„Das Haus von der Stange gibt es bei der OSG nicht mehr“
Er liebt es, ins Bad der Menschenmenge einzutauchen. Auf die Frage, wie es ihm geht, folgt ein minutenlanger Monolog über seine Pläne und Strategieausrichtungen für die OSG – die er übrigens beim Laufen am besten entwickelt. Sein Tag beginnt um 3.30 Uhr und endet selten vor 22 Uhr. OSG Geschäftsführer Alfred Kollar über seinen Umgang mit seinem Bekanntheitsgrad, über eine kritische Auseinandersetzung mit früheren Baustilen der OSG, von wem er sich Anerkennung wünschen würde und – nachdem er erst vor Kurzem 60 geworden ist – Gedanken über seine Nachfolge.
Foto: OSG
Herr Dr. Kollar, Sie haben einen Feier-Marathon hinter sich. Sie selbst sind 60 geworden und gleichzeitig fanden auch die Feierlichkeiten zu 70 Jahre OSG statt. Wie geht es Ihnen nach diesen „Feiertagen“?
Es geht mir sehr gut, obwohl ich zugebe, dass die „Feiertage“ schon auch anstrengend waren. Vor allem die Vorbereitung zur OSG-Jubiläumsfeier. Aber die Rückmeldungen der Gäste waren enorm positiv, teilweise sogar euphorisch, was uns sehr freut. Die beiden Höhepunkte waren sicherlich die Anerkennung durch die Stadtgemeinde Oberwart mit dem „OSG-Platz“ und natürlich die Ehrenzeichenverleihung mit dem Komturkreuz des Landes an mich durch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Das ist schon unter die Haut gegangen. Es freut uns, dass unsere Arbeit gewürdigt wird. Es war teilweise ein 12-Stunden-Rennen. Aber es war auch unheimlich bereichernd. Ich liebe es, ins Bad der Menge einzutauchen und mich mit Menschen auszutauschen. Das habe ich sehr genossen. Jetzt sind die Feierlichkeiten vorbei, ich ziehe zufrieden Bilanz, gehe gestärkt in das nächste Jahrzehnt und freue mich auf die nächsten Aufgaben, die da kommen. Und wir haben einiges vor: Es geht bei unseren Bauvorhaben unter anderem in Richtung Bungalows und eingeschoßige Reihenhäuser für die Gruppe der Best Ager. Alles auf einer Ebene. Kein Keller, kein Obergeschoß, ein Autostellplatz, Balkon, kleiner Garten. Das ist Trend, der sich durch das Burgenland zieht.
Auch das Thema „Grünes Wohnen“ beschäftigt uns weiterhin. Und mein Steckenpferd seit einigen Jahren ist das Bauen im Ortskern. Das ist wichtig, weil es um die Vermeidung von Bodenversiegelung geht, um die Vermeidung von Infrastrukurkosten und um die Nutzung der bestehenden Infrastruktur. Daher ist die Nachnutzung der leerstehenden Gebäude so wichtig. Viele Ortskernprojekte sind bei uns auf der Liste. Projekte, wo wir keinen einzigen Quadratmeter versiegeln. Da sehe ich die OSG als wesentlichen Partner der Gemeinden. Die Vermeidung von Bodenversiegelung ist und wird ein Gebot der Stunde. Man sieht, die jugendliche Begeisterung ist bei mir nach wie vor vorhanden. (schmunzelt)
Sie sind ein Mensch, der oft in den Medien – auch in den Sozialen Medien – ist. Geht Ihnen das nicht manchmal auf die Nerven?
Es geht mir definitiv nicht auf die Nerven. Ich sehe es als Teil meines Geschäftes. Ich bin seit 22 Jahren Geschäftsführer und seit sechs Jahren auch zusätzlich Obmann der OSG und es ist allseits bekannt, dass ich diese Aufgabe sehr liebe. 38.000 Menschen wohnen bei uns und egal wo ich hinkomme, werde ich angesprochen, weil mich die Menschen erkennen. Da geht es dann oft auch um Probleme, die sie haben. Es geht mir nie auf die Nerven, in Kontakt mit Menschen zu treten. Ich weiß, dass ich mit der OSG fast gleichgesetzt werde und darauf bin ich durchaus stolz.
