Interview

„Ich lasse mich sicher impfen“

Seit einigen Monaten ist der Container bei der Zufahrt zur Notaufnahme Dreh- und Angelpunkt im Krankenhaus Oberwart. Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie wurde er als Triagestation für Besucher und Patienten errichtet. prima! hat Pflegedirektor Andreas Schmidt und Christina Wagner, Diplompflegerin auf der Intensivstation, zu diesem außergewöhnlichen Jahr 2020 befragt. Ein Gespräch über Herausforderungen, die Wichtigkeit von Schutzmasken und mit einer klaren Botschaft des Pflegedirektors, der für über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege im Krankenhaus Oberwart verantwortlich ist.

Foto © Peter Sitar

Auch das Krankenhaus Oberwart hat ein herausforderndes Jahr 2020 hinter sich

 

Was waren die Herausforderungen dieses Jahres 2020?

Andreas Schmidt: Wo soll ich anfangen? Wir haben im Frühjahr nicht gewusst, was auf uns zukommt. Auch die Ungewissheit, ob mein Gegenüber vielleicht Überträger ist, war anfangs belastend. Oder auch die Frage, wie schleusen wir potenzielle Verdachtsfälle sicher durchs Krankenhaus. Man muss sich vorstellen, dass ein COVID-19-Patient, der im Haus verschiedene Untersuchungen benötigt, innerhalb kürzester Zeit viele Menschen anstecken kann. Das war eine riesige Herausforderung. Wir hatten am Anfang, wie auch das restliche Österreich, mit Materialengpässen bezüglich Schutzausrüstung zu kämpfen. Daher mussten wir viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Kontaktpersonen in Quarantäne schicken. Erst als wir flächendeckend FFP2-Masken an alle verteilt haben, auch an die Besucherinnen und Besucher, hat sich die Situation wesentlich verbessert. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Antigen-Schnelltests. Heute durchläuft jeder Patient bzw. Besucher einen festgelegten Algorithmus, bevor er das Krankenhaus betreten darf: Abfrage einer Checkliste, Temperaturmessung und gegebenenfalls einen Antigen-Schnelltest. Ebenso wird jeder Mitarbeiter mindestens einmal pro Woche abgestrichen. Das ist ein enormer logistischer Aufwand. Dieser gibt allen jedoch enorme Sicherheit. Jeder, der mindestens eine Nacht im Krankenhaus stationär bleibt, erhält einen Antigen-Schnelltest. Eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme stellt die derzeit geltende strenge Besucherreglung dar. Nur jene, die mindestens sieben Tage im Krankenhaus stationär sind, dürfen Besuch empfangen. Ausnahmen gelten aber auch für die Kinderstation, Palliativstation, rund um Geburten und zur Verabschiedung.

 

Was können Sie uns bislang über PatientInnen erzählen, die an Covid so schwer erkrankt sind, dass sie auf der Intensivstation versorgt werden müssen?

Christina Wagner: Da ist schon hoher Einsatz von Ärzten und Pflegepersonal gefragt. Speziell bei diesem Krankheitsbild kann es sein, dass Menschen innerhalb von wenigen Stunden sehr instabil werden und beatmet werden müssen. Das bedeutet unter anderem, dass eine sehr hohe Sauerstoffzufuhr und die hochdosierte Gabe kreislaufunterstützender Medikamente erforderlich sind. Aber es hat nicht jeder COVID-19-Erkrankte einen so schweren Verlauf.

 

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Verlauf der Krankheit?

Andreas Schmidt: Zwischen dem siebten und zehnten Tag der Infektion ist das kritische Stadium. Da entscheidet sich, welchen Verlauf die Krankheit nimmt. Wenn sich die Person in dieser Zeit verschlechtert, dann ist sie meist hochgradig intensivpflichtig. Sie kommt in ein akutes Zustandsbild, wobei sie oft sehr schwer zu beatmen ist. Häufig sind zur Behandlung spezielle Lagerungen notwendig, die einen hohen Personaleinsatz erfordern. Zusätzlich haben COVID-19-Erkrankte eine zwei- bis dreimal längere Aufenthaltsdauer auf Intensivstationen als andere Patienten.

