Chiara PIELER / 2. Mai 2024
© zVg Netflix
Christoph Krutzler spielt in der Netflix-Serie „Crooks“ Joseph, den Fahrer eines Wiener Clans.
„Der Schauspieler von Joseph sollte echt ́nen Oscar bekommen für die Rolle, hat mich durchgehend unterhalten“, „Joseph ist der neue Bud Spencer“ oder „Der Ösi war der beste“ sind nur wenige Kommentare, die unter den Instagram- Beiträgen von Netflix zur Serie zu finden sind. Was macht das mit dir?
Christoph Krutzler: Für mich heißt das eigentlich nur, dass ich gut abgeliefert hab. Ich bin nicht überheblich, aber es ist natürlich schön, diese Kommentare zu lesen. Wir verkaufen unser Gesicht zur Unterhaltung. Anders als Fliesenleger oder Maurer wird man als Schauspieler mit seiner Arbeit als Person identifiziert. Wir erfinden Menschen, Charaktere. Die Zuschauer*innen sehen aber nur einen kleinen Teil dieses Menschen. Bei Crooks sieht man beispielsweise auch nur vier
Tage im Leben des Joseph, den ich spiele. Er hat aber davor ein Leben gehabt und auch danach. Das muss ich alles in die Arbeit miteinbeziehen und mich auf meine Rolle, lange vor dem eigentlichen Dreh, vorbereiten.
Wie sieht diese Vorbereitung aus? Abgesehen von der Textarbeit, wie stellt man sich vielleicht auch mental auf eine Rolle ein?
Es ist spannend und bei jedem Projekt anders, weil unterschiedliche Rollen verschiedene Zugänge erfordern. Wenn ich einen Nestroy oder Shakespeare spiele, muss ich alles in einem historischen Kontext sehen. Wie waren die damaligen Verhältnisse, was hat die Gesellschaft bewegt? Der Joseph ist eine Person, die in der Gegenwart lebt, also eine moderne Rolle. Da muss ich mich fragen, warum er wie in einer Situation reagiert, und das erzählt mir, was er aus seinem Leben davor mitnimmt. Ich sage immer: Man findet alles in den Drehbüchern oder Stücken. Alles kann nachgelesen werden, sofern ich zwischen den Zeilen lesen und interpretieren kann. So erfahre ich, was ich über die Rolle wissen muss. Es ist bereits alles im Text, das ist mein Zugang – vom geschriebenen Wort ausgehend zu arbeiten.
Die Hauptrolle bei Crooks war nicht deine erste Netflix-Produktion. 2020 konnte man dich bereits in der Serie „Freud“ sehen, auch unter der Regie von Marvin Kren.
Genau, die erste Zusammenarbeit mit Marvin war tatsächlich bereits der Grenzland-Krimi 2017, den wir unter anderem auch hier in Kemeten gedreht haben. Wir verstehen uns super und arbeiten gut zusammen. Er ist vor allem ein Regisseur, der mehr in mir gesehen hat. Mehr, als den lustigen Komödianten. Das bin ich eigentlich gar nicht. In Wirklichkeit kommt ein gewisser Humor immer aus einer Art Verzweiflung hervor. Du kannst nur lustig sein, wenn du auch versagen kannst und dieses „Ausufernde“ in dir hast. Niemand wird über einen Menschen lachen, der auf die Bühne geht und sagt: „Mir gehts guad, die Sonne scheint, i hob‘ genug Göd, die Familie is g‘sund.“ Wenn aber jemand auf eine Bühne kommt und vielleicht gleich einmal stolpert – das ist lustig. Die Schadenfreude ist immer noch die beste Freude! Figuren wie der Rote bei Crooks sind wahnsinnig lustig, obwohl er eigentlich tief verzweifelt ist. Das ist für mich der wahre Humor. Oft bleibe ich beim Durchzappen bei deutschen Komödien hängen und denke nur „Na, na, na!“. Das wird nix mehr.
Wie „lustig“ ist die Rolle des Joseph?
Ich habe oft gelesen, dass mich die Zuschauer*innen so lustig finden. Dabei wollte ich das nicht unbedingt sein. Ich weiß, wie Komödie funktioniert und dass einige Szenen von mir humorvoll gebaut wurden – zum Beispiel die Szene beim Einwurf der Münze in das Fernglas in Marseille. Die komplette Szene war improvisiert. Es ist super, wenn man als Schauspieler nicht nur ein Instrument ist, sondern auf Augenhöhe arbeiten kann mit Autor*innen und der Regie. Letztlich ist es meine Figur, die ich erfinden muss – da steckt viel mehr dahinter, als man als Zuschauer*in vermuten mag.
