Interview

Kurioses rund um Corona

„Bin ich unhöflich, wenn ich meinem Gegenüber die Hand nicht entgegenstrecke?“ Eine der Fragen, die seit Corona nicht so leicht zu beantworten ist. Aber seit der Pandemie tut sich noch mehr Kurioses auf. Mittdreißiger, die keinen Kugelschreiber ohne Handschuhe und Mundschutz angreifen. Oder auch Menschen, die sich eng aneinandergereiht vor den Arztpraxen anstellen, um dann kontaktlos durch das leere Wartezimmer geschleust zu werden. Das sind nur zwei der Themen, die Barbara Mühl anspricht. Sie ist Steuerberaterin und hat beruflich wie auch privat einige seltsame Dinge erlebt, seit Corona eingeschlagen hat.

Foto: sdecoret

„In meiner Kanzlei hört es sich an, als würden mehrere Radios gleichzeitig laufen. In Wirklichkeit sind es die Telefon-Warteschleifen diverser Ämter, in denen wir oft stundenlang hängen,“ erzählt Barbara Mühl mit einem Lächeln. „Wir lachen mittlerweile darüber, aber leider ist vieles seit Corona wahnsinnig mühsam geworden.“ Die Steuerberaterin fühlt sich durch die Bürokratie, die Corona mit sich gebracht hat, blockiert.

Dazu ein Beispiel: für einen Stempel, den sie sich vor Corona einfach am Finanzamt abgeholt hätte, braucht die Steuerberaterin nun Tage, denn ohne Termin geht gar nichts, und den auszumachen, ist ein Hürdenlauf. „Ich hatte die betreffende Person, die das Formular normalerweise abstempelt, schon am Telefon. Die darf aber den Termin nicht vergeben. Die dafür extra eingerichtete Hotline war dauerbesetzt, und ich kam nicht durch. Also habe ich online den Termin gebucht. Genau 10 Minuten (!) bekommt man dann. Der Mann vor mir hat aus dem Auto noch Unterlagen geholt, und als er zurückkam, waren die zehn Minuten vorbei, und er musste sich einen neuen Termin ausmachen. Wieder online natürlich. Und so vergehen die Tage.“ Die Nichterreichbarkeit ist für sie lähmend.

Der Ton wird rau

Viele Menschen sind unter Druck und verunsichert. Die Stimmung wird aggressiver, auch mit frechen Anfragen hat die Steuerberaterin zu kämpfen. Mit geförderten Krediten ein „krankes“ Unternehmen zu sanieren, gehe zum Beispiel nicht, so Barbara Mühl. „Auch dass viele die neu gewonnene Lebensqualität im Homeoffice genießen und nicht mehr ins Büro kommen wollen, finde ich schlimm. Die Produktivität ist im Homeoffice nicht dieselbe. Mit der Erhöhung des Arbeitslosengeldes zahlt es sich finanziell manchmal gar nicht aus, überhaupt wieder arbeiten zu gehen“, zeigt sie sich besorgt. „Freilich denken nicht alle so, manchen ist die Überdosis Familie zu viel geworden, und die freuen sich wieder aufs Büro.“

Skurriles aus der Kanzlei

„Wer besonders vorbildlich (im Sinne von gierig) war, ist manchmal um Zuschüsse umgefallen, weil zu früh angesucht wurde. Den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, das rate ich meinen Kunden.“ Immer wieder tauchen neue Vorschriften zu den Fördermöglichkeiten auf, und es ist mühsam, den Überblick zu bewahren. Unternehmer sind auf die Unterstützung von Steuerberatern angewiesen. Nun gibt es auch für diese Arbeit einen „Platz“ im Förderdschungel: „Beim nächsten Fixkostenzuschuss kann man das Honorar für den Steuerberater ansetzen“, gibt sie einen Tipp. Wenn man die Richtlinien zu den Förderungen aufmerksam liest, dann kommt der eine oder andere wider Erwarten zu finanziellen Unterstützungen, etwa Pensionisten mit kleiner Pension und entsprechenden Nebeneinkommen. Barbara Mühl zählt weitere, sonderbare Tatsachen auf: „Es ist ja auch kurios, dass es für manche Firmen oft besser war, für ein oder zwei Monate zuzusperren, an neuen Geschäftsideen zu arbeiten oder das Geschäft zu renovieren als mit großem Aufwand, hohen Auflagen und wenig Umsatz den Betrieb offen zu halten.“

Wie in einer anderen Welt

Auch privat hat Barbara Mühl Eigenartiges erlebt. „Im Restaurant im Kurzurlaub mussten wir nur beim Betreten des Speisesaales einen Mundschutz tragen, dann aber nicht mehr – vor allem nicht am Buffet. Das Frühstücksbuffet gab es im Hotel, das Abendbuffet nicht – als könnte das Virus zwischen Morgen und Abend unterscheiden.“ Aufregend muss es auch für Freunde von ihr gewesen sein, als sie in Neuseeland waren und über die Botschaft am Karfreitag nach Österreich geholt wurden und eine andere, ihnen fremde Welt vorfanden. Hier angekommen, war der Flughafen leer, alle Menschen mit Masken und Schutzbekleidung vermummt und überall Polizei. „Eine andere Bekannte, die in Russland lebt, ist von Februar bis Anfang Juni in Wien festgesessen, weil sie nicht ausreisen konnte.“ Barbara Mühl zählt weitere Begebenheiten aus ihrem Leben der vergangenen drei Monate auf: Jugendliche lassen sich Pizzen liefern und haben Angst, diese aus dem Karton zu nehmen, weil sie ihn dann berühren müssten und sich mit dem Corona-Virus anstecken könnten. Das Fiebermessen vor Geschäften und Banken habe auch nicht immer funktioniert und war in ihren Augen nutzlos. „33 Grad hat das Fieberthermometer angezeigt. Betreten durfte ich die Bank trotzdem.“ Und wer bei der Corona-Hotline angerufen hat, ist nur mit Glück durchgekommen, und es mussten schon alle Parameter erfüllt sein, um als potenzieller Coronafall zu weiteren Testungen zugelassen zu werden. Viel Kurioses rund um Corona und kaum Positives dabei. Nur Menschen mit bestimmten Zwängen dürften sich freuen, denn der Verzicht auf das Händeschütteln und die Distanz zu den Mitmenschen sind nun sogar erwünscht. Skurril eben, wie sich Corona auf unser Verhalten niedergeschlagen hat.


Mag. Barbara Mühl
Steuerberaterin mit Kanzlei in Stegersbach
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