Nicole MÜHL / 27. Dezember 2023
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Frauenherzen schlagen anders. Wie anders und was hat es für eine Auswirkung?
Prim. Univ.-Prof. Dr. Strametz-Juranek: Frauenherzen sind schon von der Anatomie und Biologie her anders. Sie sind kleiner als Männerherzen, haben weniger Herzgewicht. Ein Frauenherz reagiert über Stresshormone anders. Vor dem Wechsel haben Frauen einen natürlichen Schutzmantel, was Herz-Kreislaufprobleme betrifft. Das sind ihre körpereigenen Geschlechtshormone, die Östrogene. Nach dem Wechsel sinkt der Schutzmantel ab und am Ende der Menopause hat die Frau eigentlich das gleiche Risiko wie ein Mann, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu leiden. Das heißt, dass es für Frauen nach dem Wechsel wichtig ist, regelmäßig Vorsorge zu betreiben und sich regelmäßig das Herz anschauen zu lassen und hier Eigenverantwortung zu übernehmen.
Was bedeutet Herz-Kreislauferkrankung eigentlich?
Das ist ein sehr weiter Begriff. Da ist zum einen der Herzinfarkt oder die koronare Herzkrankheit, also die Arteriosklerose. Das ist eine Erkrankung, die die Gefäße verstopft und wenn kein Blut mehr durchgeht, kommt es zum Herzinfarkt. Auch wenn ein Stent oder Bypass gesetzt wird, muss man trotzdem schauen, dass man einen herzgesunden Lebensstil hat, denn auch der Bypass und Stent können sich verschließen.
Zu den Herz-Kreislauferkrankungen gehört auch die Herzschwäche oder Herzinsuffizienz. Hier gibt es zwei Arten: Erstens die Herzschwäche mit reduzierter Pumpleistung. Hier ist der Herzmuskel schwach und kann nicht genug Blut auswerfen. Das ist eher eine Erkrankung des Mannes.
Und es gibt zweitens eine Herzschwäche mit erhaltener Pumpleistung. Das heißt, die Pumpfunktion des Herzmuskels ist gut, aber der Herzmuskel ist steif und dick und kann sich nicht richtig entspannen. Diese Herzschwäche mit erhaltener Pumpleistung (HEFpef) ist eine klassische Erkrankung der Frau. Die Frau hat dabei Atemnot und einen Druck am Herzen.
Was auch noch zu den Herzerkrankungen gehört, ist der Schlaganfall – die Arteriosklerose im Gehirn –und auch die Durchblutungsstörung in den Beinen.
Die Symptome bei einem Herzinfarkt sind bei Frauen andere als bei einem Mann. Welche?
Die Wahrscheinlichkeit, dass man als Frau andere Symptome hat als ein Mann, ist sehr hoch. Frauen können natürlich auch den klassischen Infarktschmerz haben. Aber Daten aus den USA geben an, dass 40–50 Prozent der Frauen eine andere Symptomatik haben. Frauen haben eher Schmerzen im Bereich der Magengegend und im Armbereich. Sie haben auch Schmerzen in der Wirbelsäule, leiden unter Abgeschlagenheit, Müdigkeit und und auch die Abnahme der Leistungsfähigkeit gehört zu den Symptomen bei Frauen (Symptome siehe Kasten). Es ist immer wichtig, die Ärztin bzw. den Arzt zu konsultieren. Aber es ist auch wichtig, dass sich Frauen bewusst sind, dass sie für ihre eigene Gesundheit verantwortlich sind. Sie managen meist die Gesundheit ihrer Familie. Aber sie sind auch für sich selbst verantwortlich.
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Todesursache bei Frauen. Wirklich bewusst ist das der Gesellschaft aber nicht. Wie kann eine Frau vorsorgen, damit es nicht zu einer Herzerkrankung kommt?
Frauen sollten die Möglichkeit der Vorsorgeuntersuchung nutzen. Das kann jede in Österreich versicherte Person über die Gesundheitskasse kostenfrei machen. Da hat man schon wesentliche Parameter wie Blutfette, Blutzucker, Größe, Gewicht und das Risiko abgecheckt. Das ist ein toller Zugang. Ich rate auch, ein Belastungs-EKG zu machen und einen Herz-Ultraschall. Das ist mit dem Hausarzt bzw. der Hausärztin zu besprechen und kann durch Überweisung bei der Internistin bzw. beim Internisten gemacht werden. Dabei wird erfasst, ob man bei Belastung einen Bluthochdruck hat und ob man Rhythmusstörungen hat. Wenn man keine Beschwerden hat, dann ist die Untersuchung alle zwei bis drei Jahre zu empfehlen. Wer ein Risikoprofil hat, also wer raucht, Diabetes hat, wer übergewichtig ist, keine Bewegung macht, viel Stress hat, wer eine hohe erbliche Vorbelastung hat, ein hohes LDL Cholesterin, sollte ein Mal im Jahr zum Internisten bzw. zur Internistin gehen. Aber mir ist vor allem jene Botschaft wichtig, dass man als Frau um das eigene Risikoprofil Bescheid wissen sollte, das eigene Risiko einschätzen kann und die Untersuchung anstrebt. Es gibt von der europäischen kardiologischen Gesellschaft Risikotabellen, um das eigene Risiko einstufen zu können.