Für deine Rolle bei Crooks hast du ein eigenes Stunt-Training absolviert, da Joseph sich die meisten Kämpfe geliefert hat. Wie herausfordernd war das?
Angefangen hat alles ein halbes Jahr vor Drehbeginn mit Boxtraining. Das war im Winter 2021/22, alle Fitnessstudios waren erneut im Lockdown. Im Congress-Park in Wien haben mein Trainer und ich also geboxt. Die Stadt war mit Schnee bedeckt und ein bisschen bin ich mir vorgekommen wie in Rocky 4. Diese Vorbereitung für das eigentliche Stunt-Training war extrem hart. Durch die erlernte Körperlichkeit vom Theater und das Box-Training hatte ich von Anfang an aber einen guten Zugang. Ich hatte aber auch die besten Trainer, die bereits bei Matrix oder John Wick gecoacht haben. Obwohl ich ein Stunt- Double hatte, habe ich alle Kämpfe selber geführt. Mein Double hat mich nur bei manchen Auto-Stunts vertreten, die waren aber wirklich extrem.
In der Konstellation mit Frederick Lau und weiteren Schauspielern hast du bereits beim ORF-Spielfilm „Der weiße Kobold“ zusammengespielt. Wie bist du zur Rolle des Joseph gekommen?
Als wir den Film gedreht haben, war die Netflix-Serie bereits fix. Marvin hat auch hier Regie geführt und mich reingeholt, damit Frederick Lau und ich uns kennenlernen. Rückwirkend betrachtet könnte der Taxifahrer, den ich beim weißen Kobold spiele, auch schon Joseph gewesen sein. Marvin hat seine Stammspieler, dazu darf ich mich zählen.
Als eingespieltes Team geht die Arbeit sicher auch leichter von der Hand.
Extrem! Gemeinsam mit Georg Friedrich, der Joe bei Crooks spielt, durfte ich bereits bei Freud die Kommissare spielen. Marvin hat uns auch deshalb viel freie Hand gelassen. In der zweiten Folge von Crooks gibt es eine Szene im Auto auf der Flucht, nachdem wir eine Polizistin bestechen wollten – gemeinsam mit Georg und Frederick. Hier schimpfen wir wüst miteinander, das war auch alles improvisiert. Es macht extrem viel Spaß, auch eben weil das Vertrauen untereinander da ist.
In der Vergangenheit warst du eher im Theater als im Fernsehen „zuhause“. In den letzten Jahren erscheint mir, war es genau umgekehrt. Wo wird man dich in Zukunft öfter sehen dürfen?
Wahrscheinlich schon eher im Fernsehen und auf der Leinwand. Im Theater hat es sich schon ein bisschen herumgesprochen, dass ich wenig Zeit habe. Theater programmiert langfristig, Film ist kurzfristiger. Zwanzig Jahre habe ich fast ausschließlich Theater gespielt und alles erreicht. Heute möchte ich mich nicht mehr durch das Theater für den Film blockieren. Ich bin ein lernfreudiger Mensch und glaube, dass ich im Film noch mehr lernen kann, als ich es im Theater müsste. Meiner Frau gefalle ich aber am Theater am besten. Allein am Volkstheater habe ich in neun Jahren knapp 1500 Vorstellungen gespielt, diese Erfahrung hat man in den Knochen.
Im Sommer bist du in der Besetzung des „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. Ist das noch aktuell?
Tatsächlich ist das wieder offen, weil wir zu diesemZeitpunkt möglicherweise eine zweite Staffel Crooks drehen. Wir hatten bereits zu Beginn fantastische Quoten, waren über mehrere Tage hinweg auf dem zweiten Platz der Netflix-Charts weltweit. Die Serie ist bereits jetzt ein Riesen-Erfolg und es wäre natürlich schön, wenn ich die Geschichte des Joseph weitererzählen darf.
© zVg Netflix – Gemeinsam mit Charly, gespielt von Frederick Lau, beginnt eine Verfolgungsjagd, die sich über drei Ländergrenzen hinwegzieht.
Schreibe einen Kommentar