Interview

„Jetzt gilt, proaktiv etwas zu unternehmen“

Die Gastronomen waren in den letzten Wochen hart auf die Probe gestellt worden. Durch die Corona-Pandemie mussten sie ihre Betriebe wochenlang schließen. Aber auch nach dem Aufsperren waren die Rahmenbedingungen nicht ideal, um Gäste zu einem Besuch zu motivieren. Wilfried Drexler ist Unternehmensberater aus Pinkafeld. Unter den Firmen, die er in den letzten Monaten durch die Krise begleitet hat, befinden sich auch viele Wirtinnen und Wirte. prima! hat mit ihm über die Situation der krisengebeutelten Branche gesprochen.

Foto: Shutterstock Thomas Bethge

Wie geht es unseren Wirten, jetzt nachdem nun doch einige Wochen seit der Wiedereröffnung vergangen sind?

Wilfried Drexler: Die Gastronomie gehört zweifelslos zu jenen Branchen, die von der COVID-Krise am stärksten betroffen waren und sind. Und auch jetzt noch, nach dem Lockdown ist die Situation für viele schwierig. Jene, die ein großes Stammpublikum haben, konnten relativ rasch wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, in den Restaurants mit hohem touristischem Anteil an Gästen ist die Situation durchwachsen. Mit der schrittweisen Lockerung normalisiert sich aber die Situation von Tag zu Tag. Dennoch – es wird ein langer Prozess, bis sich die Gäste – wie in allen Bereichen des Lebens – auf die neue Situation einstellen.

Warum war die Kritik an den Hilfsmaßnahmen der Regierung gerade von Gastronomen so massiv?

Wilfried Drexler: Wenn die Betriebe seitens der Behörde – quasi über Nacht – gesetzlich geschlossen werden und das noch dazu vor der kommenden Hauptsaison, dann ist es legitim zu verlangen, dass hier eine Unterstützung zur Existenzsicherung gewährt werden muss. Die Hilfsmaßnahmenpakete wurden schnell geschnürt, nur sind sie teilweise noch immer nicht bei den einzelnen Betrieben angekommen, das hat zu lange gedauert. Auch jetzt nach der Wiedereröffnung ist der Druck noch immer hoch, da man nicht an das Umsatzniveau vor der Krise anschließen kann. Die Senkung der Mehrwertsteuer ab Juli 2020 – oder auch vielleicht rückwirkend per Jänner – wird eine weitere Verbesserung der Lage bringen, um einige Härten abzufedern. Aber ohne Umsatz bringt auch eine Umsatzsteuersenkung nichts. Deshalb sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden, dass die Gäste konsumieren und die österreichische bzw. burgenländische Gasthauskultur aufrechterhalten bleibt. Jede Aktivität dazu ist begrüßenswert, und jeder einzelne Konsument soll auch seinen Beitrag leisten, frei nach dem Motto: „Tun Sie sich was Gutes, damit Sie Gutes tun!“ Wir brauchen unser Gastwirtinnen und Gastwirte.

Was raten Sie den Gastronomen, um ihre Betriebe wieder anzukurbeln?

Wilfried Drexler: Ich denke, dass sich die Mehrzahl der Gastronomen ja auf die Zeit nach der Krise schon vorbereitet hat. Gerade jetzt ist es notwendig, sich die jeweils spezifische Betriebssituation anzusehen. Wo liegen die Stärken und Chancen für die Zukunft? Für den einen wird es gut funktionieren, weiter in das Liefer- und Abholservice von Speisen zu investieren, bei anderen Betrieben liegt die Kraft vielleicht im Restaurantbereich. Es ist jedenfalls anzuraten, sich auf die Stammgäste zu konzentrieren und diese aktiv anzusprechen. Vielleicht ist es auch an der Zeit, das gesamte Geschäftsmodell ein wenig zu adaptieren bzw. zu modifizieren, mit einem neuen Speise- und Getränkeangebot, mit der Ausweitung der Aktivitäten im Gastgarten oder auch verstärkten Werbemaßnahmen. Proaktiv etwas zu unternehmen, das ist jedenfalls die zentrale These!

In jedem Fall ist bei allen Unternehmerinnen und Unternehmern aber Kreativität gefragt. Auch bei Traditionsbetrieben wie etwa dem Gasthof Gibiser in Heiligenkreuz, der in die Insolvenz geschlittert war. Hier ist es mit einem ganz speziellen Modell gelungen, das Unternehmen zu retten. Was ist da passiert?

Wilfried Drexler: In diesem spezifischen Fall gab es zugegebenermaßen schon im Vorfeld der Krise einen Liquiditätsengpass. Durch die behördliche Schließung und den gänzlichen Einnahmenentfall war die Geschäftsführung gezwungen, ein Sanierungsverfahren einzuleiten. Dazu war natürlich schnelle Liquidität erforderlich, die im Rahmen einer Crowdfunding-Aktion über den Verein Südburgenland plus generiert werden sollte. Das wurde auch mit dem Masseverwalter abgestimmt. Wir baten die Gäste, einen Neustart des Gasthauses zu unterstützen, um somit die Tradition dieses Restaurants fortsetzen zu können. Und die Aktion fruchtete.

Gerlinde Gibiser konnte sich auf ihre Stammkunden und auch einige weitere Kunden aus der Crowd verlassen. Blitzartig wurden Konsumationsgutscheine für die Zeit nach der Krise und dem Sanierungsverfahren verkauft und so ein fünfstelliger Rettungsbeitrag aufgestellt. Damit konnte dann die erforderliche Liquidität für den Sanierungsplan zur Verfügung gestellt werden. Vor einigen Tagen wurde der Plan auch offiziell bestätigt, womit das Gasthaus nun weiter betrieben werden kann. Etwas unkonventionell, aber letztlich erfolgreich. Wichtig war eben, dass im Sinne eines Unternehmerinnengeistes was unternommen wurde!


Dr. Wilfried Drexler, MBA
Unternehmensberater
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