„Der unerträgliche Kopfschmerz kann gut behandelt werden“

Betroffene haben einen enormen Leidensweg hinter sich. Ihre Lebensqualität ist massiv eingeschränkt. „Doch das müsste nicht mehr sein. Der unerträgliche Kopfschmerz kann gut behandelt werden“, sagt Dr. Hans Kirisits, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Oberwart. Sein Gastkommentar wirft einen sachlichen Blick auf die Symptome unerträglicher Kopfschmerzen und hebt dabei die hoffnungsvollen Perspektiven hervor, die durch die modernen medizinischen Entwicklungen in Reichweite gerückt sind.

GASTKOMMENTAR von Dr. Hans Kirisits, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie / 27. Dezember 2023

Noch immer leiden viele Menschen jahrzehntelang an heftigen bis unerträglichen Kopfschmerzen, ohne sich professionelle Hilfe zu holen. Dabei gibt es bereits sehr wirksame Therapien, sodass niemand mehr dauerhaft diese Schmerzen ertragen müsste. 

Der unerträgliche Kopfschmerz kann die Lebensqualität der Patienten, aber auch deren persönliches Umfeld zerstören. Die Menschen sind verzweifelt, haben Depressionen, können sich nicht gesellschaftlich strukturiert verhalten, weil sie nicht wissen, wann die Schmerzattacken kommen. Oft sind sie begleitet von Suizidgedanken. Das Privatleben und das Berufsleben sind vom Schmerz abhängig. Gerade in den letzten Jahren sind neue medikamentöse Therapien entwickelt worden, die sich auch bewähren. 

Der Clusterkopfschmerz …

… ist der unerträglichste Kopfschmerz, den man sich vorstellen kann. Er ist viel seltener als die Migräne, die aber auch im Grenzbereich zur Unerträglichkeit zu bewerten ist. 

Bis zu 0,2 Prozent der Bevölkerung in Österreich sind betroffen. 

Die Kopfschmerzattacken häufen sich dabei in einer bestimmten Zeit, pausieren dann wieder für eine längere Zeit um dann wieder erneut aufzutreten

Die Dauer der Attacken beträgt 15–180 Minuten. 

Dieses Verteilungsmuster der Attackenhäufung (Cluster) gibt diesem Kopfschmerz den Namen. Nach Tagen und Monaten der Attacken kehrt wieder Ruhe ein. Die Patienten sind erschöpft, depressiv, haben Angst und sind in der Schmerzphase sogar suizidgefährdet. 

Der Clusterkopfschmerz wird auf der internationalen Schmerzskala (bewertet mit 0 = kein Schmerz, 10 Punkte = unerträglicher Schmerz) immer mit 10 Punkten bewertet. 

Er ist immer streng einseitig an Schläfe oder Stirn, hinter dem Auge konzentriert und häufig mit gleichseitigem Tränenfluss, Nasenfluss und Rötung des Auges verbunden. 

Männer sind im Verhältnis zu Frauen häufiger betroffen – im Gegensatz zur Migräne, bei der die Frauen häufiger betroffen sind. Die Patienten verspüren einen starken Bewegungsdrang, im Gegensatz zur Migräne. Nicht selten schlagen die Leidenden mit dem Kopf gegen die Wand. 

Folgende Therapie hat sich bewährt und wird von der Neurologie als Leitlinie empfohlen: 

1. Inhalation von 100 % Sauerstoff (wird wie ein Rezept verordnet und von einer Spezialfirma ins Haus geliefert)

2. Sumatriptan Injektion unter die Haut oder

3. Zolmitriptan (Zomig) – Nasenspray

Der Therapieverlauf sollte vom Facharzt für Neurologie engmaschig begleitet werden. Sollte diese Standardtherapie nicht zum gewünschten Erfolg führen, werden vom Facharzt weitere medikamentöse, infiltrative und eventuell neurochirurgische Möglichkeiten erwogen. 

Die Migräne …

… erreicht zwar nicht die Intensität des Clusterkopfschmerzes, liegt aber auch im Grenzbereich zur Unerträglichkeit mit 7–9 Punkten an der Schmerzskala. In Österreich leiden rund eine Million Menschen an Migräne. 