Gibt es auch Schattenseiten?
Nein. Die einzige Schattenseite ist vielleicht mein Autokennzeichen. Wenn ich unterwegs bin – speziell dann, wenn ich mir Grundstücke anschaue – passiert es immer wieder, dass ich aufgeregt vom Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde angerufen werde, der genau weiß, wo ich mich gerade umschaue und der gleich Auskunft über mögliche Kaufvorhaben haben will. Da denke ich mir dann oft in mich hineinschmunzelnd, dass ich mir vielleicht doch ein Zweit-Kennzeichen zulegen sollte. Für mich gibt es keine Schattenseiten. Mir ist bewusst, dass ich erkannt werde. Damit lebe ich, weil ich mich mit diesem Unternehmen vollkommen identifiziere.
Sie sind Chef von 380 Mitarbeiter*innen. 122 davon sind im Angestelltenverhältnis. Welches Bild von einer Führungskraft möchte Sie diesen vermitteln?
Mehr als die Hälfte meiner Lebensjahre habe ich im Unternehmen OSG verbracht. Ich habe erlebt, dass es von einem kleinstrukturierten Bauträger mit 1.200 Wohnungen zu einem beachtlichen Player am Wohnungsmarkt mit 17.000 Wohnungen und Reihenhäusern gewachsen ist. Und so wie sich das Unternehmen entwickelt hat, habe auch ich mit ihm parallel eine eigene Entwicklung mitgemacht. Am Beginn meiner Laufbahn war meine Art sicherlich deutlich strenger und kontrollierender, was aufgrund der Größe jetzt gar nicht mehr möglich ist. Ich verlange von einem Mitarbeiter bzw. einer Mitarbeiterin nie mehr, als ich selbst bereit bin zu geben. Ich versuche ein Vorgesetzter zu sein, der Fehler aufzeigt, aber der sie nach deren Abhandlung als erledigt betrachtet. Ich möchte als Verantwortlicher des Unternehmens OSG gesehen werden, zu dem man kommen kann und der es schätzt, wenn auch Gegenrede erfolgt, wenn nicht reflexartig applaudiert wird und kommentarlos volle Zustimmung erfolgt. Ich schätze es, wenn – durchaus auch im Konfliktgespräch – Lösungen erarbeitet werden, die dann aber gemeinsam getragen werden. Ich wünsche mir Mitarbeiter*innen, die mir ihre Meinung sagen und in mir einen Verantwortlichen sehen, der bereit ist, andere Meinungen zu hören und anzunehmen und der sie in Entscheidungsprozesse miteinbezieht. Ich hoffe, dass mich meine Mitarbeiter*innen als „Primus inter Pares“ sehen. Als einer von 122 Angestellten, der sich auf der Ebene der Mitarbeiter*innen befindet, aber dennoch die Entscheidungen zu tragen und zu verantworten hat.
Schlagwort Sozialer Wohnbau. Was sagen Sie dazu, dass das Land in diesem Bereich tätig wird?
Das Land hat das Recht darüber nachzudenken, wie der Wohnbau leistbar bleibt. Es hat das Recht, selbst eine Gesellschaft zu gründen, die in den Wohnbau einsteigt. Ich bin sehr entspannt und zuversichtlich was die OSG betrifft, weil ich unsere Leistung und unser Angebot kenne. Jedes einzelne Projekt der 176 aktuellen Bauvorhaben kenne ich. Jedes ist zur Freigebe über meinen Tische gegangen. Ein Projekt, dass ich freigebe, hab ich mir durchüberlegt und von dem bin ich überzeugt, dass es leistbar ist. Dass nicht jede Wohnung gleich viel kosten kann, ist auch klar, weil das Angebot unterschiedlich ist. Aber es muss auch nicht jede Wohnung alles können. Es gibt durchaus Wohnungen im Zentrum einer Stadt mit Dachterrasse, Tiefgarage, etc. – da muss klar sein, dass diese nicht mit fünf Euro pro Quadratmeter zu bauen ist. Aber wir starten reihenweise Projekte, die in die Kategorie der fünf Euro Wohnungen fallen, mit denen wir uns dem Wettbewerb stellen. Wir haben Vergabequoten im Neubau von 99 Prozent. Wir bauen Zielgruppen-gerichtet. Unser Angebot entspricht dem, was man als leistbar bezeichnet. Bei 177 fertiggestellten Wohnungen und Reihenhäuser sind 175 vergeben. Auch unsere Leerstände sind gering und liegen burgenlandweit bei unter 100. Wir bauen auch in Kleinstgemeinden. Hier versuchen wir durch Finanzierungmodelle zu punkten. Ich bin also entspannt und unaufgeregt, was das Bauvorhaben des Landes in diesem Bereich betrifft. Wettbewerb belebt und wir stellen uns diesem. Bei der Zuerkennung von öffentlichen Fördermitteln erwarte ich mir aber für alle Player am Wohnungsmarkt die gleichen Bedingungen. Wir wünschen uns Chancengleichheit.
