Ein Leben mit Behinderung! Lebenswert?

Eine reißerische, unmoralische und abzulehnende Überschrift, ginge es um Menschen. Komischerweise ist die Meinung, wenn es dabei um Tiere geht, nicht so eindeutig. Da erlebe ich Ausgrenzung, Anfeindung, Beschimpfung, Ekel, Verständnislosigkeit im Zusammenhang mit Hunden im Rollstuhl, Katzen mit Windeln, inkontinenten oder blinden Tieren.

Alice Siebenbrunner, Obfrau des Tierschutzvereins „Wir fürs Tier“ / 27. Dezember 2023

„Windel Kater“ Moritz hat nach einer Wirbelsäulenverletzung eine Harn- und Kotinkontinenz. Ohne Medikamente wäre er nicht lebensfähig. Ist sein Leben noch lebenswert? Nun, er genießt jede Sekunde davon. Also JA!, er will leben und sollte daher auch die Chance dazu haben.

Woran liegt das? Glaubt man, ein Tier mit Behinderung hätte keine Lebensfreude mehr? 

Tiere leben im Hier und Jetzt – etwas, das wir nie so können werden wie sie. Sie schwelgen nicht in der Vergangenheit und sorgen sich nicht um die Zukunft. Ich habe es oft genug selbst erlebt, wie schnell sie sich letztendlich auf eine Behinderung einstellen und wie schnell sie richtig gut damit zurecht kommen. Für Außenstehende mag das manchmal nicht so wirken, doch als Halter erkennt man schnell, wie gut sie ihren Alltag bereits nach kurzer Zeit meistern, wie schnell sie ihre Behinderung kompensieren und neue Lebensfreude schöpfen. 

Sind nicht eher wir das Problem? 

Das Leben mit behinderten oder chronisch kranken Tieren kann oft sehr herausfordernd sein. Da gibt es natürlich erhebliche Unterschiede in der Art der Behinderung, also zum Beispiel, ob man eine dreibeinige Katze hat oder eine Katze mit chronischem Schnupfen, die einem täglich die Wand vollrotzt. Zusätzlich kommt dann auch noch kaum gesellschaftliche Rückendeckung, da viele Menschen Tiere nicht als fühlende Individuen wahrnehmen, sondern viel mehr als Sachen, deren man sich doch einfach entledigt, wenn sie nicht mehr funktionieren. 

Es ist zu leicht

Entledigen kann man sich eines behinderten oder unangenehmen Tieres sehr schnell. Da kommt die Diagnose unheilbarer Krebs oder Lähmung und dann heißt es von allen Seiten, es sei besser das Tier zu „erlösen“. Für mich ist es die größte Verantwortung überhaupt, über ein anderes Leben zu entscheiden. Zu entscheiden, wann ein anderes Lebewesen nicht mehr leben soll, ist wohl die schwierigste Entscheidung, die jeder Tierhalter treffen muss. Und wir als Halter übernehmen dabei den wichtigsten Part. Denn keiner außer den täglichen Betreuern sieht, wie lebenswert das Leben ist. Die tierärztliche Meinung ist wichtig, auch Außenstehende können helfen, sich nicht vom eigenen Egoismus, ein geliebtes Familienmitglied nicht gehen lassen zu wollen, einvernehmen zu lassen. Letztendlich muss man sich aber diese Frage einfach selber stellen: Geht es um mich? Bin ich es leid, ständig nachzuputzen, nicht mehr wegfahren zu können, ständig von anderen kritisiert zu werden oder hat das Tier wirklich selbst entschieden, dass es einfach nicht mehr möchte. 

Ich musste in meinem Leben schon unzählige Tiere gehen lassen und diese Entscheidung viel zu oft treffen, doch wenn man sein Tier kennt, weiß man es letztendlich fast immer sicher, wann es so weit ist. Und dann, aber nur dann, ist eine Euthanasie ein Segen. 

Viel öfters erlebe ich sie in der Realität als Fluch, weil es sich allzu viele einfach zu leicht machen und statt ein Tier zu begleiten, einfach das Wort „erlösen“ benutzen, um sich selbst vor der Verantwortung der Pflege zu drücken. Weil man es eben nicht „muss“ wie beim Menschen. Das klingt eigentlich furchtbar traurig und ist es auch. 

Ich habe den allergrößten Respekt vor Menschen, die behinderte oder kranke Menschen pflegen und begleiten. Ebenso aber auch vor jenen, die das für ihre Haustiere tun. Sie erfahren meistens keine Anerkennung, sondern Ablehnung. Doch kann es richtig sein, ein Leben zu beenden, weil es für einen selbst angenehmer ist – einfach weil man es kann? 

Die Realität mit behinderten Tieren 

Ja, sie ist herausfordernd. Ich habe derzeit zwei Katzen mit Windeln. Für mich momentan unter allen kranken und behinderten Tieren bei mir zuhause die größte Herausforderung. Allzu oft geht etwas daneben und geruchlich ist das schon oft sehr grenzwertig. Die Waschmaschine läuft eigentlich ununterbrochen. Es war auch anfangs anstrengend, bis sie die Windel akzeptiert hatten. Doch nur, weil mir etwas mühsam oder unangenehm vorkommt, kann das nicht ein Grund sein, ein anderes Leben zu beenden. 

Der Besuch, der wegen solcher Gründe ausbleibt, kann es ruhig. Da geben mir meine Tiere viel mehr zurück, als dass mich die Meinung solcher Menschen auch nur eine Sekunde kümmert.

Umgekehrt sehe ich meine Katzen fröhlich spielen, genüsslich in der Sonne liegen, sich ihre Streicheleinheiten abholen, um Futter betteln. Die Tiere geben jeden Tag so viel zurück. Auch sie haben es verdient zu leben – einfach weil sie leben wollen. 

Am Ende des Tages – mag er auch noch so anstrengend sein – weiß man, das Richtige zu tun und das ist wohl das, was das Leben ausmacht. 

Katze Hanni

Hanni

Auch die blinde Hanni und die halbblinde Fritzi lieben es in ihrem gesicherten Garten zu spielen. Hanni ist inzwischen über zehn Jahre alt und auch sie genießt jeden Tag – und wird geliebt!

Katze Fritzi

Fritzi

Fritzi ist ein richtiger Wirbelwind und eine lebenslustige Katze.

Hund Rokko

Rokko

Rokko hatte im hohen Alter eine Lähmung der Hinterbeine und hat trotz seiner 14 Jahre den Rollstuhl gut akzeptiert. Er konnte damit noch zwei tolle Jahre verbringen und schöne Spaziergänge machen.

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