Betroffene klagen über einseitig pochende, drückende Kopfschmerzen, Licht-, Lärm- und Geruchsempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Als Vorzeichen (Aura) kann es zu einer vorübergehenden zackenförmigen einseitigen Sehstörung kommen. Aber auch schlaganfallähnliche Symptome wie Sprechstörungen, halbseitige Arm- und Beinlähmungen können auftreten, bilden sich aber meistens zurück. Dabei besteht vor allem bei Patientinnen, die ein empfängnisverhütendes Mittel nehmen und rauchen, ein sehr hohes Schlaganfallrisiko (migränöser Gehirninfarkt). Der Migräneanfall kann von vier Stunden bis zu drei Tagen dauern.

Auch hier gilt, dass Betroffene den Schmerz nicht erdulden müssen! Viele wissen aber über ihre Diagnose nicht und nehmen die unerträglichen Schmerzen als gegeben hin. Es sollte so rasch als nur möglich mit der Therapie begonnen werden:

• abgedunkelter Raum und Stille, hinlegen, ev. schlafen

• bei Übelkeit Paspertin

• aus eigener Erfahrung und Patientenberichten kalter Kaffee, kaltes Cola

• herkömmliche rezeptpflichtige Schmerzmedikamente

• Triptane wie Zomig, Eumitan, Relpax, Sumatriptan

• bei anfänglichen Erbrechen Zomig-Nasenspray oder Sumatriptan-Injektionen

Bei mehr als vier Migräne-Kopfschmerztagen pro Monat ist eine Vorbeugung begründet – zum Beispiel mit Betablocker. Sollte diese Vorbeugung nicht die gewünschte Wirkung bringen, gibt es seit einigen Jahren die sogenannte CGRP-Antikörperprophylaxe. Diese erfolgt ein Mal pro Monat durch Injektion mit einem PEN.

Mit dieser neuen Form der Vorbeugung wurde ein wirklicher Durchbruch, ein Meilenstein, in der Migränetherapie erzielt. Viele Betroffene sagen mir: „Die Migräne ist kein Thema mehr“ oder „Migräne beherrscht mich nicht mehr“.

Die CGRP-Prophylaxe ist für Patientinnen in der Schwangerschaft und Kinder und Jugendliche nicht zugelassen. Dies wird bei der Aufklärung deutlich betont.

Weitere unerträgliche Kopfschmerzformen, die ebenfalls gut behandelt werden können:

Der Donnerkopfschmerz …

… erreicht innerhalb von Sekunden seine maximale explosionsartige heftigste Stärke und dauert mindestens fünf Minuten bis mehrere Stunden lang an. Dieser ist ein neurologischer Notfall. Der Betroffene sollte unverzüglich eine neurologische Abteilung aufsuchen – da ein Hirnarterienaneurysma mit einer Hirnblutungsgefahr ausgeschlossen werden muss. Erwähnenswert ist auch der heftige, explosionsartige Orgasmuskopfschmerz, der nicht als Notfall zu deuten ist, er sollte aber dennoch neurologisch abgeklärt und therapiert werden.

Bei der Trigeminusneuralgie …

… treten heftigste elektrisierende Schmerzen meistens einseitig im Gesicht auf, die durch Kauen, Zähneputzen oder leichte Berührung der Gesichtshaut ausgelöst werden. 

Beim Herpes zoster (Gürtelrose) im Kopfbereich …

… treten Bläschen in Gruppen auf geröteter Haut, verbunden mit heftigen brennend glühend heißen Schmerzen (wie mit „Glüheisen“) auf.

Unerträgliche Kopfschmerzen können gut behandelt werden. Niemand braucht mehr qualvoll daran zu leiden. Wenn Sie betroffen sind, zögern Sie nicht, Ihren Arzt oder Ihre Ärztin für Allgemeinmedizin und Neurologie aufzusuchen.

Hans Kirisits
Hans Kirisits

Dr. Hans Kirisits ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Oberwart

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Eine Antwort

  1. Jennifer Neid

    Bin selbst in Behandlung bei Dr. KIRISITS wegen meiner Migräne mit Aura!
    Wahnsinn welches Wissen und welche Ansätze dieser Arzt an den Tag legt. Nach vielen Jahren an Leiden, hab ich endlich
    einen Arzt der mich und meine Migräne mit Aura ernst nimmt!
    Ganz klare Weiterempfehlung von mir!