Chiara PIELER / 27. Dezember 2023
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Bei Panikattacken haben Betroffene Todesangst, dass der eigene Körper versagt.
Immer mehr Menschen leiden unter Panikattacken. Wann entstehen sie und vor allem wodurch?
Alexander Mladenow: Eine klassische Panikattacke kommt aus dem heiteren Himmel. Alles schwankt und man hat das Gefühl, zu sterben. Aber auch das Hineinsteigern in Angstgedanken kann eine Attacke auslösen – wenn man die Spirale nicht unterbricht. Angst ist ein Schutzmittel, also grundsätzlich etwas Gutes. Wenn beispielsweise etwas Beängstigendes wie ein gefährliches Tier vor einem steht, beginnt der Mensch damit, Angsthormone auszuschütten – es passieren ganz viele Reaktionen im Körper. Wichtig ist, festzustellen, ob es sich um eine Panikattacke handelt. Das muss, wenn sie das erste Mal auftritt, häufig von einem Arzt begutachtet werden. Viele Betroffene denken vorerst, sie erleiden einen Herzinfarkt.
Welche Rolle spielen genetische Faktoren bei Panikattacken? Gibt es eine Veranlagung dazu?
Es scheint genetische Faktoren zu geben. Alle Lebewesen können Angst und Panik haben. Angst ist ein Schutzmechanismus, um das eigene Leben zu schützen. Als Gegenspieler dazu kommen Resilienzfaktoren ins Spiel. Man entwickelt diese, indem man sich selbst Gutes tut und Dinge macht, die Stress abbauen.
Grundsätzlich ist die Angst also essenziell für das Leben. In welchen Situationen kann sie gefährlich werden und was führt dann zu einer Panikattacke?
Das Thema ist komplex, weil es sich bei jedem Menschen anders äußert. Einer meiner Patienten hat im Auto eine Panikattacke erlitten. Da hilft nur: stehenbleiben und durchatmen. Auslöser für die Attacken gibt es viele, die man häufig nicht bewusst wahrnimmt. Es wirkt sich bei jedem anders aus.
Das Bewusstsein für psychische Erkrankungen ist seit der Pandemie deutlich mehr geworden. Ist die Anzahl der Menschen gestiegen, die unter Panikattacken leidet, oder wird einfach offener darüber gesprochen?
Die Existenzängste, vor allem von Jugendlichen, haben sich während der Pandemie deutlich verstärkt. Die resilienzwirksamen Faktoren konnten nicht greifen, da es Treffen unter Gleichaltrigen nicht gegeben hat und durch Lockdowns diese soziale Komponente einfach weggefallen ist. Die Rückkehr in das normale Leben nach zwei Jahren war auch schwierig – für einen 14-Jährigen ist das ein Siebentel seines Lebens, das „verloren“ gegangen ist. Dazu kommen Inflation und der Ukraine-Krieg. Wir machen uns große Sorgen, wie sich alles weiterentwickeln wird. Unsere Praxen sind voll.
Panikattacken kann man behandeln. Wie sieht die Therapie aus?
Panikattacken sind sogar sehr gut behandelbar. Je früher man kommt, umso leichter gestaltet sich die Therapie. Sind Menschen für Attacken beim Autofahren anfällig, so macht es keinen Sinn, zu fahren und es immer wieder erleiden zu müssen. Frühe Erkennung ist daher optimal. An einer Panikattacke stirbt niemand, auch wenn die Betroffenen dabei das Gefühl haben. Nach ein paar Sitzungen sind die meisten bereits therapiert.
Ein großes Problem ist aber immer noch die Zugänglichkeit zu Therapieplätzen. Speziell im Südburgenland werden neue Therapeut*innen gesucht, um das Angebot erweitern zu können. Was wird sich hier in Zukunft etwas ändern?
Das Problem liegt vor allem in der Ausbildung, da sie sehr kostenintensiv ist. Im Moment wird an einem Plan gearbeitet, der für Erleichterungen sorgen soll. Aber ob und wann es dazu kommt, steht noch nicht fest.
Panikattacken
sind plötzliche, intensive Wellen von Angst. Sie treten oft unerwartet auf und können ohne offensichtlichen Grund geschehen. Während einer Panikattacke kann eine Person Symptome wie Herzklopfen, ein Gefühl von Erstickung, Schwitzen, Zittern, Kurzatmigkeit, und ein Gefühl der Entfremdung von der Realität oder von sich selbst erleben. Panikattacken können sehr beängstigend sein und manche Menschen befürchten während einer Attacke, dass sie einen Herzinfarkt haben, die Kontrolle verlieren oder sogar sterben könnten. Nach einer Panikattacke fühlen sich viele Menschen erschöpft und besorgt darüber, wann die nächste Attacke auftreten könnte.
Der Ausbau der kassenfinanzierten Psychotherapie wird auch im Burgenland vorangetrieben. Ziel ist es, den Patient*innen Psychotherapie ohne Eigenkostenanteil zur Verfügung zu stellen. Im Burgenland wird die Zahl der auf Kassenkosten verfügbaren Therapiestunden in den kommenden Jahren deutlich erhöht.
Alexander Mladenow
Alexander Mladenow ist Psychotherapeut in Oberwart. Er ist außerdem Mitglied des Burgenländischen Landesverbandes für Psychotherapie.
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