Sie appellieren sehr an die Eigenverantwortung von Frauen.
Ich glaube, dass Eigenverantwortung bei jedem Menschen etwas ganz Entscheidendes ist und man diese auch niemandem abnehmen kann. Aber leider ist das auch mit der Grund, warum ganz viele tolle Vorsorge-Projekte nie funktioniert und gegriffen haben – weil die Eigenverantwortlichkeit nicht oder zu wenig vorhanden ist. Wenn Sie heute mit Menschen reden, die ein Hobby haben, beispielsweise einen Garten, dann stecken sie viel Zeit und Achtsamkeit da hinein und kümmern sich darum. Deshalb blüht der Garten auch wunderbar. Und so sollten wir auch mit unserem Körper umgehen. Wir alle wünschen uns, dass wir gesund älter werden, mit einer hohen Lebensqualität und Freude. Frauen werden zwar älter, aber die Anzahl der Jahre mit einer guten Lebensqualität ist im Vergleich zu den Männern deutlich geringer.
Frauen nehmen sich nur nie Zeit für sich selber. Das ist auch für uns im Reha-Zentrum ein Ansatz, die Menschen in die Eigenverantwortung zu nehmen. Die Botschaft ist: „Wenn ich nicht für mich sorge, macht es niemand.“
Ich kann nicht erwarten, dass irgendjemand für mich die Verantwortung für mein Leben übernimmt. Ich persönlich bin ein Freund von Gesundheits-Apps. Diese können wirklich dazu beitragen, mich daran zu erinnern, ob ich heute genug getrunken habe. Ob ich meine Schritte gegangen bin. Wenn man diese Apps gezielt einsetzt, kann man sehr viel Gutes tun.
Rehabilitation ist immer noch männlich. Es kommen wenig Frauen auf Reha. Warum?
Frauen kommen zu uns auf Reha, wenn sie von der Chirurgie geschickt werden. Also wenn sie schon erkrankt sind. Bei Männern sehen wir, dass sie von der Internistin bzw. vom Internisten geschickt werden, weil ein hoher Blutdruck vorhanden ist, Zucker oder ein hohes Cholesterin. Also wenn man ein großes Herz-Kreislaufrisiko hat und in diesen drei Wochen auf Reha versucht, den Lebensstil zu verbessern. Frauen sehen wir als Primärpräventionspatientin kaum. Ich appelliere daher nochmals an Frauen, die ein hohe Risikoprofil haben, mit ihrer Ärztin bzw. ihrem Arzt über eine Reha zu reden. Und auch an die Ärztinnen und Ärzte geht mein Appell, mit Frauen, die ein hohes Risiko aufweisen, über eine Reha zu reden und sie zu uns zu schicken.
Aber Frauen sind daheim ja bekanntlich unersetzbar.
Ich glaube, das ist auch etwas, das Frauen lernen müssen: Man muss Dinge loslassen können, um der Umgebung die Möglichkeit zu geben, zu wachsen. Es ist so wichtig, dass Frauen lernen, Grenzen zu setzen. Frauen sagen zu spät „Nein“ – leider meist erst dann, wenn sie schon krank sind.
Herzinfarkt-Symptome
Männer:
• Präkordiales Druckgefühl (Druck in der Herzgegend) • Atemnot • Schmerz in den oberen Extremitäten • seltener: Schmerz in Rücken, Nacken und Kiefer, Angst.
Frauen:
Müdigkeit (70 %) • Schlafstörungen (48 %) • Atemlosigkeit (42 %) • Verdauungsstörung (40 %) • Angstgefühl (36 %) • thorakale Beschwerden – Beschwerden im Brustraum (30 %)
Zögern Sie nicht! Rufen Sie den Notruf: 144
© Reha-Zentrum der PV Bad Tatzmannsdorf
Prim. Univ.-Prof. Dr. Jeanette Strametz-Juranek
appelliert an Frauen zu mehr Selbstverantwortung für ihre Herzgesundheit
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