Eine Zeitung hat einmal geschrieben „Kollar prägt das Land“. Jedes Bundesland hat ja auch architektonisch eine Geschichte. Hat Ihrer Meinung nach die OSG den Spagat geschafft, leistbare Wohnungen zu bauen und diese Identität zu wahren? Oder ist das kein Anspruch?
Das ist definitiv ein Anspruch. Aber jede Zeit hat ihre Stile und Vorstellungen von Wohnen. Natürlich haben Häuser und Wohnungen in den 1970er- und 1980er-Jahren anders ausgesehen als jetzt. Die berühmten Schuhschachteln, wie man sie am Anfang bezeichnet hat, hatten einen Grund – nämlich den, das Haus in der Kompaktheit energieeffizient auszustatten. Über Architektur lässt sich streiten. Neue Ideen müssen erlaubt sein. Ich gebe auch zu, dass es in den 1980er- und 90er-Jahren durchaus Überspannungen des Kostendrucks gegeben hat und man noch zusätzlich ein Geschoß oder Halbgeschoß draufgesetzt hat. Wir haben auch sehr häufig an der Peripherie gebaut, wo ich mir heute denke: Das würde ich jetzt nicht mehr bauen. Das Haus von der Stange, dazu bekenne ich mich, haben wir in den 1980er und 1990er-Jahren aus Kostengründen gebaut und man kann heute noch feststellen, dass es sehr leistbare und günstige Wohnungen sind. Aber dieses Haus von der Stange gibt es bei der OSG nicht mehr. Die Architekten planen Individuallösungen. Und wenn man durch das Land fährt, sieht man es ja.
Rückblickend: Gibt es etwas, dass Sie heute anders machen würden?
Nein. Ich denke sogar, dass wir mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit mit gewissen Ansätzen früh dran war. Wir haben uns selbst verpflichtet, PV-Anlagen auf jedes neu gebaute Haus zu geben. Wir hätten unseren Green Way vielleicht noch etwas früher machen können. Ich bin aber auch froh, dass wir nicht auf jeden Zug aufgesprungen sind. Wir haben beispielsweise das Thema Passivhaus nicht aufgegriffen. Da war ich immer skeptisch. Was hier an Maßnahmen gesetzt wurde, ist zu weit gegangen und es sind teilweise Kosten erzeugt worden, die in keiner Relation zu den Einsparungen stehen. Daher sind wir froh, dass wir zwar Schritte in Richtung Energiesparhäuser gesetzt haben, dass wir aber die Extremausformungen mit Passivhäusern ausgelassen habe. Ansonsten freu ich mich sehr, dass wir beispielsweise die Ortskerngestaltung voll aufgenommen haben und dass das so anerkannt wird. Es freut mich, wenn ich unterwegs bin und ich von Menschen darauf angesprochen werde. Wir haben inzwischen burgenlandweit 38 Gasthäuser gekauft. Die würden sonst verfallen. Ich freue mich also über gewisse Trends, die wir aufgenommen haben und bin froh, dass wir andere Trends nicht oder nicht im vollen Umfang übernommen haben, wie etwa das Passivhaus.
Was war für Sie die härteste Kritik, die Sie je bekommen haben und vice versa das größte Lob?
Es gibt in diesen mittlerweile 33 Jahren bei der OSG zwei Männer, die mich sehr geprägt haben. Das waren Ing. Josef Orovits als Vorstandsobmann. Und Hofrat Johann Schmidt, mein jetziger Aufsichtsratsvorsitzender. Seine Gattin hat im Familienverband einmal gesagt, dass ich der Sohn bin, den er nie hatte. Diese Aussage war für mich eines der größten Komplimente, weil er ein Mensch ist, den ich auf vielen Ebenen enorm schätze.