Christina Wagner: Aber es gibt auch Erfolgserlebnisse. Erst kürzlich konnte eine COVID-19-Patientin, die in einem wirklich sehr kritischen Zustand war, auf die Normalstation verlegt werden. Sie war 40 Tage auf der Intensivstation!

 

Verstehen Sie, wenn sich Menschen durch die Maskenpflicht in ihren Rechten eingeschränkt fühlen und sich dagegen wehren?

Andreas Schmidt: Wir haben im Jahr 2020 sehr viel gelernt. Erst mit Einführung der FFP2-Maskenpflicht und adäquater Schutzausrüstung ist eine maximale Mitarbeiter- und Patientensicherheit gegeben. Wir haben die Übertragung zwischen Patienten und Mitarbeitern auf Null gesenkt. Das ist Fakt. Ich kann daher aus unserer Erfahrung im Krankenhaus Oberwart festhalten, dass die Maskenpflicht signifikant zu einem Rückgang der Infektionsübertragung in unserem Haus geführt hat. Deutlicher geht es nicht. Die Maske hilft also unumstritten.

 

Wie reagieren die MitarbeiterInnen auf die Maßnahmen und Vorkehrungen?

Andreas Schmidt: Ich habe vor Weihnachten MitarbeiterInnen-Gespräche geführt. Es war mir wichtig, herauszufinden, wie hoch die emotionale Belastung war und wie sicher sich die Mitarbeiter in Bezug auf die Infektionsgefahr fühlen. Die wichtigste Rückmeldung für mich war, dass sie sich durch die ganzen Vorkehrungen geschützt fühlen.

 

Was macht Ihnen Sorgen?

Andreas Schmidt: Dass die Maskengegner mehr werden und die Bereitschaft der Bevölkerung, sich an die vorgegebenen Maßnahmen zu halten, sinkt.

 

Was können also die BesucherInnen tun, um sich selbst und PatientInnen nicht zu gefährden?

Christina Wagner: Wenn sie die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen einhalten, muss sich niemand vor Infektionen fürchten. Deshalb gilt: Masken verwenden, desinfizieren, Abstand halten und Körperkontakt vermeiden.

 

Müssen in Oberwart auch MitarbeiterInnen aus anderen Abteilungen auf der Intensivstation wegen Personalknappheit einspringen?

Andreas Schmidt: Wir haben unsere Intensivbetten von acht auf zwölf aufgestockt. Entsprechend mehr Personal wird auf ärztlicher und pflegerischer Seite benötigt. Das Problem ist, dass die Einschulung einer Fachkraft aus anderen Bereichen auf der Intensivstation in etwa drei bis vier Monate dauert. Hinzu kommt, dass die Anzahl jener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in diesem hochtechnisierten Bereich arbeiten wollen, überschaubar ist. Ich kann aber festhalten, dass wir die Pandemie bis dato sehr gut gemeistert haben. Alle im Krankenhaus zeigen eine hohe Einsatzbereitschaft und höchste Flexibilität. Alle Berufsgruppen handeln höchstgradig professionell.

Christina Wagner: Ja, auch bei uns helfen Leute aus anderen Bereichen aus. COVID-19-Patienten verweilen lange auf Intensivstationen und binden längerfristig Personalressourcen.

 

Fürchten Sie sich davor, dass die Betten so knapp werden, dass der Arzt entscheidet, wer ein Intensivbett bekommt und wer nicht?

Andreas Schmidt: Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt. Ich hoffe vielmehr, dass – auch wenn die Pandemie schon sehr lange anhält und viele Menschen ihrer müde sind – Disziplin und Vernunft das Handeln der Bevölkerung bestimmen. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir das umgehend am Anstieg der Infektionszahlen merken.

 

Was also ist Ihr Appell?

Andreas Schmidt: Massentests sind natürlich nur eine Momentaufnahme. Aber sie sind wichtig, weil man symptomlose Überträger herausfiltern kann. Dadurch kann die Weiterverbreitung der Krankheit weiter eingedämmt werden.

Mein klarer Appell: Sich testen lassen, Schutzmaßnahmen einhalten und impfen lassen.

 

Sie sind also ein Befürworter der Impfung?

Andreas Schmidt: Ich selbst werde mich sicher impfen lassen. Auf jeden Fall.


Andreas Schmidt, MSc
Pflegedirektor

DGKP Christina Wagner
Intensivpflegerin im Krankenhaus Oberwart

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