentlich sozial abgesichert und versorgt werden. Das öffentliche Bild über die Kulturbranche muss überdacht werden. Manche Künstler*innen geben letztendlich auf. Wenn es keine Kunst und Kultur mehr gibt, enden wir alle in einer Systemdepression!“ Die corona-tauglichen Anpassungen und Umbauten von Kulturbetrieben seien auch nur ein allzu hoher Kostenfaktor gewesen. In der Großstadt habe er zwar best-practise Beispiele erlebt, wie man trotz Corona ein Kulturerlebnis schaffen kann. „Aber wenn ich am Land eine kleine Veranstaltung plane und dann dennoch nur mit 40 Prozent Besucherauslastung starten darf, da kann ich meine Kosten niemals kompensieren, da kann ich es gleich sein lassen.“ Auch für Schütter mündet der große Lösungsansatz in der breiten Impfung der Menschen: „Auf ständige Tests bei allen kleinen Veranstaltungen ist doch kein Besucher neugierig. Außerdem sind Veranstalter*innen keine Gesundheitsbehörden, da ist nur die Impfung eine Lösung!“


 

Schriftsteller und Regisseur Peter Wagner: „Unbefriedigender Zustand, aber dankbar für die Erfahrung“

Künstler Peter Wagner hat die Zeit des Stillstands durchaus produktiv genutzt. Zwei Filme hat er fertiggestellt, einen neuen produziert und eine Theateraufführung inszeniert. Zuletzt arbeitete er gemeinsam mit einer Schülergruppe an einem Livestream.

„Viele Künstler*innen hat es brutal getroffen, auch wenn die Hilfen vom Bund unbürokratisch waren. Es ist natürlich ein unbefriedigender Zustand und dennoch bin ich über die Erfahrung dankbar. Es ist natürlich fraglich, ob neue Spielformen im virtuellen Bereich wirklich die Kommunikationswege der Zukunft sind. Die physische Kommunion von ausübenden Künstlerinnen und Künstlern und zuschauendem Publikum wird sich nicht auflösen, wir werden uns auch weiterhin als soziales Gefüge brauchen. Trotzdem gehen wir in ein neues Zeitalter und sollten erkennen, dass sich tatsächlich vieles im Umbruch befindet – so dramatisch all die Kontaktbeschränkungen auch erscheinen. Diese Pandemie kann auch als existenzieller Hinweis verstanden werden, als moralischer Vektor, unser Leben gründlicher zu denken. Besser, man erkennt die Zeichen, das wird uns auch bei der Klimakrise abverlangt werden.


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