Und eine Amtfrau hat einmal gesagt, dass das Burgenland anders aussehen würde, wenn es mich bzw. die OSG nicht gebe. Das hat mich besonders berührt. Ich freue mich über diese Wertschätzung und Anerkennung, denn mir ist tatsächlich jedes Projekt wichtig. Keines ist für die OSG zu groß und keines zu klein. Ich fahre mit derselben Begeisterung nach Hasendorf, um dort ein Objekt mit vier Wohnungen zu bauen, wie nach Parndorf, um dort 40 Wohnungen zu realisieren.
Und was ist mit der Kritik?
Was die Kritik betrifft, geht es mir nahe, dass bei den GRÜNEN überhaupt nicht anerkannt wird, dass wir viel in Richtung Ökologie und umweltschonendes Bauen machen. Hier wird sofort reflexartig unser Tun kritisiert. Das tut mir auch oftmals weh, wenn Projekte einseitig gesehen werden, man eine eingeschränkte Wahrnehmung hat und nicht bereit ist, anzuerkennen, dass unsere Strategien stark in Richtung Ökologie, umweltfreundliches und energiesparendes Bauen gehen und wir in Richtung Bodenschonung viel tun. Man braucht nur an den ehemaligen Magnet–Supermarkt in Oberwart denken. Das war eine Bruchbude. Wir haben die 11.000 Quadratmeter große Fläche, die zur Gänze verbaut bzw. zuasphaltiert war, im Zentrum von Oberwart gekauft und ein attraktives Projekt mit viel Grün errichtet. Solche Beispiele gibt es etliche. Und wir haben inzwischen auch 38 Gasthöfe, die leer gestanden sind und teilweise verfallen waren, gekauft und umgebaut. Diese Nachnutzung ist uns wichtig.
Ich gebe schon zu, dass es früher anders gewesen ist. Ein Grundstück auf der Wiese, verkehrsmäßig gut erreichbar, dort haben wir oft unsere Häuser gebaut. Der Bedarf war danach, aber die Situation hat sich deutlich gewandelt. Ich mache mir schon Gedanken darüber und finde, dass wir hier nicht fair behandelt werden. Es ist mir nicht egal, was die GRÜNEN über die OSG denken. Ich würde mich sehr freuen, wenn es hier den Diskurs und die Bereitschaft für ein Gespräch gebe, damit wir aufzeigen können, was wir alles in Richtung Ökologie tun. Ich würde mir eine ehrliche, offene Diskussion mit den GRÜNEN wünschen. Auch wir entwickeln uns weiter. Die Gesprächsbereitschaft ist bei mir immer gegeben. Auch mit den Baumfreunden Oberwart besteht ein Austausch. Das schätze ich sehr.
Herr Dr. Kollar, Sie sind im September 60 geworden. Denken Sie schon daran, einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin aufzubauen?
Natürlich muss ich mir Gedanken machen, wie es weitergehen kann. Analytisches, strategisches Denken ist für diese Funktion wichtig.
Es wird bei der Besetzung meiner Nachfolge eine Zweiteilung notwendig sein – für den kaufmännisch/juristischen Bereich und für den technischen. Dieses Gedankengerüst gibt es.
Wäre auch eine Frau als Nachfolgerin denkbar?
Selbstverständlich! Bei uns sind bereits Leitungspositionen von Frauen besetzt und wir haben eine Frauenquote von zwei Drittel. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine oder sogar beide Stellen mit Frauen besetzt werden.
KR Dr. Alfred Kollar
Er kam vor 33 Jahren als Jurist zur Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) und gilt unbestritten als der Motor des Unternehmens, der die Baugenossenschaft zu einem Big Player am Bausektor entwickelte. Im September feierte er seinen 60. Geburtstag – zeitgleich mit der 70-Jahres-Feier der OSG. Für seine Verdienste wurde ihm das Komturkreuz des Landes Burgenland verliehen. Er ist bekannt für sein fotografisches Gedächtnis – und für Mails, die er ab 3.30 Uhr morgens schreibt.
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